Künstliche Intelligenz:Wenn Maschinen denken

Künstliche Intelligenz: Was kann der Roboter? Ein Taucher beim Test in einem Pool in Marseille.

Was kann der Roboter? Ein Taucher beim Test in einem Pool in Marseille.

(Foto: Boris Horvat/AFP)

Werden Computer eines Tages den Menschen verdrängen? Ausgerechnet im Silicon Valley macht sich Angst vor den Gefahren der künstlichen Intelligenz breit.

Von Hakan Tanriverdi, New York

Ausgerechnet die Elite des Silicon Valley hat Angst vor der Zukunft - zumindest ein Teil von ihr. Eine Gruppe um Tesla-Chef Elon Musk und die Investoren Peter Thiel, der gemeinsam mit Musk den Bezahldienst Paypal gründete, sowie Sam Altman macht sich Sorgen, dass künstliche Intelligenz - kurz KI - der Menschheit langfristig schaden könnte. Die Entwicklungen in dem Forschungsfeld sind tatsächlich atemberaubend. Um herauszufinden, ob sie auch gefährlich sind, haben Musk und seine Partner nun das Forschungszentrum "Open AI" (AI steht für "artificial intelligence") eröffnet. Eine Milliarde Dollar stellen sie dafür bereit.

Was ist das Ziel von "Open AI"?

In einem Blogbeitrag des Zentrums heißt es: "Unser Ziel ist es, digitale Intelligenz so zu erweitern, dass die Menschheit als Ganzes davon profitieren kann, unabhängig von finanziellen Interessen." Es sei schwierig, vorherzusehen, wie nützlich oder schädlich künstliche Intelligenz sein wird. Genau deshalb brauche es eine Organisation, die sich nicht um Aktionäre und deren Sorgen kümmern müsse, sondern nur um die Forschung. "Open AI" ist eine Non-Profit-Organisation, die die nicht-kommerzielle KI-Forschung bündeln soll. In einem Interview auf der Blog-Plattform Medium schreibt Musk: "Ich will ein tiefes Verständnis davon bekommen, wo wir uns in Sachen künstlicher Intelligenz befinden und ob etwas Gefährliches passieren könnte." Er wolle sich alle ein bis zwei Wochen mit dem Team treffen und sich auf den aktuellen Stand bringen lassen.

Außer Musk, Thiel und Altman sind mehrere erfahrene KI-Forscher bei "Open AI" dabei. Yoshua Bengio beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Thema, Ilya Sutskever hat sich bei Google um KI gekümmert. KI-Forschung braucht enorme Rechenkraft. Dafür stellt Amazon Web Services, eine Tochter von Jeff Bezos' Konzern, "Open AI" Server zur Verfügung.

Was ist künstliche Intelligenz?

Der britische Forscher Alan Turing stellte bereits 1950 die entscheidende Frage: Können Maschinen denken? Seither suchen Forscher eine Antwort. Künstliche Intelligenz ist der Versuch, Maschinen zu bauen, die wie Menschen denken. Doch dafür muss erst einmal abschließend geklärt werden, wie Menschen lernen.

Seit Jahrzehnten wird versucht, Maschinen beizubringen, Menschen Denkaufgaben abzunehmen. Doch mangelnde Rechenkraft führte dazu, dass es lange nur wenig Fortschritte gab. In den vergangenen Jahren hat sich das verändert. Die Rechner sind deutlich schneller und billiger, und die IT-Branche entwickelt die Technologie schnell weiter. Skype übersetzt Gespräche in Echtzeit, Instagram beschreibt Blinden, was auf Bildern zu sehen ist, Facebooks virtueller Assistent soll den Menschen eine Art Butler sein - er braucht allerdings noch Live-Unterstützung von Facebook-Mitarbeitern.

KI-Forscher gehen davon aus, dass Maschinen in der Zukunft denken können wie Menschen. Sie gehen erwarten, dass das binnen wenigen Jahren passieren könnte. Für diesen Fall will "Open AI" gewappnet sein. Allerdings ist völlig unklar, wann Maschinen tatsächlich in einem Maße autonom denken können, dass sie zu mehr befähigt, als Schachspiele oder Quizshows zu gewinnen. Schätzungen reichen von Ende 2035 bis 2100.

Warum wird das "Open-AI"-Zentrum gegründet?

Während unter manchen Forschern und in Konzernen, die künstliche Intelligenz bei ihrer Arbeit einsetzen, die Euphorie über die in jüngster Zeit rasanten Fortschritte bei der Erforschung groß ist, haben sich mehrere bekannte Technologie-Unternehmer und Forscher eher kritisch geäußert. Elon Musk sagte schon vor Längerem über künstliche Intelligenz: "Wenn ich raten müsste, was unsere größte existenzielle Bedrohung ist, dann ist es vermutlich das." Auch Microsoft-Gründer Bill Gates ("Ich verstehe nicht, warum manche Menschen nicht besorgt sind") und Physiker Stephen Hawking ("Künstliche Intelligenz könnte das Ende der Menschheit bedeuten") äußerten sich ähnlich.

Dutzende Forscher haben einen offenen Brief verfasst, in dem es heißt, KI müsst unbedingt "wohlwollend" sein. Forschungsergebnisse dürften nicht missbraucht werden, um beispielsweise autonome Waffensysteme zu bauen.

Maschinen, die schlauer sind als Menschen und gleichzeitig nicht "wohlwollend", das wäre ungünstig. Zumindest für die Menschen.

Google, Facebook und weitere Unternehmen forschen bereits zum Thema künstliche Intelligenz. Wozu braucht es dann noch "Open AI"?

Nicht nur Google und Facebook arbeiten intensiv an der Technologie, auch viele Investoren pumpen Geld in Start-ups, die sich mit KI befassen. Waren es 2010 noch 15 Millionen Dollar, sind es 2014 schon 309 Millionen. Aus Musks Sicht ist das problematisch: Diese Firmen seien an wirtschaftlichen Interessen ausgerichtet, sagt er. Allerdings lässt sich dem entgegnen, dass Firmen wie Facebook und Google Teile ihrer Forschung bereits heute öffentlich verfügbar machen - und auch betonen, dass diese Forschung nur dann möglich ist, wenn sie öffentlich nachgeprüft werden kann. Abgesehen davon sind auch Musk und Thiel nicht mit Menschenfreundlichkeit steinreich geworden sind, sondern indem sie in die vielversprechendsten Zukunftstechnologien investiert haben - so wie heute künstliche Intelligenz eine ist. Und ausgestattet mit ihrem Geld tritt "Open AI" auch in den Wettbewerb mit Facebook und Google um die besten Forscher.

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