Süddeutsche Zeitung

Kundenbindung:So läuft das Milliardengeschäft mit Werbegeschenken

  • Firmen und Parteien sorgen regelmäßig für eine Flut an Kugelschreibern, Feuerzeugen und Luftballons.
  • Auch zwischen Unternehmen herrscht ein reger Präsente-Austausch.
  • Es gibt einige Anzeichen, dass die gewünschte Wirkung erzielt wird.

Von Katharina Kutsche und Felicitas Wilke

Letztens, im Wahlkampf in der Fußgängerzone, die Luftballons für die Kleinen. Oder neulich vor dem Supermarkt der Spendenaufruf - hier, ich gebe Ihnen noch einen Stift und ein paar Bonbon-Tütchen mit! Oder im Büro, wohin Unternehmen kleine Aufmerksamkeiten schicken, schöne Adventszeit und danke für die Zusammenarbeit. Wer bei treuen Kunden in Erinnerung bleiben oder neue Klienten gewinnen will, greift zum Mitgebsel, neudeutsch Giveaway. Das Geschäft mit den Werbeartikeln, es läuft das ganze Jahr über, nicht nur zu Weihnachten.

Einer der beliebtesten Artikel ist und bleibt der Kugelschreiber - "weil du nie einen hast", sagt Kurt Schnellbächer. "Und er hat viel Platz. Bei einem schönen Gehäuse mit einem breiten Clip kann man ihn gut veredeln." Schnellbächer ist Prokurist beim Werbeartikler Hach. Das Unternehmen aus dem hessischen Pfungstadt produzierte ursprünglich Schreibgeräte, stellte jedoch Mitte der Siebzigerjahre auf Werbemittel um: Kugelschreiber, Kalender, Kaffeebecher.

An den Artikeln hat sich im Laufe der Jahrzehnte nicht viel geändert, eher an der Ausführung. Baumwolltaschen etwa habe es schon vor vierzig Jahren gegeben, sagt Schnellbächer, aber nur in Braun. Heute können Kunden zwischen 35 Farben und Größen wählen, mit langen oder kurzen Henkeln, aufgedrucktem oder gesticktem Logo. Auch technische Produkte werden nun häufiger verteilt, USB-Sticks oder Powerbanks etwa, die lassen sich per Laser gut beschriften. Was dagegen nicht mehr funktioniert: Taschenrechner. Früher galt es als chic, einen Rechner im Scheckkartenformat in der Tasche zu haben. Inzwischen tippen die meisten ihre Zahlen in ein Smartphone. "Die Klassiker sind nach wie vor im Trend", so Schnellbächer: Auch Start-ups verteilen Kulis und Schlüsselbänder.

Jeder, der zu welcher Gelegenheit auch immer ein unerwartetes Geschenk erhalten hat, kennt das Gefühl, die schöne Geste erwidern zu müssen - das Prinzip der Gegenseitigkeit. Ähnliches passiert, wenn ein Unternehmen eine Überraschung bereithält: "Der Beschenkte glaubt, sich revanchieren zu müssen", sagt Michael Paul, der als Professor an der Universität Augsburg die Wirkung von Werbegeschenken erforscht.

Das Kalkül geht auf

Gerade erst ging in Düsseldorf die PSI zu Ende, Europas größte Werbeartikel-Messe. Dort verkündete der Gesamtverband der Werbeartikel-Wirtschaft, dass die Branche in Deutschland im vergangenen Jahr 3,5 Milliarden Euro umgesetzt habe - ein Rekordwert. Nur TV-Werbung frisst mehr Werbebudget. 91 Prozent aller Menschen hierzulande, die älter als 14 Jahre sind, besitzen einen Werbeartikel. Da bewirkt ein kleines Präsent das, was Werbung immer tun sollte: Sie macht die Marke bekannter. "Hält man jeden Tag den Kugelschreiber mit dem Logo eines bestimmten Unternehmens in der Hand, bringt es sich immer wieder mit kleinen Markern in Erinnerung", sagt Paul. Bestenfalls führt ein solches Geschenk dazu, dass der Kunde auch beim nächsten Mal wieder beim spendablen Geber einkauft.

Das Kalkül geht auf. Wissenschaftler Paul hat in einer Studie mit Kollegen aus Köln und Münster nachgewiesen, dass Werbegeschenke ihre gewünschte Wirkung erzielen: Die steigenden Gewinne übertreffen die Kosten, die für die Anschaffung der Geschenke angefallen sind. Ob der Empfänger eine Privatperson oder ein Geschäftskunde ist, macht keinen großen Unterschied - abgesehen von der Tatsache, dass es in einem Unternehmen selten nur von einer Person abhängt, mit welchen Geschäftspartnern es zusammenarbeitet. "Firmenkunden werden kaum am runden Tisch zusammensitzen und sich für einen Anbieter entscheiden, weil er so schöne Werbegeschenke verteilt", sagt Paul.

Unbewusst könne ein Giveaway die Kaufentscheidung aber auch im Business-to-Business-Bereich beeinflussen. Da ist Vorsicht auf beiden Seiten geboten. Seit sich Unternehmen verstärkt um Compliance bemühen und interne Verhaltensregeln aufstellen, hat sich das Geschäft mit den Geschenken geändert. Vorbei die Zeiten, in denen sich beim Einkaufsleiter eines Unternehmens kurz vor Weihnachten schnell mal 20 Flaschen Champagner, edelster Schinken und Präsentkörbe ansammelten. Heute sind es vielleicht noch ein paar Flaschen vom nicht ganz so teuren Wein - und eine Menge anderes.

Die neue Sparsamkeit habe man nicht bemerkt, sagt Hach-Prokurist Kurt Schnellbächer. Wie viel der Werbeartikel-Hersteller umsetzt, möchte er nicht sagen, Zahlen zu Kunden gebe man ebenfalls nicht heraus - es gibt viel Konkurrenz, vor allem billige aus Fernost.

Was Hach in Katalog und Webshop anbietet, hat ein Einkaufsteam weltweit ausgewählt. Kleinere Dinge, Stifte oder Feuerzeuge etwa, liegen bereits im Lager in Pfungstadt, anderes wird dazu geordert, das Unternehmen pflegt ein Lieferantennetz, das "just in time" liefert. Die eigentliche Wertschöpfung beginnt jedoch in der Hach'schen Druckerei. Hier wird geprägt, geätzt, bestickt, im Siebdruck oder per Laser beschriftet und veredelt. Und dabei geht es nicht immer nur um Firmennamen mit Adresse. Seit einigen Jahren lassen Kunden auch die Namen des Beschenkten auf einem Artikel anbringen. "Darauf haben wir uns spezialisiert, unseren Maschinenpark extra erweitert", sagt Schnellbächer. Zurzeit beliebt sei etwa eine Wollmütze mit eingebauter LED-Leuchte und besticktem Umschlag. So etwas bestellen Unternehmen vor allem für die eigenen Mitarbeiter.

Kunde oder Kollege, das ist auch steuerlich wichtig. Für externe Beschenkte gilt: Kostet ein Geschenk maximal 35 Euro pro Person und Jahr, kann die Summe als Betriebsausgabe abgesetzt werden. Für die eigenen Mitarbeiter ist es komplizierter. Sachzuwendungen bis zu einem Wert von 60 Euro pro Person - Blumen zum Jubiläum etwa, ein Präsent zur Hochzeit - können steuerlich angerechnet werden, Geldgeschenke dagegen gehören immer zum Arbeitslohn.

Eine Grußkarte, die erklärt, warum es kein Geschenk gibt

Der häufigste Anlass für kleine Präsente ist und bleibt aber die Weihnachtszeit. Ansonsten sind es vor allem Messen oder das eigene Büro, wofür Unternehmen Streuartikel zum Auslegen und Weggeben brauchen. Seit Kurzem geht dabei der Trend zu Öko-Produkten. Manche Firma verschenkt lieber Bambusbecher als solche aus Plastik. Das sieht nicht nur wertiger aus, sondern zeigt Wertebewusstsein.

Und dann gibt es noch Unternehmen, die sich sozial engagieren und ihren Kunden in einer Grußkarte erklären, warum es kein Geschenk gibt. Gemeinnützige Organisationen wie das UN-Kinderhilfswerk Unicef oder die Knochenmarkspender-Datei DKMS etwa werben bei Firmen gezielt dafür, das Budget für Werbegeschenke zu spenden statt es für Adventskalender oder Weinflaschen auszugeben. Man verzeichnete in den vergangenen Jahren "einen stetigen Zuwachs bei der Aktion 'spenden statt schenken'", heißt es bei Unicef. Eine gute Tat vollbringen, auch das kann eine Investition in das eigene Image bei Kunden und Geschäftspartnern sein.

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SZ vom 12.01.2018/been
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