Länderfinanzausgleich:Jammern, murren, zahlen

So viel wie noch nie müssen die reichen Bundesländer an die armen Nachbarn überweisen. Doch die "Skandal"-Rufe aus Bayern und Baden-Württemberg sind unangebracht - niemand möchte verheerende Zustände wie in mancher US-Stadt.

Kommentar von Joachim Käppner

Einem Sprichwort zufolge liegt der Vorteil des Reichtums darin, dass man sich keine Ratschläge anderer Leute mehr anhören muss. Bayerns Staatsregierung sieht einen weiteren Vorteil im Reichtum ihres Musterlandes. Er liegt darin, dass sie selber anderen Leuten gern Ratschläge erteilt: Macht es wie wir, dann macht ihr alles richtig und es wird euch so gut ergehen wie uns. Und solange ihr das nicht tut, sind wir nicht die Zahlmeister der Nation. Das sind die Bayern aber doch. Im verwickelten Länderfinanzausgleich zahlt der Freistaat für 2014 die Rekordsumme von 4,85 Milliarden Euro ein, das den Nehmerländern zugutekommt.

Ministerpräsident Horst Seehofer nennt diese Belastung einen "Skandal". Er klingt, als würde Leistung bestraft. Es ist legitim, dass Bayern die Summe reduzieren will; es leistet immerhin mehr als die Hälfte der Gesamtzahlungen. Aber dass es zahlen muss, und auch viel zahlen muss, ist kein Skandal. Über die Höhe der Leistungen lässt sich debattieren. Aber sie liegen in der Logik der Bundesstaatlichkeit. Der Finanzausgleich soll die vom Grundgesetz geforderte "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" im Bundesgebiet gewährleisten. Im deutschen Föderalismus gibt es aus gutem Grund kein freies Spiel der Kräfte. Wohin ein solches führen kann, zeigt der verheerende Zustand mancher Städte in den USA.

Bayerns Rat: Macht es wie wir, dann macht ihr es richtig

Wo jeder des eigenen Glückes Schmied ist und wenig Hilfe von anderen Ebenen des Staates erwarten darf, entsteht exakt dieses Ungleichgewicht, welches das Grundgesetz verhindert. Bundesländer können von einem Strukturwandel wie im Ruhrgebiet oder in den Abwanderungsregionen Ostdeutschlands getroffen werden, den sie aus eigener Kraft nur teilweise zu bewältigen imstande sind. Dazu fehlen ihnen Kompetenzen und Instrumente.

Das Lamento der Nettozahler, an dem sich auch das grün geführte Baden-Württemberg gern beteiligt, klingt daher ein wenig hohl. Ohnehin müssen die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bis 2019 neu geregelt werden, wenn der Solidarpakt II ausläuft - die Skandal-Rufe sollen die Gegner schon einmal mürbe machen. Ganz unrecht haben die murrenden Geber ja nicht: Die Umverteilung hat Ausmaße angenommen, die sich wohl niemand vorstellen mochte, als das System eingerichtet wurde. Eine Reform könnte darauf hinauslaufen, dass der Bund mehr Kosten übernimmt.

Bei der Debatte geht es übrigens nur um direkte Transfersummen. Rechnet man die Umsatzsteuerumlage dazu, vergrößert sich immerhin die Riege der Zahler. Und außerdem waren einst, als der Ruhrpott kochte, während in Bayern noch der Hundefänger umging, die Verhältnisse umgekehrt. Das kann natürlich nicht auf alle Zeit rechtfertigen, dass einzelne Länder überproportional belastet werden. Aber die Erinnerung sollte manchen Großsprecher aus den Geberländern etwas bescheidener auftreten lassen. Das würde es auch erleichtern, mit den Nehmerländern bis 2019 eine bessere Lösung auszuhandeln.

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