Langzeitarbeitslose:Ohne Ausbildung, ohne Job - ohne Hilfe
Lesezeit: 2 Min.
Von Thomas Öchsner, Berlin
In Deutschland haben so viele Menschen eine Arbeit wie nie. 2015 dürfte die Zahl der Erwerbstätigen erneut auf einen Rekordwert von durchschnittlich 43 Millionen steigen. Doch Langzeitarbeitslose profitierten von dem Beschäftigungsboom zuletzt eher wenig. Die Zahl derjenigen, die sich mindestens ein Jahr lang vergeblich auf Jobsuche befinden, stagniert seit 2011 bei mehr als einer Million. Trotzdem werden sie immer weniger gefördert, um ihnen bei einer Rückkehr auf den Arbeitsmarkt zu helfen. Das ergab eine Anfrage der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann, bei der Bundesagentur für Arbeit (BA).
Mangelnde Ausbildung, weniger Förderung
Die Jahresbilanz, welche die BA der Bundestagsabgeordneten vorlegte, ist ernüchternd: Von den 2014 im Durchschnitt 1,08 Millionen Langzeitarbeitslosen hat etwa die Hälfte keine abgeschlossene Berufsausbildung und knapp ein Fünftel nicht einmal einen Hauptschulabschluss. 37 Prozent sind Personen, die aus Zuwandererfamilien stammen. Jeder Zweite ist bereits zwei Jahre oder länger ohne Stelle.
Bei der Förderung aber spart die alte wie die neue Bundesregierung: 2010 gab es nach den BA-Angaben noch etwa 203 000 Förderhilfen für Langzeitarbeitslose. 2014 waren es nur noch 114 000, also 43,6 Prozent weniger. Bei der beruflichen Weiterbildung hat sich die Anzahl der sogenannten Maßnahmen seit 2010 zum Beispiel um ein Drittel verringert. Im selben Zeitraum ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen aber nur um 5,6 Prozent zurückgegangen.
BA-Vorstand hält nur Teil der Langzeitarbeitslosen für vermittelbar
Linken-Politikerin Zimmermann nennt dies einen "arbeitsmarktpolitischen Kahlschlag". Für die schwarze Null im Haushalt werde "an der Zukunft der Erwerbslosen gespart". Die Regierung müsse mehr Geld ausgeben, um Langzeitarbeitslose weiterzubilden, zu qualifizieren oder in eine öffentlich geförderte Beschäftigung zu bringen, "statt sie auf das Abstellgleis zu schieben", fordert Zimmermann.
Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Nürnberger Bundesagentur, warnt aber vor zu großen Erwartungen: Nur bei etwa 500 000 hält er es für möglich, dass sie in naher Zukunft einen Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt schaffen. Und selbst das könne nur gelingen, wenn mehr Arbeitgeber diesen Menschen überhaupt die Chance gäben, sich abseits von der Aktenlage persönlich vorzustellen und Arbeitsplätze mit eingeschränkten Arbeitszeiten anböten. "Wer zum Beispiel psychische Probleme hat oder krankheitsbedingt eingeschränkt erwerbsfähig ist, ist mit einem Acht-Stunden-Tag überfordert", sagt Alt. Deshalb sei es auch nötig, die Zahl der Arbeitsplätze in Integrationsbetrieben, bei denen mindestens ein Viertel der Beschäftigten schwerbehindert sind, zu erhöhen.
Weitere bis zu 300 000 Langzeitarbeitslose ließen sich nur mittelfristig vermitteln. Ein Großteil benötige für den Übergang einen zweiten Arbeitsmarkt, in dem sie für eine richtige Arbeitsstelle trainieren können. "Hier wurde in den vergangenen Jahren deutlich abgebaut", stellt Alt fest. Die restlichen 200 000 müssten zunächst eine "soziale Heimat finden", auch um ihre Isolation zu überwinden. Die Jobcenter müssten ihnen helfen, sich in Vereinen, Kirchengemeinden oder Wohlfahrtorganisationen zu engagieren, wo sie etwas zu tun haben, neues Selbstbewusstsein gewinnen und sich ein persönliches Netzwerk aufbauen könnten. Dies wäre ein erster Schritt, um wieder einen Zugang zum Arbeitsleben zu finden. "Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, dass sich eine Million Langzeitarbeitslose zügig auf dem Arbeitsmarkt unterbringen lassen, zumal sie zunehmend mit Zuwanderern und Wiedereinsteigern im Wettbewerb stehen", sagt Alt.