Landwirtschaft:Scheinerfolg der Milchbauern

Das Ende des Boykotts ist absehbar: Lidl hat nachgegeben, dann Rewe, Tengelmann, Netto. Weitere Handelsketten werden wohl folgen. Was für ein Erfolg für die Milchbauern - könnte man meinen.

Daniela Kuhr

Der oberste Milchviehhalter gibt allerdings zu bedenken, es sei noch ein langer Kampf, bis die Preiserhöhungen bei den Landwirten auch wirklich ankämen. Auf jeden Fall wurde der Lieferboykott aber jetzt beendet. Wenn die Einzelhändler die Milch teurer verkaufen, können sie den Molkereien mehr zahlen, und die wiederum können den Bauern mehr zahlen. Die Landwirte wären in der Lage, wieder kostendeckend zu produzieren, und das ganze Problem wäre endlich gelöst. So hat es den Anschein. Doch das täuscht.

Landwirtschaft: Demo in Berlin: Rund 700 Landwirte protestierten am Donnerstag vor dem Brandenburger Tor.

Demo in Berlin: Rund 700 Landwirte protestierten am Donnerstag vor dem Brandenburger Tor.

(Foto: Foto: dpa)

Zum einen ist noch nicht sicher, dass tatsächlich alle Supermärkte mitziehen. Bislang haben die meisten Einzelhändler nur ihre Bereitschaft signalisiert, über höhere Preise zu verhandeln, aber ihr Angebot mit den Worten garniert: "Wenn der Markt es hergibt." Ein kleiner, doch entscheidender Zusatz. Denn er besagt: Nichts ist sicher. Sollten die Einzelhändler feststellen, dass der Markt es nicht hergibt, bleiben die Preise unverändert. Lidl wagte sich etwas weiter vor. Anders als einige Konkurrenten hat der Discounter bereits ganz konkrete Erhöhungen für Milch und Butter angekündigt. Doch es ist fraglich, ob die Bauern davon viel haben werden. Nur ein kleiner Teil ihrer Milch wird für diese Produkte verwendet. Weitaus mehr landet in der Käseproduktion oder auch in der Herstellung von Quark oder Joghurt. Der Einzelhandel müsste also eine ganze Reihe weiterer Produkte verteuern, damit die Landwirte spürbar mehr erhalten für ihre Milch.

Es spricht daher einiges dafür, dass die Aktion von Lidl in erster Linie ein geschickter Marketing-Schachzug war. Umfragen hatten gezeigt, dass die Mehrheit der Verbraucher die Forderung der Bauern nach höheren Preisen unterstützt. Damit wusste Lidl: Der Erste, der einlenkt, ist in den Augen der Öffentlichkeit der Gute. Er setzt sich für faire Preise ein, während die anderen nur nachziehen. Nach dem Skandal um die Bespitzelung von Mitarbeitern kam Lidl solch eine Gelegenheit, das eigene soziale Image aufzupolieren, sicher sehr gelegen.

Doch selbst wenn das Einlenken des Discounters der Durchbruch war und die Bauern nun tatsächlich bundesweit spürbar mehr Geld erhalten, ändert das nichts am Grundproblem: Die Preise sind ja nur deshalb so niedrig, weil das Angebot die Nachfrage übersteigt. Die Landwirte produzieren einfach zu viel Milch. Daran ändert sich nicht das Geringste, wenn sie Preise vereinbaren, die der Marktsituation widersprechen. Im Gegenteil, das trägt dazu bei, dass sie auch weiterhin zu viel Milch herstellen. Der Druck wird noch wachsen, wenn die von der EU festgesetzte Milchquote in den kommenden Jahren ausläuft und jeder Bauer so viel liefern darf, wie er will.

Die jetzt teilweise erzielte Einigung mit Industrie und Handel löst das Problem daher nicht. Sie schiebt es nur auf. Der nächste Konflikt ist abzusehen.

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