Süddeutsche Zeitung

Rohstoffmärkte:Dieses Metall ist eine Warnung für die Weltwirtschaft

An der Börse interessieren sich auf einmal alle für Kupfer. Denn das Metall hat Wahrsagerqualitäten. Und die lassen nichts Gutes ahnen.

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Wenn Börsenhändler wissen wollen, wie es um die Weltwirtschaft bestellt ist, wenden sie sich oft an Dr. Copper. Denn Copper werden seherische Eigenschaften zugeschrieben, den Lauf der Konjunktur zu deuten. Bei dem so vielkonsultierten Wahrsager geht es allerdings nicht um einen Menschen, sondern schlicht um den weltweiten Kupferpreis (Kupfer heißt im Englischen copper). Gerät der Preis des roten Metalls in Schieflage, droht der Wirtschaft Übles - und rote Börsenkurse.

Fast hätte die Diskussion um teure Öl- und Gaspreise die Kupferkapriolen überdeckt. Doch inzwischen ist der Preis für eine Tonne Kupfer so heftig eingebrochen, dass Händler kaum noch die Augen verschließen können: Waren Anfang April noch mehr als 10 000 Dollar pro Tonne Kupfer fällig, liegt der Preis inzwischen bereits 30 Prozent tiefer. Und da Kupfer von Autos über Handys bis zu Häusern in so ziemlich allem steckt, lässt das wenig Gutes ahnen.

Rund die Hälfte des weltweiten Kupfers geht dabei nach China, das gerade mit Wachstumssorgen konfrontiert ist. Erst am Freitag musste Peking seine Banken zu einer Dringlichkeitssitzung rufen, weil viele große Immobilienentwickler kurz vor der Pleite stehen, sich an den Baustellen nichts mehr bewegt und entsprechend auch weniger Kupfer gebraucht wird.

Für Solaranlagen, E-Autos und Windturbinen wird viel Kupfer gebraucht

Dazu kommt die Null-Covid-Strategie Pekings, bei einzelnen Infektionen schnell ganze Hafenstädte abzuriegeln. "Eine völlig verwirrte Gesundheitspolitik", schimpft Robert P. Ryan vom Analysehaus BCA Research. Als wäre das nicht genug, machen sich auch in den USA Rezessionssorgen breit. Europa wiederum zittert vor schweren Zeiten, sollte von Donnerstag an weiterhin kein Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 fließen.

Die Spekulanten an den Rohstoffbörsen wetten daher eindeutig darauf, dass der Kupferpreis weiter in sich zusammensackt. "Allerdings muss man aufpassen, sich nicht von der allgemeinen Marktstimmung mitreißen zu lassen", sagt Rohstoffexperte Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank. Denn neben der Lage der Weltwirtschaft können auch die Details der Metallmärkte den Kupferpreis beeinflussen.

Fallen die Kupferpreise, könnte die Nachfrage nach dem roten Metall auch wieder steigen, weil es nun billiger ist. Zweites Argument für eine Trendwende: Da die Kupferkurse aktuell besonders stark schwanken, bleiben viele Produzenten eher vorsichtig, investieren kaum in zusätzliche Abbauvorhaben und sorgen mittelfristig für ein knappes Angebot. Gleichzeitig wird durch die Energiewende für Solaranlagen, E-Autos und Windturbinen aber mehr Kupfer gebraucht. So könnte die seherische Qualität des Metalls bald überlagert werden, die Ehrendoktorwürde für Dr. Copper an der Börse infrage stehen.

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