Glühende Hitze, verdorrte Äcker, Flüsse und Bäche, die langsam austrocknen - die anhaltende Dürre macht den deutschen Bauern zu schaffen, aber längst nicht allen. Während Getreideerzeuger im Norden und Osten des Landes erhebliche Einbußen verzeichnen und Milchviehhalter über Futtermangel klagen, freuen sich Winzer im Süden auf einen Spitzenjahrgang, Obstbauern pflücken so viele Äpfel, Zwetschgen und Kirschen wie lange nicht - größer könnten die Gegensätze kaum sein.
Noch ist die Ernte nicht abgeschlossen, aber schon jetzt zeichnen sich bei Getreide, Mais und Kartoffeln deutliche Einbußen ab, der Deutsche Bauernverband (DBV) schlägt Alarm. "Betriebe, egal ob Ackerbau oder Viehhaltung, sind hart getroffen, sie brauchen zügig eine Unterstützung, damit sie liquide bleiben und Insolvenzen vermieden werden können", sagt Bauernpräsident Joachim Rukwied und verlangt eine Milliarde Euro an Soforthilfe, die Politik hat bereits Entgegenkommen signalisiert.
Doch ist es wirklich so schlecht um die Erzeuger bestellt? Das ist zumindest umstritten. Agrarforscher Professor Harald Grethe von der Berliner Humboldt-Universität ist skeptisch: "Die Lage in einigen Landkreisen ist dramatisch, aber das ist nicht in allen Betrieben der Fall und auch nicht überall in Deutschland." Seiner Ansicht nach ist es zu früh für Entscheidungen über pauschale Subventionen. "Wir müssen erst einmal die Erntebilanz abwarten", sagte Grethe, der dem wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik und Ernährung in Julia Klöckners Agrarministerium vorsitzt. Professor Friedhelm Taube von der Universität Kiel teilt diese Einschätzung. Er hält Rukwieds Forderungen für unseriös. Weizenpreise seien jetzt schon um 25 Prozent höher als vor einem Jahr, das gleiche die geringere Ernte zum Teil aus.
Matthias Zentgraf ist einer der Landwirte, die die Trockenheit hart trifft. Der Hof seiner Familie liegt in der Rhön, im Grenzgebiet zwischen Hessen, Thüringen und Bayern. Ein typischer Nebenerwerbsbetrieb, in dem alle mit anfassen. Auf sechs Hektar Land baut Zentgraf Kartoffeln an. Dazu hält er 60 Rhön-Kartoffelschweine, die auf der Liste der bedrohten Nutztierrassen stehen. Die Tiere werden auf Stroh gehalten, haben Auslauf ins Freie.
Die ersten Proben auf dem Feld hat er bereits gezogen. "Ich rechne mit 50 Prozent weniger Kartoffeln als im letzten Jahr", sagt der 47-Jährige. Die Dürre wirke sich extrem aus, in den Hanglagen gebe es keine Möglichkeit zu bewässern. Dennoch bleibt er gelassen. Von einem Katastrophenjahr will er nichts wissen. "Das derzeitige Gerede, auch über die Verluste bei Getreide, halte ich für übertrieben." Dass er sich mit solchen Sätzen nicht beliebt macht, weiß er. Auch Zentgraf ist Mitglied im Bauernverband. Viele sehen das anders, vor allem diejenigen, die viel investiert haben in neue Ställe, Maschinen, Tiere. Bricht die Ernte weg, fehlt ihnen das Geld, um Kredite abzuzahlen.
60 Milliarden Euro zahlt die EU an Europas Bauern pro Jahr aus
Zurückhaltend gibt sich auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der kleine Bruder des Bauernverbands: "Wir sehen zwar, dass die Betriebe erhebliche Einkommensverluste erleiden werden, sehen da aber nicht den Staat an erster Stelle. In guten Jahren geben die Bauern ja auch nichts an den Staat ab", sagt Ulrich Jasper von der AbL. Wichtiger sei es, dass die Erzeuger vom Handel mehr für Getreide, Milch und Fleisch bekommen. Auch Zentgraf will seine geringere Kartoffelausbeute teilweise durch höhere Preise kompensieren. Mehr als zehn bis 15 Prozent Aufschlag seien aber nicht drin, meint er. Der Rest sei unternehmerisches Risiko. Dafür hat er ein zweites Standbein, er bietet EDV-Dienstleistungen an.
Der Streit um Soforthilfen wirft auch die Frage auf, wie viel Landwirte verdienen und wer das Geld der Steuerzahler wirklich dringend braucht. Laut Statistik des Bauernverbandes liegt der Ertrag eines durchschnittlichen Agrarbetriebs bei 56 000 Euro. Er stammt zur Hälfte aus dem Verkauf von Milch, Getreide, Fleisch und anderen Erzeugnissen. Knapp 50 Prozent, genau 25 600 Euro, kommen vom Staat in Form von Subventionen. 60 Milliarden Euro zahlt die EU an Europas Bauern pro Jahr aus, nach Deutschland gehen davon mehr als sechs Milliarden.