Künstliche Intelligenz:Gaspedal her, Gießkanne weg

Was sich die deutschen KI-Experten von den Politikern in Berlin wünschen - und was eher nicht.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

"Künstliche Intelligenz ist wichtiger als die Erfindung von Feuer und Elektrizität", sagte Google-Chef Sundar Pichai Mitte des Jahres. Inzwischen habe auch Bundesregierung und EU-Kommission das Potenzial des maschinellen Lernens erkannt - und den Rückstand der europäischen Unternehmen gegenüber den Konzernen aus den USA und China, die mit viel Schwung, viel Geld und wenig Skrupeln vorangeprescht sind. Anfang Dezember hat die Bundesregierung einen Digitalgipfel in Nürnberg veranstaltet, bei dem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und einige Minister auftraten. Doch die Reaktionen aus der Wirtschaft sind zurückhaltend, die Manager wünschen sich ein entschlosseneres Vorgehen der Politik.

Immerhin nimmt die Regierung nun Geld in die Hand, damit Deutschland nicht zum KI-Entwicklungsland wird. Im Rahmen ihrer sogenannten "KI-Strategie" fördert sie Forscher, Firmen und Start-ups mit drei Milliarden Euro und richtet 100 neue Professoren-Stellen ein. Das klingt gut, ist aber wenig. Zum Vergleich: Allein Audi will in den kommenden vier Jahren 14 Milliarden Euro für Digitalisierung und autonomes Fahren ausgeben. So hält sich die Begeisterung für das Vorgehen der Regierung in Grenzen. "Das ist ein wichtiger erster Schritt", sagt Boschs Technik-Geschäftsführer Michael Bolle, aber jetzt komme es "vor allem auf die schnelle Umsetzung" an. "Dabei darf es keine Gießkannenförderung geben", fordert Bolle. Bundesweit solle es "fünf bis acht große, wirkliche Exzellenz-Zentren" geben, um an vorderster Front an KI zu forschen.

Bernhard Schölkopf, Professor vom Tübinger Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, sieht das ähnlich: 100 neue Professuren seien zwar gut für die Anwendung in der Breite, aber die internationalen Toptalente hole das nicht ins Land. Um weltweit wirklich sichtbar zu sein, sollten eher einige wenige Elite-Zentren eingerichtet werden, die dann auch besser ausgestattet sind.

Wie etwa das sogenannte "Cyber Valley" in Baden-Württemberg. Dieses wurde 2016 von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ins Leben gerufen. Ziel: Rund um die Universität Tübingen und den Industrie-Standort Stuttgart soll ein "Ökosystem" entstehen, das wissenschaftliche Erkenntnisse schnellstmöglich in konkrete Produkte überführt. Da hapert es in Deutschland bisher am meisten; Die Grundlagen-Forschung ist weltweit zwar führend, aber deren Erkenntnisse schaffen zu selten den Sprung zur Industrialisierung. So war es einst beim MP3-Format - in Deutschland entwickelt, aber erst dann in den USA hat diese Innovation viel Geld gebracht.

Damit so etwas nicht in der KI passiert, schlägt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) einen Zusammenschluss europäischer KI-Firmen vor. Altmaier: "Ein einzelnes europäisches Unternehmen - und sei es noch so groß - wird gegen die großen amerikanischen Akteure allein nicht ankommen." Doch bis heute ist keine Kooperation nach dem Vorbild des Flugzeugbauers Airbus in Sicht. Auch die EU-Kommission hat eine KI-Arbeitsgruppe, die über Flaggschiffprojekte diskutiert. Bosch sitzt teilweise mit am Tisch, aber Geschäftsführer Bolle äußert sich sehr zurückhaltend. Er wäre schon zufrieden, wenn die Bundesregierung die Infrastruktur auf den neuesten Stand brächte: "Der Breitbandausbau muss in den nächsten zwei, drei Jahren passieren", fordert er. Nach dem Digitalgipfel habe er zwar den Eindruck, Berlin habe das "verstanden". Aber, so Bolle: "Ob es auch konkret umgesetzt wird, damit wir international wettbewerbsfähige Cluster sehen, wird sich zeigen."

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