Kultkette Lush:Gut zu Tieren, hart zu Mitarbeitern

Die Seifen und Cremes der Kosmetikkette Lush haben Kultstatus erreicht - doch in den Läden klagen Verkäuferinnen über Leistungsdruck und Mobbing.

Kristina Läsker

Lächeln, bloß immer nur lächeln. Es ist einer dieser Samstage, an denen die Innenstadt von München überquillt vor Menschen. Melanie Bauler* hat eine weiße Schürze umgebunden und bedient die Kunden, die sich durch den Laden in der Sendlinger Straße mitten im Zentrum schieben.

Das sind die Momente, in denen die junge Frau immer diesen Druck spürt und darauf hofft, dass die Kunden bloß etwas kaufen. Bauler wendet sich einer älteren Dame zu. Mühsam zieht sie die Mundwinkel hoch: "Guten Tag, kennen Sie Lush schon?''

Die Firma wirbt mit Rohstoffe aus ökologischem Anbau

Seit gut einem Jahr arbeitet die Studentin bei der Kosmetikkette Lush. "Mich haben die tollen Produkte gelockt'', erzählt sie. Lush verkauft handgemachte Seifen, Duschgele und Cremes - das Konzept ähnelt dem von Body Shop.

Die Firma wirbt damit, keine Tierversuche für Kosmetika zu dulden und Rohstoffe aus ökologischem Anbau zu verwenden. Für viele Promis ist Lush zur Kultmarke geworden. Bauler fand das super. Inzwischen ist ihr das Lächeln vergangen.

Denn so sehr sich die Inhaber um Tiere und Kunden sorgen, so wenig scheinen sie sich um ihre Mitarbeiter zu scheren. "Zuletzt hatte ich nur noch Angst'', erzählt die junge Frau, "Angst, den Job zu verlieren, wenn ich nicht genug verkaufe.''

Bauler ist kein Einzelfall, sagt die Gewerkschaft Verdi. Bundesweit gibt es Beschwerden von Beschäftigten. Die Firma erhält nach eigenen Angaben einmal pro Monat eine Vorladung zu einem Arbeitsgerichtsprozess.

Allein in München hätten im vergangenen Jahr fünf Verkäuferinnen angerufen, weil sie sich "massiv genötigt fühlten, dem Kunden Ware aufzudrängen'', berichtet Verdi-Mitarbeiterin Dagmar Grassegger.

Die Anruferinnen waren Minijobberinnen, die maximal 400 Euro im Monat verdienen. Lush beschäftigt pro Laden meist nur eine einzige Festangestellte. "Von den Minijobberinnen traut sich kaum eine, sich zu wehren'', sagt Grassegger.

Subtil werde mit Jobverlust gedroht. Wer seine Meinung sage, werde rausgeekelt, erzählt auch Bauler. "Dein Name fehlt dann auf den Schichtplänen von nächster Woche.''

Gut zu Tieren, hart zu Mitarbeitern

Im Lush-Laden in München ist davon nichts zu bemerken. Sanft dudelt die Popsängerin Nelly Furtado über Lautsprecher. In Holzkisten sind apfelgroße Badekugeln in pink, weiß und blau akkurat zwei Meter hoch gestapelt, es sieht aus wie in einem Gemüseladen.

Sprüche wie "Der kleine Luxus für die Wanne'' sind mit Kreide auf Schiefertafeln gemalt. Die gestapelten Seifenstücke und Gelklötze ähneln Früchten oder Bonbons.

Kleine Engelchen zwinkern von der Decke: Alles ist hier süß und lieb. Ätherische Öle sorgen für einen Duft, der hinaus auf die Straße strömt und Kunden ins Innere lockt.

,,Wir sind keine Sozialstation''

Vom weniger liebevollen Umgang mit Mitarbeitern erzählt eine Liste, die sie in den 15 deutschen Filialen führen. Mehrmals täglich müssen die Verkäuferinnen sie ausfüllen.

Akribisch wird festgehalten, wie viele Kunden den Laden betreten, über den Türen hängt ein Zähler. Ihre Zahl wird verrechnet mit Einkäufen und Umsätzen; Konversionsrate und Kundenschnitt nennen sie das bei Lush.

Für beides gibt es Vorgaben. Die Erwartungen variierten von Shop zu Shop, sagt Geschäftsführer Rainer Krautter. "Jeder vierte Kunde sollte bei uns schon für durchschnittlich 20Euro shoppen'', verrät Minijobberin Bauler.

Abends werden die Umsätze in die Zentrale nach Meßstetten gefaxt, wo Ranglisten erstellt werden. München macht sich gut: Der Shop verkauft so viel wie kaum einer in Europa.

Sind die Zahlen nicht gut genug, gibt es Druck: "Der Geschäftsführer lässt dann über die Ladenchefin mitteilen, dass man vielleicht der ganzen Schicht kündigen sollte'', erzählt Bauler.

Am Anfang habe sie gedacht, so was komme mal vor. "Dann habe ich verstanden, dass solche Aussagen Methode haben, um unsere Leistung zu steigern.''

Krautter kann mit den Vorwürfen wenig anfangen. Von 100 Mitarbeitern würden 40 wieder gehen, sagt er. Das sei wenig im Einzelhandel. Dass Mitarbeiter den Leistungsdruck nicht aushalten, kalkuliert er ein.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: