Süddeutsche Zeitung

Software:Handwerk, aber digital

Viele Schreiner und Elektrotechniker arbeiten noch mit Stift und Papier, ihre Software ist oft veraltet. Ein neuer Zusammenschluss will das nun ändern.

Von Helmut Martin-Jung

Holger Studtmund sieht die Digitalisierung ganz pragmatisch: "Wenn Sie deutsche Handwerksqualität zu bezahlbaren Preisen haben wollen, geht es nicht anders." Er weiß, wovon er redet: Seit 34 Jahren gibt es bereits die Firma Taifun für Handwerkssoftware, bei der er im Vorstand sitzt. Software, das ist auch in diesem Bereich schon seit vielen Jahren kein Fremdwort mehr.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Viele der Programme und Lösungen auf dem Markt sind alt, sie laufen nur unter Windows. Das aber genügt nicht mehr. Gefragt ist Software, die auf beliebigen Endgeräten funktioniert, die Maße sofort ins Computer-Zeichenprogramm (CAD) überträgt, bei der ein Kunde gleich auf einem Tablet unterschreiben kann, als würde er ein Paket entgegennehmen. Studtmund, hat mit seinen Kollegen daher etwas Ungewöhnliches getan: Er schloss sich mit seiner Firma Taifun unter einem neuen Dach zusammen mit vier Herstellern von Software für andere Gewerke - unter der Führung eines Investors.

Viele Investoren, sagt er, hätten schon bei ihm angefragt. Aber keiner habe so überzeugt wie der Karlsruher Investor LEA Partners, der einen 200-Millionen-Euro-Fonds ausschließlich für die Digitalisierung des Mittelstandes aufgelegt hat. Sogar eine relativ große Firma wie Taifun, gut eingeführt und mit vielen Bestandskunden, könne davon profitieren, sich einer Plattform anzuschließen, ist sich Studtmund sicher. Denn um sich auf die neuen Gegebenheiten vorzubereiten, brauche es ganz andere Tugenden und Fähigkeiten als die, die bisher verlangt waren.

Weltfirmen sind nicht entstanden, dafür ist die Zielgruppe zu klein

Bislang haben Experten, viele selber vom Fach, für ihre Kollegen draußen Software programmiert, die dann mit vielleicht ein paar Updates Jahre oder Jahrzehnte ihren Zweck erfüllte. Weltfirmen sind daraus nicht entstanden, dafür ist die Zielgruppe zu klein, aber gut eingeführte Unternehmen, die verstanden haben, was ihre Kunden brauchten. Doch die Digitalisierung hat die Anforderungen drastisch verändert. Die Programme nun umzusetzen in einer veränderten Welt, das würden viele der kleinen Softwarehäuser allein gar nicht schaffen. Studtmund stellt sich agile Software-Entwicklung vor, die in kleinen Schritten vorgeht, transparent arbeitet und ständig überprüft und bewertet, ob die angestrebten Ziele auch erreicht werden.

Solche Methoden aber brauche es, um die neuen Anforderungen zu erfüllen, wie Dominik Hartmann sagt. Hartmann ist der Chef des Zusammenschlusses, zu dem neben Taifun noch M-Soft, Pinncalc, Bauoffice und Engel Dataconcept gehören - alles Software, die in ihrer Nische erfolgreich ist. Was aber kann man sich unter diesen Anforderungen genau vorstellen und vor allem, was bringt es dem Heizungsbauer oder dem Schreiner, sie einzusetzen? "Die mobile Anbindung der Monteure steht immer mehr im Fokus", sagt Hartmann. Die könnten beispielsweise in ein Tablet alle nötigen Informationen eingeben und während sie noch auf dem Weg zurück vom Kunden sind, kann im Firmenbüro schon die Rechnung fertiggestellt werden.

"Sie können Messreihen über die Jahre speichern", gibt Hartmann ein weiteres Beispiel. Die Daten eines Angebotes ließen sich sofort in ein Computer-Zeichenprogramm übertragen und fotorealistisch darstellen. "Aus der Planung heraus können sie ein Angebot erstellen und dann den Auftrag an die Maschine schicken", schwärmt der Software-Mann, der davor bei Microsoft und Lexware für Digitalisierungsprojekte zuständig war. "Nur so kann man Preise machen, die akzeptabel sind."

Davon sind viele Handwerksbetriebe noch meilenweit entfernt. Sie arbeiten mit Stift und Papier, das Material bestellen mehr als 80 Prozent noch per Telefon bei ihrem Großhändler. Doch es wächst auch eine neue Generation heran, die nicht bloß Software einsetzen will. Sie muss auch mithalten können mit dem, was die Jüngeren in ihrem Leben sonst noch nutzen: Smartphones und Tablets.

Damit die Software auch im Einsatz beim Kunden verwendet werden kann, muss sie in der Cloud laufen. Schon das erfordert eine Infrastruktur, über die kleinere Softwarehersteller meist nicht verfügen. Aber auch Software so zu schreiben, dass sie auf allen mögliche Endgeräten nutzbar ist, gehört nicht zu ihren Kernkompetenzen. "Vor allem die Kleineren profitieren von dem Zusammenschluss", sagt Dominik Hartmann. Zusammen könne man auch einen größeren Markt ansprechen. Die Software müsse bei der Portierung in die Cloud aber auch entschlackt werden. "Wir werden uns von Vielem befreien müssen", sagt Hartmann. Oft gehe es dabei um Sonderwünsche einzelner Kunden, die anderen nichts brächten.

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