Lebensmittel aus der Dritten Welt:Der Dinosaurier des fairen Handels

Dieter Overath hat den Verein Transfair gegründet. Mittlerweile hat er den Sprung aus den Dritte-Welt-Läden geschafft: Fair gehandelte Lebensmittel wie Kaffee und Bananen gibt es auch beim Discounter.

Caspar Dohmen

Es gab die Idee und Geld für ein Jahr", sagt Dieter Overath, 53. Inzwischen ist das 16 Jahre her, seitdem gibt es den Verein Transfair, dessen Gründer und Geschäftsführer Overath ist.

Er will den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten aus der Dritten Welt gerechter machen, zum Beispiel mit Baumwolle aus Ländern wie Burkina Faso.

Mit dem Jeep geht es über eine Lehmpiste in die Anbaugebiete des westafrikanischen Landes, in dem Overath während der abgelaufenen Erntezeit einige Kooperativen besucht hat, deren Mitglieder einen festgesetzten, fairen Mindestpreis erhalten.

Harte Arbeit

Aber was ist fair? "Bei der harten Arbeit müssten wir eigentlich noch mehr Geld bekommen", sagt eine ältere Bäuerin beim Treffen einer Produktionsgenossenschaft.

Overath sitzt, umlagert von der Dorfbevölkerung, unter Bäumen an einem Holztisch, der aus der Dorfschule hergebracht wurde. In der Abendsonne beantwortet er Fragen der Bauern zu fairem Handel und zeigt ihnen Produkte wie Jeans und Sesamplätzchen aus so gehandelten Rohstoffen.

Gutes Gewissen der Verbraucher

Mehrfach haben Organisationen der Transfair-Bewegung im Dorf vorbeigeschaut, um den Nachschub zu sichern, was belegt, dass die Idee erfolgreich ist: Immer mehr Kunden in reichen Ländern wollen mit gutem Gewissen einkaufen.

Deutschland gehört neben Großbritannien, den USA, der Schweiz und Frankreich zu den großen Märkten für fair gehandelte Produkte. Zuletzt verdoppelte sich der Absatz in Deutschland.

Dabei haperte es am Anfang heftig. Transfair ist ein Kind der Solidaritäts- und Weltladenbewegung, in den 70er und 80er Jahren blickten viele Menschen auf das Geschehen in Lateinamerika, wo Regime wie die Somoza-Diktatur in Nicaragua von Widerstandsgruppen gestürzt wurden.

Overath interessierte sich für Guatemala, er setzte sich bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International für eine Verbesserung der Situation in dem mittelamerikanischen Land ein, in dem die Regierung ganze Dörfer ausradierte.

Theaterstück über Kaffee

Overath knüpfte Kontakte, auch zu Schauspielern, von denen er einigen später beim Aufbau des Theatro Vivo im europäischen Exil hilft. Zurzeit ist die Truppe mit einem Theaterstück über Kaffee in Spanien unterwegs.

1992, kurz vor seinem Antritt für Transfair, verdiente Overath sein Geld als Ausbilder in einer Werkstatt für jugendliche Arbeitslose, die er im oberbergischen Gummersbach zuvor mitgegründet hatte.

Parallel organisierte er eine Veranstaltungsreihe "Gesichter in Lateinamerika" in Köln, und er übernimmt ehrenamtlich die Öffentlichkeitsarbeit im deutschen Vorstand von Amnesty International.

Wege zu höheren Preisen

Derweil sitzen Abgesandte von zehn Organisationen wie Misereor, Brot für die Welt, die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Weltläden in einer AG Kleinbauernkaffee e. V. zusammen und diskutieren bei Treffen in privaten Wohnzimmern Wege zu höheren Kaffeepreisen für die Bauern.

Angeregt sind sie von der Initiative Max Havelaer in Holland, der Pionierorganisation des fairen Handels. So etwas wollen sie auch in Deutschland aufbauen. Die Kirchen übernehmen schließlich für ein Jahr die Finanzierung des Projektes und schalten eine Stellenanzeige, auf die sich Overath, Betriebswirt über den zweiten Bildungsweg, bewirbt.

Der Dinosaurier des fairen Handels

Er beginnt in einem Hinterhof in Köln-Sülz, in den ersten acht Monate sitzt er dort völlig alleine. Jahrelang fährt er selbst nach Lateinamerika und kümmert sich um die Zertifizierung der Produktionsgenossenschaften. Eine bereits vor dem Jobantritt geplante Urlaubsreise nach Costa Rica funktioniert er zur ersten Arbeitsreise um. Zunächst geht es vor allem um Kaffee und Bananen.

Eigener Laster

16 Jahre später führt seine Fahrt durch die afrikanische Trockensavanne, und Overath kann sich für den Wandel bei den mittelamerikanischen Kleinbauern begeistern, die sich beispielsweise von den Mehrerlösen aus dem fairen Handel einen Laster kaufen konnten, um den Kaffee selbst zu den Märkten zu fahren.

Von Zwischenhändlern, die ihnen vorher die Preise diktiert hatten, sind sie nun nicht mehr abhängig. Die Geschichte interessiert auch die Baumwollbauern in Afrika. Es sind ihre Sorgen, die sich in den Geschichten vom anderen Ende der Welt wiederfinden, und Overath berichtet von einer Lösung, die für sie plausibel klingt.

Dass Overath immer mehr Bauern besuchen kann und muss, hat mit dem Wandel in Europa zu tun. Früher war fairer Handel in Deutschland ein Nischenthema für Weltläden.

Durchbruch beim Weltfrauengebetstag

In der Werbung dominierte die Botschaft vom Kaffeegenuss, Overath versuchte vergeblich, den fair gehandelten Kaffee in die deutschen Supermärkte zu bringen. Dann kam beim Weltfrauengebetstag 1993 das Thema fairer Handel auf, Kunden fragten nach entsprechenden Produkten; zwei Monate später stand in 23.000 Geschäften in Deutschland der passende Kaffee.

Mittlerweile gehören neben Kaffee Rosen, Honig, Bonbons, Fußbälle und neuerdings Baumwolle zum Sortiment von 30000 Märkten in Deutschland. Overath findet inzwischen auch bei traditionellen Unternehmen Gehör. So wird er am Montag bei der Düsseldorfer Modemesse Igedo auf einem Podium mit Vertretern der Industrie über fairen Handel diskutieren.

Zwischenzeitlich erlebte er bei Transfair Rückschläge. Ein geschäftliches Desaster folgte auf den Hurrikan Mitch, der vor zehn Jahren Mittelamerika verwüstete. "Damals konnten wir von heute auf morgen keine Bananen mehr liefern", sagt er, worauf die fair gehandelten Bananen aus den Supermarktregalen flogen.

Geduld

Auch eine lange Phase, in der der Absatz fair gehandelten Kaffees in Deutschland stagnierte, frustrierte Overath. Aber er kann geduldig sein.

Mittlerweile hat der faire Handel den Sprung aus den Dritte-Welt-Läden geschafft, wobei es hilft, dass Overath bei der Auswahl der Handelsunternehmen keine Berührungsängste hat.

Allerdings wurde er dafür schon heftig gescholten. Als Transfair die Partnerschaft mit dem Discounter Lidl verabredete, musste er das mühsam verteidigen. Entscheidend für die Kleinbauern sei doch, dass ihre Produkte verkauft werden, nicht wo. Und die meisten Deutschen kauften nun einmal bei Discountern, sagt Overath, der sich längst als Dinosaurier des fairen Handels sieht.

Während es in Schwesterorganisationen schon mehrere Generationen von Geschäftsführern gab, radelt er noch mit dem Fahrrad ins Büro, das vom Hinterhof der Gründungszeit ein paar Straße weiter gezogen ist. Gerne kicken die Mitarbeiter hier zum Entspannen.

In Burkina Faso kickt Overath mit zwei kleinen Jungen, den Kapitänen einer Dorfschulmannschaft. Hier wollen die Baumwollbauern nun eine Schulspeisung für die Schüler organisieren, aus Mitteln des fairen Handels.

Zum Abschied jubeln mehr als hundert Kinder Overath zu, der in solchen Momenten die Früchte der langen Aufbauarbeit erntet. Overath ist so begeistert von der Produktionsgenossenschaft, dass er gleich die Finanzierung einiger weiterer Berater zusichert, obwohl Transfair dafür eigentlich gar nicht zuständig ist.

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