Es waren wilde Zeiten, Mitte Januar in Berlin. Zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor reihte sich Traktor an Traktor, Tausende Landwirte demonstrierten gegen die Abschaffung der Agrardiesel-Subvention im Speziellen und die deutsche Agrarpolitik im Allgemeinen. Und im Bundestag forschten die Ampelfraktionen, wie sich vor dem Sommer noch eine Kurskorrektur auf die Beine stellen lässt. So entstand Antrag Nummer 20/10057, Titel: „Landwirtschaft in Deutschland im Dialog zukunftsfähig gestalten“.
Die Ampel wollte sich damit noch etwas Zeit nehmen, um die großen Fragen der Agrarpolitik durchzudeklinieren. Aber zu viel Zeit nun auch wieder nicht: Noch bis Ende März wollten SPD, Grüne und FDP konkrete Vorhaben auflisten, „die der Landwirtschaft Planungssicherheit und Entlastungen geben“, bis zum Sommer sollten diese Vorhaben dann beschlossene Sache sein.
Schon damals ließ sich allerdings ahnen, dass das so einfach nicht werden wird. Denn in welche Richtung es gehen sollte, formulierten die Fraktionen erst einmal nur als Fragen: Wie etwa kann den Landwirten „monetär geholfen“ werden, natürlich im Rahmen begrenzter Haushaltsmittel? Wie lässt sich die Rolle der Bauern in der Lieferkette stärken? Oder: Wie ließe sich der Umbau von Ställen zum Wohl der Tiere finanzieren? Sieben Fragen, viele Fragezeichen, keine Antworten. Und der Sommer naht.
Der Frust in den Ampelfraktionen ist inzwischen unüberhörbar. Seit Wochen bewegen sich die Gespräche nicht vom Fleck. FDP, Grüne und Sozialdemokraten wissen zwar genau, was sie wollen – nur ist es leider nicht das Gleiche. „Wir wollen diese Branche entfesseln“, sagt etwa Carina Konrad, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP. „Und wir wollen sie entlasten.“ Ihre Partei stehe fest an der Seite der Landwirte. Konkret schweben den Liberalen Entlastungen wie etwa die „steuerliche Gewinnglättung“ vor. Dabei können Landwirte fette und magere Jahre besser miteinander verrechnen. Das hätte zur Folge, dass Betriebe in einem schwachen Wirtschaftsjahr nicht auch noch Steuern nachzahlen müssen, die aus einem guten Vorjahr aufgelaufen sind. Der Job wäre also etwas kalkulierbarer.
Damit eine Reform noch vor der Sommerpause käme, müsste sie jetzt in den Bundestag
Dagegen hätten auch die Koalitionspartner im Prinzip nichts. Allerdings verfolgen sowohl SPD als auch Grüne das Ziel, schrittweise die Agrarsubventionen umzubauen. Statt die Unterstützungen an die Flächen der Betriebe zu koppeln, sollen sie stärker an ökologische Leistungen geknüpft werden. Ideen dafür gibt es: So ließe sich die Haltung von Weidetieren zusätzlich honorieren, denn für die Artenvielfalt sind Weiden besser als Äcker. Das Geld dafür ließe sich von den Direktzahlungen abknapsen, es gäbe also für jeden Hektar ein paar Euro weniger. Unterm Strich bekäme die Branche so viel wie bisher – nur würde etwas stärker entlohnt, wer der Natur hilft.
Nutztiere:Die dunkle Seite der Milch
Milchkühe müssen ein Kalb nach dem anderen austragen, viele landen schon nach wenigen Jahren ausgelaugt beim Schlachter. Kann man Milch überhaupt tierfreundlich produzieren?
Die Grünen hoffen zudem immer noch auf einen „Tierwohl-Cent“: Verbraucher sollen über einen kleinen Aufschlag auf tierische Produkte den Umbau von Ställen mitfinanzieren, hin zu höheren Standards. Vor allem der grüne Agrarminister Cem Özdemir macht sich dafür stark. Die FDP will davon, trotz anfänglicher Sympathien, aber nichts mehr wissen. Stattdessen äußert sich die Fraktion mittlerweile „verwundert“ über ihre beiden Koalitionspartner. Man wünsche sich, dass auch sie „den Geist der Entlastungen stärker mit uns atmen“, heißt es vom kleinsten der drei Partner. „Wir brauchen mehr Freiräume, statt immer zusätzliche Steine auf den Acker zu räumen.“
Die Grünen dagegen wollen es nicht nur bei weiteren Entlastungen für die Landwirte belassen. Es brauche „einen klugen Mix aus Maßnahmen“, sagt Fraktionsvize Julia Verlinden. Neben der Entlastung von Bürokratie müsse es auch darum gehen, die Marktchancen der Landwirte zu verbessern. „Maßnahmen ohne das Ziel der Zukunftsfähigkeit hingegen würden die Betriebe in die Sackgasse führen“, warnt Verlinden.
Es bräuchte also eine Lösung, mit der irgendwie alle sieben Fragen beantwortet werden – und nicht nur eine oder zwei. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch, der die Verhandlungen für die Sozialdemokraten führt, hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. „Wir arbeiten hart an einem Kompromiss“, sagt er. Er sei „zuversichtlich, dass wir ein gutes Ergebnis erzielen werden“.
Wäre da nur nicht die Zeit, denn die läuft gegen die Koalition. Um die Gesetze wirklich noch vor der Sommerpause zu verabschieden, müssten sie quasi umgehend in den Bundestag eingebracht werden. Stattdessen klingt vieles nun nach Schwarzem Peter. Denn mit den Bauern will sich seit diesem Winter keiner mehr anlegen.