Süddeutsche Zeitung

Kundenservice:Das Beste aus Fehlern herausholen

Vorständin Karen Quintos kümmert sich beim Computerkonzern Dell um die Belange der Kunden.

Von Felicitas Wilke

Die Formel, die Karen Quintos aufstellt, klingt zunächst banal. "Guter Service", sagt sie, "ist das, was ein Kunde als guten Service empfindet". Nur: Was steckt hinter dem "Kundenerlebnis", von dem gerade die Marketingmenschen gerne sprechen? Die 53-jährige US-Amerikanerin versucht es für den Computerhersteller Dell herauszufinden. Quintos arbeitet bei dem weltweit tätigen Konzern mit Sitz in Round Rock, Texas, als Chief Customer Officer (CCO), als Vorstandsfrau für Kundenservice. Ihre Aufgabe besteht darin, so zu denken wie die Verbraucher - und dafür zu sorgen, dass der streikende Laptop oder Tablet-PC schnell wieder funktioniert.

Einen Kundenservice hat heute jedes Unternehmen. Seit einiger Zeit installieren die Konzerne aber vermehrt eigene Vorstandsposten, um das Thema zur Chefsache zu machen. Argumente dafür gibt es genügend: Wenn bei den Kunden technische Probleme auftreten oder sie eine Beschwerde anbringen möchten, dann reagieren viele Unternehmen nicht mustergültig. Immer wieder beklagen die Leidtragenden lange Warteschleifen am Telefon, fehlende Reaktionen auf Anfragen und inkompetente Mitarbeiter. Oftmals scheitert es auch an Zuständigkeiten: Bis die richtige Kollegin, die sich mit der spezifischen Störung auskennt, gefunden ist und sich am anderen Ende der Leitung meldet, dauert es nach Meinung vieler Kunden einfach viel zu lange.

An diesem Punkt möchte Karen Quintos ansetzen. Die Mitarbeiter im Kundenservice müssten ihre Gesprächspartner "schnell und respektvoll" betreuen, aber es gehöre noch mehr dazu: "Wir dürfen interne Probleme nicht zu den Problemen der Kunden machen", sagt sie. Am besten erkenne man an der Nummer oder am Namen gleich, wer gerade anruft oder eine Nachricht geschrieben hat, welches Gerät der Kunde besitzt und welcher Ansprechpartner dafür der richtige sein könnte. Passt es nicht, dann seien die Mitarbeiter geschult, direkt einen fachkundigen Kollegen zu finden und zu ihm zu verbinden, berichtet Quintos.

Bevor die Betriebswirtin im vergangenen Jahr in den Vorstand des Konzerns aufstieg, organisierte sie bei Dell unter anderem das Lieferkettenmanagement. Sie kennt sich also damit aus, wie man aufwendige Prozesse sinnvoll steuert - und gibt im Kundenservice klare Regeln vor: "Es kann zwar eine Weile dauern, bis ein Problem gelöst wird", räumt sie ein, "aber wer online ein Anliegen vorbringt, erhält bei uns innerhalb einer Stunde die erste Antwort und täglich einen aktuellen Zwischenstand."

Verbraucher mögen es, wenn man mit ihnen transparent kommuniziert

Dass das bei den Kunden gut ankommt, ist keine revolutionäre Erkenntnis aus dem Hause Dell. Forscher auf dem Gebiet des Dienstleistungsmanagements wissen schon lange, dass Verbraucher verständnisvoller auf einen Fehler oder ein Problem reagieren, wenn transparent mit ihnen kommuniziert wird. Doch dass es an der Umsetzung bei vielen Konzernen noch scheitert, das beweisen derzeit zum Beispiel Telekommunikationsanbieter wie O2, Tele Columbus oder Unitymedia.

Dell beschäftigt weltweit mehr als 30 000 Mitarbeiter im Kundenservice, die per Telefon, E-Mail, über soziale Netzwerke und auf persönlichem Wege erreichbar sind. Um herauszufinden, ob die Kunden mit der Hilfestellung zufrieden sind, misst das Unternehmen die Leistung seiner Mitarbeiter. Im Rahmen des Net Promoter Scores, den auch andere Firmen nutzen, werden die Kunden gefragt, ob sie den Anbieter und dessen Produkte und Service weiterempfehlen würden. Erhält ein Mitarbeiter auf einer Skala von null bis zehn einen Wert von mindestens neun, gilt er als geeignet, Probleme zufriedenstellend zu lösen und Kunden zu halten.

Doch wo jede Handlung gemessen wird, können sich Mitarbeiter schnell unter Druck gesetzt fühlen. Auf die Frage, was Dell dafür tut, um das zu vermeiden, fällt die Antwort eher vage aus: Der Erfolg der Mitarbeiter werde nicht nur an Zahlen festgemacht, sondern auch "an vielen anderen Faktoren", sagt Quintos. Die Arbeit der Angestellten im Kundenservice habe für sie einen "hohen Stellenwert", man bezahle sie "konkurrenzfähig" und lagere keine Jobs auf externe Dienstleister aus. Auf diese Weise, so bescheinigen es auch Wissenschaftler, können sich die Angestellten besser mit der Marke, für die sie arbeiten, identifizieren. Und als zufriedene Mitarbeiter auch die Kunden leichter zufriedenstellen. "Fehler passieren", sagt Karen Quintos, "aber wir wollen das Beste daraus machen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3788396
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.12.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.