Landwirtschaft:Das stinkt

Regierung muss beim Düngerecht nachlegen

Die Bundesregierung muss bei der Düngeverordnung nacharbeiten - auf Druck der EU-Kommission

(Foto: Philipp Schulze/dpa)

Es drohen millionenschwere Strafzahlungen, weil auf deutschen Feldern mehr Gülle ist, als es die europäischen Richtlinien erlauben. Und die Koalition streitet.

Von M. Bauchmüller, M. Balser, Berlin

Die Richtlinie gibt es seit 1991, den Ärger seit 2013, die Klage seit 2016: Und nun sollen noch fünf Tage bleiben, die schlimmsten Konsequenzen abzuwenden. Millionenschwere Strafzahlungen, weil auf deutschen Äckern mehr Dünger abgeladen wird, als es die europäischen Richtlinien hergeben - und damit vielerorts mehr Nitrat in den Boden gelangt, als das Grundwasser verträgt.

Die alte Bundesregierung hatte mit einer Novelle der Düngeverordnung reagiert. Sie sollte klarstellen, auf welchen Äckern unter welchen Bedingungen und wann Dünger ausgebracht wird, wie rasch Landwirte ihn einarbeiteten müssen, wie viel Abstand sie zu Gewässern oder Nachbarfeldern halten sollen. Letzte Forderungen der EU sollten mit Änderungen am Gesetz bis Mai 2020 erledigt werden, gewissermaßen auf dem kleinen Dienstweg. Doch Anfang voriger Woche zerschlug EU-Umweltkommissar Karmenu Vella diese Hoffnung. Der Zeitplan, so ließ er das Landwirtschaftsministerium per Brief wissen, sei "nicht ehrgeizig genug". Es brauche mehr Einschränkungen für die Düngung auf bestimmten Flächen. Der Bund müsse das ganze Verfahren "im Ergebnis schneller abzuschließen als derzeit geplant". Neue Frist: Ende März. Und der endet am kommenden Sonntag.

So reißt ein alter Streit wieder auf. Schon die Novelle der Düngeverordnung war zu einem Tauziehen zwischen Landwirtschafts- und Umweltministerium geworden. Die Änderungen reichten der Kommission nicht, um das Vertragsverletzungsverfahren einzustellen, das seit mehr als fünf Jahren gegen Deutschland läuft. 2018 hatte der Europäische Gerichtshof der Kommission recht gegeben. Seither drohen auch hohe Strafzahlungen. Zu Beginn des Jahres hatten beide Häuser abermals versucht, Vorbehalte der EU-Kommission durch Nachbesserungen zu zerstreuen; offensichtlich ohne Erfolg.

Dem Umweltministerium kommt die Intervention aus Brüssel allerdings durchaus gelegen. "Wir waren immer der Meinung, dass die Verordnung so nicht ausreicht", sagt ein Sprecher. Zu allem Überfluss kann die Causa teuer werden, denn die Strafzahlungen könnten sich auf 858 000 Euro belaufen - pro Tag. "Auch um teure Strafzahlungen an die EU zu vermeiden, muss die Bundesregierung das Düngerecht schnell weiter verbessern", empfahl jüngst Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Gleichzeitig betont das Ministerium, dass der Ball nun im Landwirtschaftsministerium liege. Der Gehalt von Nitrat im Trinkwasser wird vor allem deswegen streng kontrolliert, weil hohe Konzentrationen für Säuglinge gefährlich werden können. Das Nitrat kann zu Nitrit umgewandelt werden, das letztlich die Sauerstoffaufnahme beeinträchtigen kann.

Das Landwirtschaftsministerium gelobt Besserung. Das Haus von CDU-Ministerin Julia Klöckner kündigte am Montag an, auf Arbeitsebene mit dem Umweltministerium über eine raschere Verschärfung zu sprechen. Es geht etwa um die Frage, ab wann Bauern auf gefrorenen Böden düngen dürfen - und wie stark auf geneigten Flächen - etwa im Weinbau. Beide Seiten wollen in den nächsten Tagen weiterverhandeln. Man werde die Zeit bis zum Sonntag nutzen müssen, hieß es aus Regierungskreisen. Die Landwirtschaftsministerin bringt das in eine schwierige Lage. Denn die Bauern gehen bereits gegen eine neuerliche Verschärfung auf die Barrikaden. Sie planen für den 4. April eine Großdemo gegen strengere Gülleregeln.

Manche in der Union sehen sinistre Kräfte hinter der jüngsten Komplikation. Das Umweltministerium habe Brüssel "angestachelt", den Druck zu verschärfen, mutmaßt der CDU-Landwirtschaftspolitiker Albert Stegemann in der Fachzeitschrift Top Agrar. Das Schulze-Ministerium sei "Treiber und Verschärfer dieser Situation".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: