Langzeitarbeitslose:Langzeitarbeitslose bekommen kaum noch einen Arbeitsplatz

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Derzeit arbeiten mehr als 44 Millionen Menschen in irgendeiner Form - so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung. (Foto: Ralph Peters/imago)
  • Trotz des Jobbooms finden nur wenige langzeitarbeitslose Hartz-IV-Empfänger einen neuen Job.
  • 2016 gelang es nur jedem Sechsten - 2010 noch jedem Vierten.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Schon lange nicht mehr waren in Deutschland so wenige Menschen arbeitslos wie zurzeit. Doch trotz des Jobbooms finden nur wenige langzeitarbeitslose Hartz-IV-Empfänger einen neuen Job. 2016 gelang es nur jedem Sechsten, durch die Aufnahme einer Erwerbsarbeit aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen. 2010 traf dies immerhin noch auf jeden Vierten in dieser Gruppe zu. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Brigitte Pothmer hervor. Viele Jobsuchende fielen demnach aus anderen Gründen aus der Statistik, vor allem weil sie etwa wegen einer Krankheit arbeitsunfähig wurden oder weil sie als über 58-Jährige auf Grund einer Sonderregel aus der Statistik gestrichen werden.

Eigentlich sollten die Chancen für Langzeitarbeitslose, eine Stelle zu ergattern, ziemlich gut sein, zumindest auf den ersten Blick: Von 2010 bis 2016 stieg die Zahl der Erwerbstätigen um 2,5 Millionen auf im Jahresdurchschnitt 43,5 Millionen. Inzwischen arbeiten sogar mehr als 44 Millionen Menschen in irgendeiner Form - so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Bei den regulären, sozialabgabenpflichtigen Jobs lief es sogar noch besser. In den vergangenen sechs Jahren wuchs ihre Zahl um 3,6 Millionen oder knapp 13 Prozent auf etwa 32,4 Millionen im September 2016. Die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit, die jetzt das Bundesarbeitsministerium vorlegte, zeigen aber einen negativen Trend: Hartz-IV-Empfänger konnten von diesem Beschäftigungsboom nur wenig profitieren.

Die Grünen fordern mehr Geld für die Qualifizierung

So zeigt auch bei denjenigen, die kürzer arbeitslos und auf Hartz IV angewiesen sind, die Tendenz nach unten. 2016 schafften es nur noch etwa 20 Prozent das Hartz-IV-System zu verlassen, weil sie eine Arbeit fanden. 2010 waren es noch knapp 30 Prozent gewesen. Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, sagt deshalb: "Die gute konjunkturelle Lage seit 2010 hat den Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen im Hartz-IV-System nicht zu einer besseren Chance beim Wiedereinstieg in Arbeit verholfen - trotz des Beschäftigungszuwachses." Gleichzeitig hätten sich die milliardenschweren Kürzungen bei der Arbeitsförderung negativ ausgewirkt. Nicht einmal jeder 20. langzeitarbeitslose Hartz-IV-Empfänger bekomme einen Job auf dem staatlich geförderten zweiten Arbeitsmarkt. 2010 galt dies noch für etwa jeden Zehnten.

Die Bundesagentur für Arbeit kennt das Problem. Die Nürnberger Arbeitsbehörde weist jedoch darauf hin, dass die Unternehmen nach der Finanzkrise gerade in den Jahren 2010 und 2011 viele zuvor Arbeitslose eingestellt hätten. Danach habe sich an den Abgangszahlen nur noch wenig geändert. Dass Langzeitarbeitslose von dem Beschäftigungsboom so wenig profitierten, führt die Bundesagentur auf die "Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage" zurück. So könnte mehr als die Hälfte der Langzeitarbeitslosen nur Helferjobs übernehmen. Nur 13 Prozent der gemeldeten offenen Stellen richteten sich aber an Hilfskräfte.

Pothmer fordert die Bundesregierung deshalb auf, mehr Geld auszugeben, um Langzeitarbeitslose zu qualifizieren und weiterzubilden. Nur so ließen sich ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. "Die bisherige Arbeitsmarktpolitik hat die abgehängt, die am meisten Unterstützung beim Wiedereinstieg in Arbeit brauchen", sagt die Grünen-Abgeordnete. Zuletzt war die Zahl der Langzeitarbeitslosen wieder zurückgegangen. Im Juni 2017 waren etwa 900 000 Menschen länger als ein Jahr arbeitslos - etwa 100 000 weniger als vor einem Jahr.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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