Eigentlich hat Wilhelm Schröder bei der Altersvorsorge alles richtig gemacht. Der niedergelassene Anästhesist aus Minden in Nordrhein-Westfalen zahlt nicht nur seit Jahren freiwillig den Höchstbeitrag von derzeit rund 1400 Euro monatlich in die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe ein. Das ist das berufsständische Versorgungswerk, das bei Medizinern die gesetzliche Rente ersetzt. Zusätzlich hat sich der 59-Jährige einen Vertrag zur betrieblichen Altersversorgung beim Versicherer Zurich zugelegt, in den monatlich rund 800 Euro fließen, außerdem eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeits- und Unfallschutz bei der Generali-Tochter Cosmos-Direkt, in die er momentan rund 670 Euro monatlich einzahlt.
Doch genau dieser Vertrag macht Schröder momentan viel Ärger. Denn seit 2010 muss der Mediziner mit ansehen, wie die voraussichtliche Ablaufleistung des 1991 geschlossenen Vertrags immer weiter sinkt, obwohl sein Beitrag jährlich um fünf Prozent steigt. Laut der letzten Mitteilung von Cosmos Ende 2015 soll er bei Vertragsablauf im Jahr 2021 eine garantierte Kapitalauszahlung von 110 000 Euro erhalten. Inklusive Überschüssen sollen es rund 157 000 Euro sein. Diese Überschüsse sind allerdings nicht garantiert, und sie werden aufgrund des Niedrigzinsumfelds immer weniger. "Eigentlich sollte meine Lebensversicherung als Zusatzversorgung für meine Rente dienen", sagt Schröder. "Da die Überschussbeteiligung scheinbar schmilzt wie Schnee in der Sonne, ist die Situation mehr als ärgerlich."
Viele Versicherte kennen diesen Frust. Die Niedrigzinsen machen es den Anbietern immer schwerer, die hohen Garantien zu erwirtschaften, die sie Kunden vor Jahren versprochen haben. Bis Mitte 2000 lag der Garantiezins noch bei vier Prozent des Sparanteils an den Beiträgen. Das ist der Betrag, der nach Abzug der Kosten übrig bleibt. Bei Neuverträgen versprechen die Anbieter derzeit höchstens 1,25 Prozent, ab Anfang 2017 nur noch 0,9 Prozent. Hinzu kommt zwar noch die Überschussbeteiligung, die jedes Jahr neu festgelegt wird. Da die Anbieter den Großteil der Überschüsse allerdings am Kapitalmarkt erwirtschaften, schrumpft auch diese Ertragsquelle der Kunden. Nach Berechnungen der Ratingagentur Assekurata schreiben Lebensversicherer ihren Kunden 2016 eine laufende Verzinsung von 3,11 Prozent gut; vor fünf Jahren waren es noch 4,08 Prozent. Bis 2015 gab es zusätzlich noch eine nennenswerte Beteiligung an den sogenannten Bewertungsreserven. Auf Drängen der Anbieter strich der Gesetzgeber den Versicherten aber große Teile dieser Beteiligung.
Auch der Rest der Bewertungsreserven und der Schlussüberschuss, den Versicherer bei Vertragsablauf zahlen, könnten den Kunden in den nächsten Jahren noch verloren gehen, glaubt Dean Goff vom Policen-Aufkäufer Partner in Life. Das Unternehmen erwirbt Lebensversicherungen von Kunden, die diese nicht mehr weiterführen wollen. Auch der Arzt Wilhelm Schröder hat sich mit seiner Police an das Unternehmen gewandt.
Da Bewertungsreserven und Schlussüberschüsse vertraglich nicht festgeschrieben sind, können Versicherer sie als Erstes kürzen, um die hohen Garantien in ihren Beständen zu finanzieren. Das könne die Kunden im Schnitt 8,3 Prozent der gesamten Ablaufleistung kosten, in manchen Fällen sogar ein Drittel, erwartet Goff.
Schröder ist sich noch nicht sicher, was er mit seiner Police machen wird. "Auf jeden Fall werde ich nicht weiter einzahlen", sagt er. Denn Partner in Life prognostiziert dem Mediziner eine "negative Fortführungsrendite" seines Vertrags. Das heißt, mit jedem Euro, den der Mediziner einzahlt, macht er Minus. Denn kündigt er den Vertrag heute, erhält er den sogenannten Rückkaufswert. Der beträgt 123 000 Euro. Addiert man dazu die bis 2021 zu zahlenden Beiträge, ergibt sich eine Gesamtsumme von 160 000 Euro. Das ist mehr als die für den Zeitpunkt vom Versicherer prognostizierte Ablaufleistung mit Überschüssen in Höhe von 157 000 Euro. Auch ein Versicherungsberater, den Schröder einschaltete, riet ihm davon ab, den Vertrag weiter zu besparen. Wenn der Mediziner bis zur Rente nichts mehr einzahlt, erhält er allerdings nur eine garantierte Ablaufleistung von 79 000 Euro plus etwaige Überschüsse. Deshalb denkt er auch über einen Verkauf seines Vertrags nach.
Erst einmal will er sich aber beim Versicherungs-Ombudsmann über seinen Anbieter Cosmos-Direkt beschweren. "Ich habe das Gefühl, dass mein Versicherer mich loswerden will, weil ich ein teurer Kunde bin", sagte er. Schröders Vertrag sieht noch einen Garantiezins von 3,5 Prozent vor. Deshalb vermutet er, dass der Anbieter den Vertrag extra schlecht aussehen lässt, um ihn zur Kündigung zu bewegen. Cosmos war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.