Süddeutsche Zeitung

Lebensmittelgipfel:Vereint gegen Billigfleisch

  • Ministerin Julia Klöckner hat sich in den letzten Wochen bereits als Vorkämpferin der Landwirte profiliert. Nun fordert sie stellvertretend ein Ende der Niedrigstpreise.
  • Es gibt viel Gesprächsstoff für den angesetzten 90 Minuten Gipfel. Mit einer Besänftigung der Protestierenden vor dem Kanzleramt, ist deswegen nicht zu rechnen.

Von Michael Kläsgen

Zwischen Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Greenpeace sind bislang nur wenige Gemeinsamkeiten auffällig geworden. An diesem Montag aber kämpfen beide gegen das Gleiche: Dumpingpreise im Supermarkt, beim Fleisch und anderswo. Wenn sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Spitzenvertreter der vier größten deutschen Lebensmittelkonzerne (Edeka, Rewe, Aldi und Lidl) am Vormittag zum so genannten "Dialog" treffen, dann wird die Umweltschutzorganisation vor dem Kanzleramt gegen Billigfleisch protestieren, gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).

Klöckner wird ihr Missfallen über die Niedrigstpreise im Kreis der Gipfelteilnehmer kundtun können. Die Ministerin hat sich in den letzten Wochen bereits als Vorkämpferin der Landwirte profiliert. Während der "Grünen Woche" Anfang des Jahres prangerte sie mehrmals Dumpingpreise im Lebensmittelhandel an: "Hähnchenschenkel für 20 Cent, das ist unanständig", monierte sie. Das könnten die Vertreter von Greenpeace und AbL kaum besser sagen. Sie fordern von der Bundesregierung einen verlässlichen Rahmen für eine klimaschonende und tierschutzkonforme Haltung mit fairen Preisen für die Erzeuger. Klöckner verlangt auch faire Preise für die Bauern. Sie hat auch deswegen das Gipfeltreffen initiiert. Offiziell eingeladen hat Merkel. Die Kanzlerin bat aber neben Klöckner aus dem Bundeskabinett auch noch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dazu. Von dem sind bislang keine Vorstöße in Richtung Preisbeeinflussung publik geworden.

Der Handelsverband Deutschland (HDE), der ebenfalls an dem Spitzengespräch teilnimmt und die Interessen der Konzerne vertritt, machte im Vorfeld bereits klar: "Wir werden nicht über Preise reden." So formulierte es HDE-Präsident Josef Sanktjohanser, der als selbständiger Rewe-Kaufmann selber von den Vorwürfen betroffen ist. Er verbitte sich jede staatliche Einmischung in die Preispolitik, fügte er hinzu. Das nutze niemandem, schon gar nicht den Landwirten.

Es gibt so viel Gesprächsstoff, dass die geplanten 90 Minuten kaum ausreichen dürften

Die sind übrigens auf dem Gipfel gar nicht vertreten. Bauernpräsident Walter Heidl tat seine Meinung deswegen im Vorfeld schon kund: "Es muss endlich Schluss sein mit dem gnadenlosen Preiskampf auf dem Rücken der Bauern und den rücksichtslosen Rabattaktionen. Um unsere Landwirtschaft und unsere Umwelt zu schützen, dürfen Lebensmittel nicht länger zum Schnäppchenpreis verramscht werden", sagte er.

Auch die Agrarkonzerne, die den Bauern ihre Erzeugnisse abkaufen und an die Händler weiterreichen, sitzen nicht mit am Tisch. Dabei geht es laut offizieller Einladung um die "Stellung der Landwirtschaft in der Wertschöpfungskette".

Dass der Handel allein am Pranger steht, hat er auch selber verschuldet. In der Außendarstellung geht es bei Supermärkten und Discountern meist um den günstigsten Preis. Erst vor einer Woche machte Edeka wieder mit einer umstrittenen "Niedrigpreis"-Werbung von sich reden. Der Händler hatte mit seinem Plakatmotiv "Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten" massive Bauernproteste und Schlagzeilen verursacht. Klöckner sprang den Bauern sofort beiseite. Sie gehören traditionell zur Stammwählerschaft von CDU und CSU. Aber Traditionen gehen manchmal auch zu Ende.

Der Hype um den Berliner Handelskonflikt übertüncht, worum es bei dem Treffen eigentlich gehen sollte: die Umsetzung einer EU-Richtlinie gegen "unfaire Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette" (UTP). Insgesamt zehn "unfaire Handelspraktiken" verbietet das Brüsseler Regelwerk kategorisch, sechs weitere Praktiken kommen hinzu, für den Fall, dass sie nicht klar schriftlich fixiert wurden, etwa Listungsgebühren oder Werbekostenzuschüsse.

Welches Ministerium ist zuständig?

Im Frühjahr soll die Kabinettsfassung stehen, im Herbst der Gesetzentwurf umgesetzt werden. Konkret geht es um ein Verbot des Verkaufs unterhalb der Produktionskosten, was etwa für Bananen aus Ecuador gilt. Lidl und Aldi fochten über Monate Preisschlachten um die billigste Banane aus. Verboten werden sollen auch Auktionen, bei denen Lieferanten jederzeit den Verkaufspreis der Konkurrenz online einsehen und diesen im Laufe der Auktion unterbieten können. Unbotmäßige Lieferanten sollen auch nicht einfach ausgelistet werden können und nicht verkaufte Ware nicht einfach an sie zurückgegeben werden können.

Entschieden werden muss im Kanzleramt auch, ob die Umsetzung des Gesetzes beim Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), einer Unterbehörde von Klöckners Ministerium, angesiedelt wird oder beim Bundeskartellamt, das zu Altmaiers Bereich gehört. Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam favorisieren das Kartellamt, weil es Ermittlungs- und Durchsuchungsbefugnisse hat, mit deren Hilfe etwaige Missstände leichter aufgedeckt werden könnten, als es das BLE wohl tun kann. Das Kartellamt hat darin jedenfalls einige Erfahrung. Andreas Mundt, der Chef der Wettbewerbsbehörde, bezeichnete die UTP-Richtlinie allerdings in ihrer Entstehungsphase als "verfehlt, kontraproduktiv und teils untragbar". Manches greife tief in die Vertragsfreiheit ein und sei kaum durchsetzbar.

Klöckner klang da offensiver, als sie ankündigte: "Wir werden zum Beispiel verbieten, dass der Käufer Bestellungen von verderblichen Lebensmitteln kurzfristig storniert, oder dass Händler einseitig die Lieferbedingungen, Qualitätsstandards und Zahlungsbedingungen ändern."

Es gibt also viel Gesprächsstoff. So viel, dass die anberaumten 90 Minuten kaum reichen dürfen, die wichtigsten Fragen zu klären. Die Protestierenden draußen vor dem Kanzleramt dürfte das nicht besänftigen.

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SZ vom 03.02.2020/mxh
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