Wenn an diesem Mittwoch der Finanzausschuss des Bundestages das Jahressteuergesetz beschließt, dann hat der mehr als 200 Seiten starke Gesetzentwurf ein beachtliches Facelifting hinter sich. Mehr als 40 Änderungsanträge haben die Parlamentarier im Laufe ihrer Beratungen diskutiert und ins Gesetz eingearbeitet. Eine Änderung jedoch, die sich viele Arbeitnehmer gewünscht hätten, wird ausbleiben: Wer 2020 vor allem wegen der Corona-Krise Kurzarbeitergeld bezogen hat, kann bei der Steuererklärung nicht auf zusätzliche Erleichterungen hoffen.
Monatelang war darüber diskutiert worden, ob der sogenannte Progressionsvorbehalt beim Kurzarbeitergeld für das Jahr 2020 ausgesetzt werden soll. Unter anderem hatte der Bundesrat die Regierung gebeten, das zu prüfen. Am Ende jedoch hat sich die große Koalition nicht auf die Änderung geeinigt, die Bezieher von Kurzarbeitergeld bei der Steuer bessergestellt hätte. "Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen", sagt Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher des SPD-Fraktion: "Aber es ist eine Frage der Gerechtigkeit anderen Arbeitnehmern gegenüber."
Wer im Jahr 2020 Kurzarbeitergeld bezogen hat, muss sich daher nun auf mögliche Nachzahlungen bei der Einkommensteuer einstellen. Und das sind viele: Alleine im April waren mehr als zehn Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Dass sie nun möglicherweise nachträglich Steuern zahlen müssen, liegt eben an jenem Progressionsvorbehalt, der für die Kurzarbeit gilt. Das bedeutet: Das Kurzarbeitergeld selbst ist zwar steuerfrei. Es erhöht jedoch den Steuersatz für die sonstigen Einkünfte der Beschäftigten - also vor allem für den regulären Lohn. Dadurch kann es bei der Steuer zu Nachzahlungen kommen.
Das ist allerdings nicht zwingend so. "Nicht jeder, der Kurzarbeit macht, muss Steuern nachzahlen", sagt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler. Bei etlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind sogar Erstattungen drin. Die sei vor allem der Fall, wenn Beschäftigte ein paar Monate zu 100 Prozent in Kurzarbeit waren und während der übrigen Monate regulär arbeiteten. "Dann werden vom regulären Arbeitslohn oft bereits so viele Steuern abgezogen, dass unterm Strich eine Erstattung rauskommt", sagt Klocke. Waren Arbeitnehmer dagegen nur zum Teil in Kurzarbeit, also etwa zu 50 Prozent, kann es eher Nachforderungen vom Finanzamt geben.
Der Steuerzahlerbund macht das an Beispielen deutlich - etwa einer verheirateten Alleinverdienerin mit zwei Kindern und einem Monatsbrutto von 4500 Euro: Arbeitet die Beschäftigte neun Monate regulär und geht für drei Monate zu 100 Prozent in Kurzarbeit, erhält sie am Ende eine Steuererstattung von gut 600 Euro. Beträgt die Kurzarbeit während der drei Monate nur 50 Prozent, steht unterm Strich eine Nachzahlung von 240 Euro. Ob Steuerpflichtige am Ende etwas zahlen müssen oder vom Finanzamt etwas zurückbekommen, hängt aber nicht nur vom Grad der Kurzarbeit ab, meint Steuerexpertin Klocke: "Entscheidend ist unter anderem, ob auch der Ehepartner etwas verdient oder ob es sonstige Einkünfte gibt, etwa aus Vermietung und Verpachtung".
Wer seine Steuererklärung mit einer handelsüblichen Software mache, könne sich selbst ausrechnen, ob eine Erstattung oder eine Nachzahlung fällig wird, meint Klocke. Die Höhe des Kurzarbeitergeldes finden Steuerpflichtige dabei auf der Lohnsteuerbescheinigung, die sie vom Arbeitgeber bekommen. Den Betrag trägt man in die Anlage N der Steuererklärung ein. Dort gibt es eine eigene Zeile für das Kurzarbeitergeld. Arbeitnehmer, die im Jahr 2020 mehr als 410 Euro Kurzarbeitergeld bekommen haben, sind dabei verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben.
Wie viele dieser Beschäftigten für 2020 Steuern nachzahlen müssen, lasse sich aber "schwer im Voraus ermitteln", sagt Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Die Zahl sei "wahrscheinlich jedoch geringer als befürchtet". Ähnlich wie ihr SPD-Kollege Lothar Binding sieht auch Tillmann bei einer Aussetzung des Progressionsvorbehalts "Gerechtigkeitslücken" gegenüber den übrigen Steuerpflichtigen.
Die Begründung der beiden Finanzpolitiker: Wer inklusive Kurzarbeitergeld auf dieselben Einkünfte komme, wie jemand, der das ganze Jahr über regulär gearbeitet habe, müsse auch mit demselben Satz besteuert werden. Ohne Progressionsvorbehalt jedoch wäre der Steuersatz für die von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten geringer. Dadurch, so Antje Tillmann, würden "gerade die vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den sogenannten systemrelevanten Berufen, die ihre Bruttolöhne in voller Höhe versteuern müssen, benachteiligt".