Süddeutsche Zeitung

Lars Feld:Ein "freier Mann", der keiner sein wollte

In einer Woche endet für Lars Feld nach zehn Jahren seine Zeit im Sachverständigenrat, dem Gremium der "Fünf Weisen". Zwar hätte die Union ihn gern gehalten - doch die SPD will ihn loswerden.

Von Marc Beise

Lars Feld, 54, ist ein netter Mensch. Man muss das hier mal aufschreiben, weil die öffentliche Wahrnehmung gelegentlich eine andere ist: Bei manchen kommt der Professor aus Freiburg als stramm rechter Ökonom rüber, dem die Freiheit des Wirtschaftens wichtiger sei als Solidarität und sozialer Ausgleich. Und ist er nicht ohnehin ein bekennender Ordoliberaler, in der Tradition des berühmten Freiburger Ökonomen Walter Eucken?

Ordoliberale preisen die Effizienz der Marktwirtschaft, sie wollen der Wirtschaft im Zweifel lieber die Zügel lang lassen, den Unternehmen nicht zu viele Lasten aufbürden, die Bürger nicht zu hoch besteuern, die Preise nicht verzerren. Trotzdem können sie sehr wohl mitfühlend sein - sowie spontan und launig. Sie wollen ja gerade keinen Nachtwächterstaat, sondern feste Regeln für alle, nur halt nicht zu viele.

So einer also ist Lars Feld, der auch ein Leben außerhalb der ökonomischen Prinzipien kennt, der elektrische Gitarre spielt, im Sommer ziemlich lauten Bands hinterherreist und das in Corona-Zeiten schmerzlich vermisst. Eigentlich hatte er auf das Konzert der Hardrocker von Aerosmith in Zürich gehofft, das nun aber um ein Jahr verschoben worden ist.

Er hätte jetzt etwas mehr Zeit für "Aerosmith"

Für diese Interessen hätte Feld jetzt mehr Zeit als in früheren Jahren, denn mit diesem Februar endet seine Zeit im Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage, dessen Vorsitzender er seit einem Jahr ist. Die Bundesregierung verweigert ihm die Verlängerung des Mandats; durch Nichtstun. Sie hat die Zusammensetzung ihres wichtigsten Beratergremiums von der Tagesordnung ihrer Kabinettsitzung an diesem Mittwoch genommen, ohne offizielle Begründung.

Die Interessenlage aber ist auch so klar: Die SPD will Feld loswerden. Er gilt wahlweise als FDP-Mann, weil er seinerzeit vom FDP-Wirtschaftsminister Brüderle nominiert worden war, oder als CDU-Mann, weil er häufiger Gast in deren Wirtschaftsbeirat war. Dabei ist Feld in keiner Partei, dabei war er sogar mal Sozialdemokrat. Er stammt mütterlicherseits aus einer tiefroten Familie, ein Urgroßvater war Mitbegründer der Sozialdemokratie im Saarland. Nach einer wissenschaftlichen Station in der Schweiz trat Feld aus der SPD aus, weil er, geprägt von der unmittelbaren Demokratie im Nachbarland, die Dominanz der Parteien in allen Strukturen kritisch sieht.

Er ist halt kein Linker

Wirtschaftspolitisch ist der Professor eher konservativ, das stimmt schon, wenn diese Kategorien heute überhaupt noch gelten. Er ist relativ strikt in der Arbeitsmarktpolitik, findet Schröders Hartz-Reformen nach wie vor richtig, von denen sich die SPD aber zunehmend distanziert, und er ist auch weiterhin gegen den Mindestlohn, den die SPD durchgesetzt hat. Einerseits. Andererseits ist er immer bereit, im Interesse der europäischen Einigung deutsche Grundsatzpositionen zur Disposition zu stellen, und in der Corona-Krise hatte er keine Einwände gegen die massive Neuverschuldung des Staates, will diese allerdings jetzt nach und nach zurückfahren. Aber er ist halt kein Linker, nicht so ein Gewerkschaftsversteher, wie ihn die Sozialdemokraten mögen.

Weil die Unionsspitze sich nicht für Feld verkämpfen wollte, ist er vom 1. März an wieder "ein freier Mann", wie er sagt. Nach zehn Jahren im Sachverständigenrat gehen zu müssen, ist zwar nicht ehrenrührig - eine dritte Amtszeit ist möglich, aber selten -, trotzdem wäre er gerne geblieben. Der alte Spruch, dass die Politik sich nicht um Expertenmeinungen schert und deren Gutachten regelmäßig nach dem Prinzip "Gelesen, gelacht, gelocht" wegsortiert, ist ja widerlegt. Plötzlich ist der Rat der Wissenschaft gesucht: Erst der der Virologen, neuerdings auch der der Ökonomen. Nur ist Feld da nun wieder nur einer unter vielen.

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