Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft:Wer Steuergeld will, muss anders arbeiten

Die Bauern verlangen wegen der Dürre staatliche Hilfen. Doch sie tragen selbst zu den Problemen bei. Subventionen sollten deshalb künftig an den Umweltschutz geknüpft werden.

Kommentar von Markus Balser, Berlin

Trockene Äcker, verdorrte Maispflanzen, akute Futternot auf Höfen: Die anhaltende Dürre hat in der Landwirtschaft schwere Schäden hinterlassen. Heftig wird nun darüber gestritten, wie man auf den Klimawandel auf deutschen Äckern reagieren muss. Bauernfunktionäre sprechen dabei so gut wie nie über eigenes Umsteuern; sehr viel dagegen über ihre Forderungen an den Staat. Eine Milliarde Euro müsse die Politik als Nothilfe schon lockermachen. So wünscht es sich der Deutsche Bauernverband.

Die Haltung ist aus Sicht der Bauern konsequent: Das Geld der Steuerzahler macht schon jetzt einen großen Teil ihrer Einnahmen aus. Fast die Hälfte des EU-Haushalts zahlt die Europäische Kommission Landwirten in Form von Subventionen. Die Bundesregierung stockt die Milliarden aus Brüssel regelmäßig noch auf. Zwischen 80 und 400 Millionen Euro jährlich steckte der Bund in den vergangenen Jahren in zusätzliche Hilfen. Was liegt für Bauern da näher, als in einem schlechten Jahr einfach das Doppelte zu fordern?

An diesem Mittwoch will die Bundesregierung nun über ein neues Hilfspaket für Landwirte entscheiden und sich diesmal den Forderungen des Verbands offensichtlich nicht in vollem Umfang beugen. Doch auch wenn dieses Mal weniger Geld als gefordert fließen sollte - es ist längst Zeit für eine viel größere Wende in der deutschen Agrarpolitik: Die große Koalition muss neuerliche Hilfen an eine Reform des Agrarsektors knüpfen.

Denn es hilft langfristig nicht, wenn die Nöte nur mit Geld gekittet, die Ursachen der Probleme aber nicht beackert werden. Niedrige Preise für gesunde Lebensmittel, die Pflege von Landschaft und Gewässern: Es gibt viele Gründe, Landwirte mit Steuergeld zu unterstützen. Doch die Mitschuld am Klimawandel und wachsende Umweltprobleme bei der Qualität von Böden und Gewässern durch Massentierhaltung und extensive Landwirtschaft machen klar: In der heutigen Form sind viele Praktiken nicht zukunftsfähig. Stützt die Regierung das alte System, drohen die Probleme größer statt kleiner zu werden.

Subventionen für Bauern sollten an den Umweltschutz geknüpft sein

Schon die Dürre zeigt, dass sich die Branche verändern muss. Wo früher Bäume und Sträucher die Äcker säumten, wachsen heute Mais oder Raps auf immer größeren Feldern. Böden trocknen so schneller aus, Insekten können in solchen Monokulturen schwer überleben. Vielfalt im Ackerbau, ein geringerer Verbrauch von Pflanzengiften und Dünger wären ein guter Ansatz für eine bessere Umweltbilanz. Zum Umsteuern fehlen den Landwirten bislang aber Vorgaben und Anreize. Während Energiebranche oder Verkehrssektor von der EU immer strengere Auflagen für ihr Wirtschaften bekommen, werden die Subventionen in der Landwirtschaft zum Großteil nach Fläche ausgezahlt. Die 350 Milliarden Euro, die Brüssel in Siebenjahreszyklen ausschüttet, sind nur zum kleinen Teil an Bemühungen um Umweltschutz auf den Feldern geknüpft.

Der Zeitpunkt zum Umsteuern könnte kaum besser sein: Gerade wird in Brüssel der Verteilungsschlüssel für die Agrarsubventionen von 2021 an festgelegt. Neue Auflagen wären machbar. Doch die Bundesregierung droht die Chance zu vergeben. An der Seite des Bauernverbands will Agrarministerin Julia Klöckner Umweltvorgaben verhindern. Von zu viel Bürokratie ist die Rede. Eine Agrarpolitik aber, die nicht entschlossen für mehr Nachhaltigkeit auf den Feldern sorgt, wird einen hohen Preis zahlen: immer größere Nothilfen.

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SZ vom 21.08.2018/vd
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