Ladendiebstahl:Klau-Statistiken verwirren Einzelhändler

Zwei Studien, zwei Trends: In der Frage, ob im deutschen Einzelhandel mehr gestohlen wird oder nicht, kommen Experten zu völlig unterschiedlichen Erkenntnissen. Steckt hinter den alarmierenden Zahlen das Geschäftsinteresse eines Sicherheitsunternehmens?

Stefan Weber

Kosmetikartikel sind begehrt, Rasierklingen auch und natürlich CDs: Wenn Ladendiebe aktiv werden, greifen sie meist zu kleinen, gut zu versteckenden und möglichst teuren Waren. Darin sind sich Experten einig. Bei der Frage jedoch, wie viel Schaden unehrliche Kunden und Mitarbeiter anrichten, gehen die Einschätzungen der Fachleute weit auseinander. Ja, noch nicht einmal über den Trend, ob nun mehr oder weniger gestohlen wird in deutschen Läden, sind sich die Experten einig.

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Kosmetikartikel wie zum Beispiel Lippenstifte gehören zu den Gegenständen, die in Geschäften besonders oft gestohlen werden.

(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Da ist zum einen das "Globale Diebstahlbarometer", eine jährliche Studie des Center for Retail Research in Nottingham, die vom Warensicherungssytem-Anbieter Checkpoint Systems unterstützt wird. Deren am Dienstag veröffentlichte Untersuchung skizziert einen besorgniserregenden Trend. Denn demnach bewegt sich der Warenschwund im deutschen Einzelhandel auf einem Spitzenniveau.

Nie zuvor in den vergangenen zehn Jahren sei ähnlich viel gestohlen worden, heißt es in der Studie. Auf mehr als 5,4 Milliarden Euro beziffern die Autoren den Schaden, der Ladenbetreibern im Zeitraum Juli 2010 bis Juni 2011 durch unehrliche Kunden und Mitarbeiter entstanden ist. Und der durch organisatorische Mängel verursacht wurde, etwa dadurch, dass Preise falsch ausgezeichnet wurden. Dieser sogenannte Inventurverlust sei - gemessen am Umsatz - um 7,1 Prozent höher gewesen als zwölf Monate zuvor, schreiben die Autoren des "Diebstahlbarometer".

Zu ganz anderen Erkenntnissen war im Sommer das Kölner Handelsforschungsinstitut EHI gekommen, das ebenfalls seit langem Untersuchungen und Befragungen zum Thema Warenschwund durchführt. Nicht nur, dass die Schadenssumme, die die Rheinländer jeweils pro Kalenderjahr ermitteln, mehr als 1,5 Milliarden Euro niedriger ausfiel.

Sie ermittelten auch einen gänzlich anderen Trend. Nach Zahlen des EHI ist 2010 erstmals seit vielen Jahren weniger gestohlen worden. Mit knapp fünf Prozent sei der Rückgang sogar sehr deutlich ausgefallen, meldete das Forschungsinstitut im Juni. Die Begründung: Kunden und Mitarbeiter schreckten immer häufiger davor zurück, Waren unbezahlt an der Kasse vorbeizuschleusen, weil sie Angst davor hätten, entdeckt zu werden. Schließlich hätten die Händler zuletzt kräftig investiert, um sich vor Ladendieben und Betrügereien durch Mitarbeiter zu schützen. Etwa durch Überwachungskameras oder durch hochsensible Sicherungsetiketten, die am Ausgang Alarm auslösen, wenn sie nicht zuvor an der Kasse deaktiviert werden.

Das "Globale Diebstahlbarometer" hat dagegen eine andere Wahrnehmung. Es stellt fest, dass die Händler ihre Ausgaben für die Sicherung der Waren - gemessen am Umsatz - zuletzt um mehr als ein Fünftel gekürzt haben. Vor allem diese Sparmaßnahmen sind für Dirk Endlich, den Deutschland-Chef von Checkpoint Systems, der Grund für den deutlich gestiegenen Warenschwund.

Unterschiedliche Methoden?

Wie lassen sich diese unterschiedlichen Erkenntnisse erklären? Wer es nicht gut meint mit den Autoren des "Diebstahlbarometer", weist darauf hin, dass die Untersuchung der Briten mit Checkpoint Systems von einem Unternehmen unterstützt wird, das sein Geld mit dem Verkauf von Warensicherungssystemen verdient. Und das, so heißt es, könne ein Interesse daran haben, den Einzelhändlern aufzuzeigen, dass sie in das Thema Sicherheit investieren müssen.

Vielleicht haben die unterschiedlichen Wahrnehmungen des Centre for Retail Research und des EHI aber auch ganz einfach nur methodische Ursachen. Möglicherweise haben die Briten andere Firmen befragt als die Kölner. Ohnehin stehen die Erkenntnisse des "Diebstahlbarometer" auf vergleichsweise dünnen Beinen, weil sie nur auf der Befragung von 36 großen Handelsunternehmen beruhen. Das EHI dagegen hat nach eigenen Angaben etwa 80 Firmen mit einem Gesamtumsatz von knapp 50 Milliarden Euro befragt.

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