KI in der EU:„Alles läuft bei einer Handvoll US-Konzerne zusammen“

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Große Sprachmodelle zu entwickeln und betreiben, benötigt eine enorme Rechenleistung. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Wie kann Europa bei künstlicher Intelligenz mit den USA und China mithalten? Das sei die falsche Frage, sagt die Organisation AI Now. Bevor Europa Hunderte Milliarden in KI stecke, sollte geklärt werden, wer davon profitiert.

Von Simon Hurtz, Berlin

Europäische Suchmaschinen? Irrelevant. Social Media made in Europe? Chancenlos. Cloud-Anbieter und Chip-Hersteller? US-Konzerne dominieren. In den vergangenen Jahrzehnten haben Deutschland und die EU bei vielen digitalen Entwicklungen den Anschluss verpasst. Jetzt treibt Politikerinnen und Start-up-Gründer eine Sorge um: Das darf sich bei einer Zukunftstechnologie wie künstlicher Intelligenz (KI) nicht wiederholen.

„Die EU orientiert sich gerade neu“, sagt Frederike Kaltheuner vom AI Now Institute. „Bislang lag der Fokus auf Regulierung wie dem AI Act, jetzt geht es um Industriepolitik und Investitionen.“ Kaltheuner fürchtet, dass man nicht aus vergangenen Fehlern lernt: „Wenn man sich frühere Investitionsprogramme wie den European Chips Act anschaut, dann wurden Dutzende Milliarden verteilt, ohne das Geld an Bedingungen zu knüpfen.“ Am Ende habe in erster Linie Intel profitiert, ein US-Konzern. Das müsse anders laufen, wenn man europäische KI fördern wolle.

AI Now forscht und veröffentlicht seit 2017 zu KI, im Fokus stehen dabei die gesellschaftlichen Auswirkungen der Technologie. Jetzt hat die Organisation einen neuen Bericht veröffentlicht, der hinterfragt, ob und wie die EU in KI investieren sollte. Mehr als ein Dutzend Forscherinnen und KI-Experten beschreiben darin die Gründe für die Abhängigkeit von den USA und geben Handlungsempfehlungen für die Politik.

Abhängigkeit von den USA

In Brüssel und Berlin fällt oft der Ausdruck „level playing field“. Alle Marktteilnehmer sollen also die gleichen Chancen haben. Der Bericht von AI Now vermittelt den Eindruck, dass dieses Konzept eine Illusion ist. „Manche Politikerinnen und Politiker verstehen nicht, wie der Markt für KI strukturiert ist“, sagt Kaltheuner.

Europäische Start-ups seien auf zwei Ebenen von US-Firmen abhängig. Zum einen liefen die meisten Sprachmodelle auf Servern der sogenannten Hyperscaler, also den dominierenden Cloud-Anbietern Microsoft, Google und Amazon. Zum anderen setzten viele europäische Start-ups auf Chips von Nvidia. „Auf den ersten Blick wirkt der Markt dynamisch, weil es so viele Anbieter und Anwendungen gibt“, sagt Kaltheuner. „Das ist ein Trugschluss. Im Hintergrund läuft alles bei einer Handvoll US-Konzerne zusammen.“

Kaltheuner und ihre Kolleginnen und Kollegen wünschen sich, dass die EU bei ihren Investitionen verstärkt soziale und ökologische Faktoren berücksichtigt. Große Sprachmodelle zu entwickeln und betreiben, benötigt enorme Rechenleistung und damit Energie. Das stehe in direktem Konflikt mit den Klimazielen der EU. In Irland etwa könnten die Rechenzentren der großen Tech-Konzerne bis 2027 rund ein Drittel des Stromverbrauchs des gesamten Landes ausmachen. Das wäre mehr als alle Häuser und Wohnungen zusammen.

Das Wettrennen ist aussichtlos

Auch deshalb empfiehlt AI Now, die Milliardeninvestitionen in KI nicht als Selbstzweck zu sehen. „Ich höre ständig, dass Europa wettbewerbsfähig bleiben muss“, sagt Kaltheuner. „Das klingt gut, ist aber inhaltsleer. In welchem Wettbewerb, mit wem und um was?“

Die Forscher und Expertinnen, die AI Now versammelt hat, halten es für sinnlos, mit den USA um China um die leistungsfähigsten Sprachmodelle zu konkurrieren. Dieses Wettrennen sei ohnehin kaum zu gewinnen. Zunächst müsse man hinterfragen, ob KI wirklich so alternativlos sei, wie es Konzerne und Politik gern darstellen.

„Ständig heißt es, dass KI massiv zu Produktivität, Effizienz und Wirtschaftswachstum beitrage“, sagt Kaltheuner. Doch selbst Investmentbanker und Risikokapitalgeber wie Goldman Sachs und Sequoia Capital warnten mittlerweile vor allzu großem Optimismus. „Bevor wir Hunderte Milliarden in KI stecken, sollten wir uns fragen: Lohnt sich das überhaupt? Wer profitiert davon? Wie können wir sicherstellen, dass das Geld dem Gemeinwohl dient und nicht nur privaten Konzernen?“

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