Süddeutsche Zeitung

Logistikimmobilien:Es geht auch nachhaltig

Lagerhallen sind Zweckbauten, Klimaschutz spielte bisher keine große Rolle. Das könnte sich bald ändern.

Von Bärbel Brockmann

Zum Erreichen der Klimaziele spielt der Gebäudesektor eine wichtige Rolle. Das gilt auch für Logistikimmobilien. Sie sind zwar von der Anzahl her verglichen mit anderen Nutzungsklassen wie Büro oder Wohnen eher eine Nische, flächenmäßig sieht es schon anders aus. Denn eine mittelgroße Lagerhalle kommt leicht auf mehrere tausend Quadratmeter, große sogar auf 50 000 Quadratmeter und mehr. Da macht es schon einen Unterschied, ob man sie konventionell beleuchtet oder mit energiesparenden LED-Leuchten ausstattet, ob man das Dach richtig dämmt oder nicht. Gerade die größeren Hallen werden inzwischen immer häufiger unter Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit konzipiert, gebaut und betrieben.

Der Impuls kommt aber nicht in erster Linie aus der Branche, sondern von der Politik. "Die Staaten sind die Treiber, Deutschland und auch die EU. Die Getriebenen sind die Investoren, die großen Eigentümer mit eigenen Fonds und die Projektentwickler", sagt Kuno Neumeier, Geschäftsführer des auf Logistikimmobilien spezialisierten Beratungsunternehmens Logivest. Ein Ausdruck dieses politischen Drucks ist die sogenannte Taxonomieverordnung der EU, die zum Ziel hat, die Nachhaltigkeit von Immobilieninvestments transparent zu machen. Ab Januar nächsten Jahres soll damit anhand zahlreicher technischer Bewertungskriterien bemessen werden, wann ein Investment als nachhaltig im Sinne der Taxonomie gilt. Immobilienfonds, die danach als nicht oder wenig nachhaltig gelten, könnten es in Zukunft schwer haben, Investoren zu finden. Unternehmen, die nicht-nachhaltige Lagerhäuser betreiben, könnten von ihren Kunden dafür schlecht angesehen werden. Sie werden deshalb solche Immobilien nicht mehr nachfragen, was Druck auf die Vermieter macht, neue Hallen nach den neuen Standards anzubieten und Hallen im Bestand nachzurüsten. In dieselbe Richtung zielen die sogenannten ESG-Kriterien, die beschreiben, inwieweit ein Objekt in puncto Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) nachhaltig daherkommt.

LED-Beleuchtung, Solaranlage auf dem Dach, das könnte bald Standard werden

Die Beteiligten haben die Zeichen erkannt. Einer der weltweit größten Projektentwickler für Logistikimmobilien, Prologis, hat sich beispielsweise dazu verpflichtet, 100 Prozent seiner Neuentwicklungs- und Sanierungsprojekte weltweit in Übereinstimmung mit nachhaltigen Gebäudezertifizierungen zu realisieren. Bis 2025 will man außerdem alle Immobilien mit LED-Beleuchtung ausstatten, und allein im Jahr 2020 hat Prologis 40 Megawatt zusätzlicher Solarkapazität auf Dächern seiner Immobilien installiert.

Auch das neue Zentrallager des Sportartikelherstellers Puma im fränkischen Geiselwind ist nach Nachhaltigkeitsrichtlinien entwickelt worden, die speziell die Energieeffizienz und die Umweltverträglichkeit verbessern. Es gibt dort eine eigene Photovoltaik-Anlage (PV), die das Gebäude künftig mit zertifiziertem Grünstrom versorgt. Außerdem eine Anlage zur Nutzung von Regenwasser für die Toilettenspülung und überall energiesparende LED-Beleuchtung. Ein Großteil der Dachfläche ist mit Rasen bepflanzt. Nach und nach sollen auf dem 116 000 Quadratmeter großen Gelände 400 Bäume gepflanzt werden, die dann fünf Tonnen CO2 kompensieren sollen.

Das alles ist zunächst einmal teuer. Aber die Kosten sollen durch sinkende Betriebskosten teilweise wieder ausgeglichen werden. "Maßnahmen wie etwa LED Leuchtmittel und intelligente Tageslichtsteuerung sorgen für einen bis zu 26 Prozent niedrigeren Stromverbrauch. Mit steigenden Strompreisen gehen wir davon aus, dass die Investition in die PV-Anlage bereits innerhalb der nächsten zehn Jahre mehr als lohnenswert war", erklärt Maximilian Molkenthin, Senior Head of Logistics bei Puma. Zusätzlich zu den Umweltmaßnahmen will Puma auch beim S von ESG, dem Sozialen, punkten. Deshalb sind zum Beispiel die Arbeitsplätze ergonomisch optimiert worden. Das hat aber auch ganz handfeste Gründe. Mit attraktiveren Arbeitsplätzen erhofft man sich Vorteile bei der Personalrekrutierung. "Ein Ziel aller Maßnahmen im sozialen Bereich ist natürlich die Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergewinnung", sagt Neumeier. Denn von wenigen Ausnahmen abgesehen, herrsche an allen Logistikstandorten in Deutschland eine schon chronische Personalknappheit.

Das sieht auch Stephan Riechers, Leiter Investment Management Logistik beim Fondsanbieter Union Investment, ähnlich. "Gerade im Logistikbereich ist beim Thema Soziales noch viel Luft nach oben. Logistikimmobilien wurden bislang zumeist als reine Funktionsimmobilien betrachtet", sagt er. Langsam aber sicher ändert sich diese Sichtweise. Riechers kennt Lagerbetreiber, die Mitarbeitern Sportmöglichkeiten während der Schichtpausen anbieten und auf eine ansprechende Kantine mit guter Essensauswahl achten. Man schafft Sitzgelegenheiten im Außenbereich, Ladepunkte für Elektrofahrzeuge und denkt sogar immer häufiger über optisch ansprechendere Fassaden nach.

Kleine Logistiker denken erst um, wenn neue Gesetze sie dazu zwingen

Beispiele wie das von Puma oder Prologis zeigen, dass das Streben nach Nachhaltigkeit bei großen Playern durchaus eine wichtige Rolle spielt, sei es auf Nutzerseite oder auch bei den Entwicklern. Auf kleinere Logistiker trifft das aber häufig noch nicht zu. Sie sehen vor allem den Aufwand und reagieren am liebsten erst, wenn sie durch Regulierung und Gesetze dazu gezwungen werden. Auch findet man nachhaltige Maßnahmen vor allem bei Neubauten. Die Umrüstung des immensen Hallenbestandes hierzulande ist noch kaum in Angriff genommen worden. Ähnlich übrigens sieht es auch in anderen Immobilienklassen aus. Das dürfte ein Grund dafür sein, dass Immobilien in der Klimabilanz 2020 der Bundesregierung vergleichsweise schlecht abschnitten. Zwar lagen die CO2-Emissionen im Corona-Jahr über alle Sektoren hinweg betrachtet um 40 Prozent niedriger als im Referenzjahr 1990. Der Gebäudesektor schnitt aber schlechter als alle anderen Bereiche ab.

Das könnte sich in Zukunft ändern. "An der Dekarbonisierung der Immobilienbestände geht kein Weg vorbei. Wir rechnen damit, dass der Gesetzgeber die Zügel, was den CO2-Verbrauch angeht, noch deutlich anziehen wird. Denn nur so können die Pariser Klimaschutzziele erreicht werden", sagt Riechers. Man verfolge die Entwicklung sehr genau. Denn sonst riskiere man, Immobilien zu besitzen, für die es keine Nachfrage mehr gibt oder die nicht mehr handelbar sind, weil sich nicht den aktuellen Anforderungen entsprechen.

Trotz der steigenden Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Logistikimmobilien ist diese Gebäudeklasse bei Investoren nach wie vor beliebt. Auch, weil die Renditen noch etwas höher liegen als im Büro-oder Wohnbereich. Hinzu kommt, dass die Nachfrage stabil bleiben oder wegen des stetig steigenden Online-Handels sogar steigen dürfte. Zudem hat sich in der Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig Lager zur Aufrechterhaltung der Versorgung sind. Damit ist die Akzeptanz dieser früher eher unbeliebten Immobilien gestiegen. "Wir denken, dass die Logistikimmobilie eine sehr resiliente Anlageklasse ist. Damit können wir sehr stabile Mieterträge für unsere Anleger darstellen", sagt Riechers. Union Investment will daher auch seinen Anteil an Logistikimmobilien im Portfolio mittelfristig verdoppeln.

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