Lafontaine über den Mittelstand:Ein kleines Stück für jeden

"Wem gehört welches Vermögen? " - Oskar Lafontaine genießt es, die Verteilungsfrage zu stellen. Seine Thesen finden zunehmend Anklang.

Marc Beise

Die Frage aus dem Publikum kam Oskar Lafontaine gerade recht. 37 Minuten und 40 Sekunden lang hatte der Große Vorsitzende die Vertreter der Wirtschaft bei einem Forum des Anlegermagazins Capital bereits mit der Programmatik der Linkspartei provoziert, als ein Zuhörer die Notbremse ziehen wollte. Könne es Lafontaine denn wirklich gleichgültig sein, wenn im Mittelstand und namentlich bei den Familienunternehmen die Angst vor einem Linksruck wachse und mancher sich mit Auswanderungsgedanken trage?

Lafontaine über den Mittelstand: Oskar Lafontaine: Auch die anderen reichen Familien im Land sollen bluten.

Oskar Lafontaine: Auch die anderen reichen Familien im Land sollen bluten.

(Foto: Foto: ddp)

Heimischer Safe der Schaefflers

Dies wäre jetzt der Moment gewesen, ein wenig Tempo aus der Argumentation und der Frage mit einem Augenzwinkern die Spitze zu nehmen. Lafontaine setzte stattdessen noch eines drauf. Er könne ja verstehen, dass einige Unternehmer besorgt seien, "dass wir die Verteilungsfrage stellen. Das sind sie zurecht."

Um es konkret zu machen, nahm Lafontaine das jüngste große Geschäft im Mittelstand ins Visier: die Übernahme des börsennotierten Konzerns Continental durch den eigentümergeführten Automobilzulieferer Schaeffler. Zwölf Milliarden Euro mussten die Franken dafür bezahlen - Geld, dass Lafontaine bei den Schaefflers offenbar im heimischen Safe statt in der Firmenkasse vermutete.

Das Betriebsvermögen bei Schaeffler hätten über Generationen hinweg vor allem die Arbeitnehmer aufgebaut, zugute käme es aber allein der Eigentümerfamilie, kritisierte Lafontaine. Dies sei ein "grundgesetzwidriges Vorgehen", da die Verfassung Enteignung - nach Lafontaines Auffassung hier die Enteignung der Arbeitnehmer - verbiete. Diese Enteignung solle rückgängig gemacht werden. Die Arbeitnehmer müssten dazu stärker am Betriebsvermögen beteiligt werden. Ein Modell dafür hat er auch: Die erste Fabrikhalle, die der Unternehmer finanziert, soll ihm gehören, die zweite und weitere zur Hälfte den Arbeitnehmern: Schließlich würden sie das ja mit ihrer Arbeit finanzieren.

Es geht noch krasser

Das ist eine noch vergleichsweise differenzierte Argumentation gegenüber seiner Parteifreundin Sahra Wagenknecht, der Wortführerin der Kommunistischen Plattform bei den Linken. Die fordert beispielsweise die Enteignung der Familie Quandt beim BMW-Konzern. "Die Familie Quandt geht mit ihrem Eigentum nicht sorgfältig um, wenn sie die Produktion ins Ausland verlegt. Für diesen Fall soll sie ihre Reichtümer hier in Deutschland bei den Beschäftigten lassen", sagte Wagenknecht dem Politikmagazin Cicero.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Politiker anderer Parteien zu diesen Aussagen stehen.

Ein kleines Stück für jeden

Fachleute halten diese Gedanken juristisch und ökonomisch schlicht für Unsinn. Lafontaine ficht das nicht an. Bei den Schaefflers, Quandts und anderen sei einiges zu holen, suggeriert er, das zur sozialen Abfederung der Globalisierung dringend benötigt wird.

Auch die anderen reichen Familien im Land sollen bluten. Wenn man sie über die Vermögens- und Erbschaftsteuer schröpft, käme einiges zusammen. Dass es in einem solchen System kaum noch Leistungsanreize gäbe, ist Lafontaines Problem nicht.

Die Stimmen der anderen

Natürlich steht der Saarländer in der Spitzenpolitik weitgehend allein. Wie es sich gehört, haben die anderen Parteien sofort widersprochen. Lafontaine befinde sich "in schlechter Enteignungstradition von Sozialisten und Kommunisten", sagte Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU). FDP-Generalsekretär Dirk Niebel wertete die Äußerungen als Beleg dafür, dass die Linke "die kommunistische Fortsetzung der SED" sei. Spitzenpolitikern der SPD fällt schon aus Prinzip nichts mehr zu Lafontaine ein.

Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der SPD-Abtrünnige das Ohr nahe am Volk hat. Dass es in einer freien Wirtschaftsordnung das Eigentum frei sein muss, dass es Leistungsanreize geben muss und Umverteilung zugunsten der Schwachen im deutschen Steuer- und Sozialrecht bereits in großem Umfang stattfindet, ist - Umfragen zeigen das - längst nicht (mehr) allgemein bekannt und anerkannt.

Zustimmung trotz anderer Fakten

Lafontaine findet Zustimmung, wenn er unverdrossen von wachsender Ungleichheit spricht - obwohl die jüngsten Zahlen gerade zeigen, dass der Aufschwung der vergangenen Jahre gegriffen hat und die Schere sich, langsam zwar, wieder etwas schließt.

Gerne behauptet Lafontaine auch, dass die Großverdiener in Deutschland keine Steuern zahlten, obwohl das bestverdienende Viertel annähernd 80 Prozent der Lohn- und Einkommensteuer zahlt. Schon gar nicht kommt ihm in den Sinn, dass gerade der Mittelstand gebraucht wird, weil er Arbeitsplätze und Wohlstand schafft. Und dass es allemal besser ist, zwölf Milliarden Betriebsvermögen zu investieren (und sei es in ein so gewagtes Unterfangen wie die Übernahme von Conti), als sie aufs Privatkonto zu transferieren und still und leise auf den Bahamas zu verprassen.

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