Süddeutsche Zeitung

Kundenprämien:Shell verschenkt E-Book-Reader an Schoko-Kunden

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Diese Werbeaktion sorgt für Bauchschmerzen: Shell wollte mit einem Kindle-Lesegerät als Treueprämie Kunden zum Tanken locken. Doch dann entdeckte jemand ein schokotafelgroßes Schlupfloch.

Die Deutschlandkarte im Supermarkt, die Family-Karte im Möbelhaus: Viele Einkaufsläden versuchen mit Treueprogrammen, Kunden an sich zu binden. Die Firmen versprechen ein bisschen Rabatt und bekommen dafür wertvolle Daten über das Einkaufsverhalten der Kunden: Welcher Kundentyp kauft wann wie viel ein? Das Schlagwort heißt Big Data, vor dem es manchen graust. Computer übernehmen angeblich die Macht und wissen schon vorher, wie Menschen sich entscheiden werden.

Soweit die Theorie. Ganz so intelligent kann die Datenauswertung beim Benzinverkäufer Shell nicht sein. Dort haben offenbar überraschend viele Kunden bei einer Treueaktion mitgemacht, bei der sie 999 Punkte auf einer Shell-Kundenkarte sammeln mussten. So berichtet es die Welt, Shell hat eine Anfrage von Süddeutsche.de bisher nicht beantwortet. Für die 999 Punkte würden die Kunden das neueste Lesegerät von Amazon bekommen, das Kindle Paperwhite, versprach Shell. Das Gerät kostet beim Hersteller 129 Euro.

Für 999 Punkte muss der Durchschnittskunde lange zapfen. Für jeden Liter Benzin gibt es einen Punkt. Nicht gerade geschenkt, der Kindle. Doch die zahlreichen Schnäppchenseiten im Internet entdeckten ein schokoriegelgroßes Schlupfloch.

Weil Shell den Absatz von Süßigkeiten fördern wollte, rief der Konzern zu einer Sonderaktion: Ende März, Anfang April gab es für eine Tafel Ritter Sport 100 Treuepunkte obendrauf, aber nur bei den Sorten "Voll-Nuss" und "Nougat", notiert der Dienst Mydealz. Für 1,20 Euro je Tafel musste der Kunde also 12 Euro ausgeben, um auf die für den Kindle nötige Punktezahl zu kommen. Die Seite Schnäppchenfuchs.com packte es in folgende Überschrift: "Ritter Sport für 12 Euro kaufen und Kindle Paperwhite kostenlos dazu bekommen".

Ende April wurde das Gerät etwas teurer. Dann gab es bei Shell-Tankstellen zwei kleine Packungen von Mars, Twix, Snickers oder Bounty für 1,50 Euro - und eben 100 Sammelpunkte. So kostete der Kindle 15 Euro.

"Der Autor hat es im Raum Köln selbst ausprobiert"

Das gefiel so vielen Tankstellenkunden, dass Shell ihrem Ansturm an diesem Freitag nicht standhielt. Auf einer Sonderseite im Internet sollten sie ihre Punkte in Kindles umtauschen. Doch die war kaum zu erreichen. Das passiert, wenn ein Unternehmen nicht genügend Serverkapazitäten für die Zahl der virtuellen Besucher vorbehält.

Laut Welt war der Ansturm absehbar. Im Aktionszeitraum seien Bountys bei Shell-Tankstellen "schlicht ausverkauft" gewesen, notiert die Zeitung. Und: "Der Autor hat es im Raum Köln selbst ausprobiert und keine mehr bekommen."

Erst am Freitagnachmittag konnten Shell-Kunden sich bis zur Kindle-Prämienseite durchklicken. Doch dort begrüßt sie ein gelber Warnhinweis: "Leider ist diese Aktionsprämie auf Grund der großen Nachfrage bereits ausverkauft". Die Tankstellenfirma entschuldigt sich online, dass die Seite nicht erreichbar war. Sie habe vierzigmal so viele Besucher gehabt wie sonst. Startpunkt der Tauschaktion war 10 Uhr, der Kindle sei "schon nach rund drei Stunden komplett eingelöst worden, obwohl wir bereits die fünffache Menge an Prämien bereit gehalten haben". Wie viele Geräte es waren, teilt der Konzern auf Nachfrage nicht mit.

Immerhin bekommt Shell nun keinen rechtlichen Ärger. Das Werbeteam hat dem Schokotrick einen Riegel vorgeschoben und an den wichtigsten Hinweis gedacht, als sie die Aktion beworben haben: "Abgabe nur solange der Vorrat reicht".

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