Kurssturz bei Sportartikelhersteller:Eigentor für Adidas

Kurssturz bei Sportartikelhersteller: Von der Fußball-WM profitierte Adidas vor allem auf der Marketing-Ebene. Doch die Kosten machen sich nun bemerkbar - kombiniert mit der schlechten wirtschaftlichen Stimmung durch die Ukraine-Krise.

Von der Fußball-WM profitierte Adidas vor allem auf der Marketing-Ebene. Doch die Kosten machen sich nun bemerkbar - kombiniert mit der schlechten wirtschaftlichen Stimmung durch die Ukraine-Krise.

(Foto: AFP)

Vor zwei Wochen galt Adidas noch als heimlicher WM-Gewinner: Der Konzern aus Herzogenaurach ist Ausrüster des Weltmeisters, sogar Ausrüster des nächsten WM-Gastgebers. Plötzlich der Absturz: Ziele gekippt, Aktie abgeschmiert. Dabei spielt auch der Fußball eine Rolle.

Von Uwe Ritzer

Der Schlechtwetterfront gingen Vorboten voraus. "Der Wind dreht sich", warnte Vorstandschef Herbert Hainer, 60, die Adidas-Beschäftigten bereits Ende vorigen Jahres in der Mitarbeiterzeitung. Es sei Zeit, "noch einen Gang höher zu schalten".

Selbstvertrauen, sinnierte der Vorstandschef, sei schön und gut. Künftig aber brauche das Unternehmen mehr als das, nämlich Kühnheit. "Kühnheit heißt, ganz cool über das Ziel hinauszugehen, sich selbst noch weiter anzutreiben, einfach um zu sehen, wie weit man kommen kann", so Hainer mit Pathos.

Gut ein halbes Jahr später ist der nach Nike zweitgrößte Sportartikelhersteller in einem formidablen Unwetter, das in seiner Heftigkeit so überraschend ist. Am Donnerstag präsentierte der sonst so zuversichtliche Hainer schlechte Nachrichten: Adidas reduziert die Umsatz- und Gewinnprognosen - zum dritten Mal binnen eines Jahres. Auch die Ziele des mittelfristigen Planes "Route 2015" wurden kassiert.

Vor zwei Wochen sah alles noch gut aus

Die Anleger waren entsetzt. Der Kurs der Adidas-Aktie sackte um bis zu 16 Prozent ab, auf ein Zweijahrestief. Gemessen an einem Hoch von 93 Euro im Januar verlor die Adidas-Aktie bis Donnerstag gut 35 Prozent.

Dabei sah vor zwei Wochen alles noch so gut aus. Wie kein anderer Sportartikelhersteller konnte Adidas die Fußball-WM für sein Marketing nutzen. Vor allem der Verkauf von Trikots, unter anderem das des neuen Weltmeisters Deutschland, brachte neue Rekorde. Bei Manchester United, einem der weltweit gefragtesten Fußballklubs, verdrängte die Drei-Streifen-Marke den bisherigen Ausrüster Nike, wenn auch für sehr viel Geld. Und Hainer kündigte an, allein mit Fußballprodukten werde Adidas in diesem Jahr einen Rekordumsatz von zwei Milliarden Euro erzielen.

Und nun das: Vom WM-Sieger zum Verlierer in ein paar Tagen. Statt der angepeilten bis zu 930 Millionen Euro Gewinn rechnet man in der Herzogenauracher Konzernzentrale nurmehr mit 650 Millionen Euro. Auch der Umsatz soll nicht so stark steigen wie ursprünglich erwartet.

Die 2010 formulierten Ziele des mittelfristigen Wachstumsprogramms "Route 2015", nämlich den Umsatz bis zum kommenden Jahr auf 17 Milliarden Euro und die Gewinnmarge auf elf Prozent zu steigern, sind vorerst nicht machbar. Man werde sie "erst später als ursprünglich erwartet erreichen können", hieß es. Im Mai hatte Hainer wenig konkret vorsichtig angedeutet, man werde "etwas länger brauchen, wenn die Währungen weiter gegen uns arbeiten".

Die Krise in der Ukraine belastet auch Adidas

Das tun sie definitiv, wobei Adidas mit dem Problem nicht alleine dasteht, genauso wenig wie mit den Folgen der Krise in der Ukraine. Je stärker der politische Druck auf Russland wächst und die Wirtschaftssanktionen von EU und USA greifen, desto mehr macht sich das in den Bilanzen dort stark vertretener deutscher Unternehmen bemerkbar. So legt der Handelskonzern Metro seine Pläne, das russische Großmarktgeschäft an die Börse zu bringen, auf Eis. Es fehle die nötige politische Stabilität, so Metro-Chef Olaf Koch.

Für Adidas sind Russland - dort soll die nächste WM stattfinden und Adidas rüstet das Nationalteam aus - und die GUS-Staaten wichtige Wachstumsmärkte. Im vergangenen Jahr setzte der Konzern dort mehr als eine Milliarde Euro um. "Das Geschäft läuft nach wie vor prächtig", sagt eine Sprecherin.

Nur werde im Zuge des internationalen Konflikts der Rubel gegenüber dem Euro immer schwächer, während gleichzeitig die Risiken in Sachen Konsumentenstimmung und Verbraucherausgaben stiegen. Die Konsequenz daraus: Adidas wird weniger investieren. Einige Geschäfte in den GUS-Staaten werden geschlossen, gleichzeitig werden weit weniger neue Läden eröffnet als geplant. Details will Hainer in der kommenden Woche bei der Vorstellung des detaillierten Quartalsberichts bekannt geben.

Die Golfgeschäfte laufen schlechter, Arbeitsplätze sind in Gefahr

Massive Probleme plagen Adidas auch im Geschäft mit Golfprodukten. Hier wurde eine Erfolgsgeschichte jäh gestoppt. 1997 kaufte Adidas die kleine Golfausrüster-Marke Taylor-Made, deren Umsatz damals unter 300 Millionen Euro lag. Unter der Regie der Herzogenauracher stieg die im kalifornischen Carlsbad angesiedelte Tochterfirma zur größten Golfsport-Marke der Welt auf, mit 1,34 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2012. Seither laufen die Golfgeschäfte immer schlechter.

In Europa werden kaum neue Golfanlagen gebaut, in Nordamerika sank die Zahl der Platzrunden voriges Jahr um zehn und im ersten Halbjahr 2014 um weitere fünf Prozent. In aufstrebenden Ländern wie China oder Indien entwickelt sich die Sportart weit weniger gut als erhofft. Im zweiten Quartal sank der Taylor-Made-Umsatz um 18 Prozent. Nun sollen Lagerbestände reduziert und gespart werden. Das wird auch Arbeitsplätze kosten. Wie viele der gut 1000 Stellen gestrichen werden, ist noch unklar.

"Nicht flexibel genug", räumt Hainer ein

Auch im Konzern sind Umstrukturierungen geplant. Die Bereiche Global Brands und Global Sales der neuen Konzernvorstände Eric Liedtke und Roland Auschel sollen gestrafft werden. Zudem will Adidas angesichts der erfolgreichen Fußball-WM seine Marketingausgaben erhöhen. Das ist insofern kurios, weil man gleichzeitig die hohen Aufwendungen im Zuge der WM für die Ergebniskorrektur nach unten mitverantwortlich macht.

Experten waren am Donnerstag sehr überrascht vom Ausmaß der Gewinnwarnung. Adidas-Chef Hainer räumte ein, die Vorboten der Schlechtwetterfront vielleicht doch nicht ernst genug genommen zu haben. Der bisherige Konzernumbau habe "nicht immer den hohen Standards entsprochen". Man sei "nicht flexibel genug" gewesen, "um in einem ungünstigen Marktumfeld entsprechend reagieren zu können". Nunmehr aber werde man entschlossen handeln. Kühnheit ist offenbar gefragt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: