Süddeutsche Zeitung

Künftiger BP-Chef:Bob Dudley, der kaltblütige Pionier

Der zukünftige BP-Chef Bob Dudley hat schon häufig bewiesen, dass er bei äußeren Turbulenzen einen kühlen Kopf behält. Doch jetzt muss er nicht weniger als eine Herkulesaufgabe bewältigen.

Paul Katzenberger

Es ist eine Thronfolge mit Ansage. Ende Juni sah es für einen Augenblick schon so aus, als ob Bob Dudley zumindest in Amerika der neue Frontmann von BP werden würde. Kurz zuvor hatten die US-Medien BP-Chef Tony Hayward zum "Gesicht der Ölpest" erklärt. Es hatte einfach zu viele Pannen gegeben. Eiligst erklärte der Öl-Gigant BP, dass Hayward das Tagesgeschäft in den USA an Bob Dudley übergebe. Hayward werde hingegen "häufiger zu Hause und dort und hier sein."

Diese Meldung hatte BP damals schnell berichtigt. Nein, Hayward werde weiterhin die Krise am Golf von Mexiko bekämpfen, er bekomme mit Dudley nur einen zweiten Mann an die Seite gestellt, hieß es. Hayward bleibe Herr des Krisenmanagements, Dudley verantworte die langfristige Aufarbeitung der Katastrophe.

Doch dieser Aufgabenteilung war keine lange Dauer beschieden - fünf Wochen später ist nun klar, dass Dudley an Hayward vorbei und damit an die Spitze des BP-Konzernes rückt.

Riesige Bedeutung der USA

Dudleys größtes Plus gegenüber Hayward in der verfahrenen Lage: Er ist Amerikaner. Die Stimme von BP in Amerika wird künftig keinen britischen Akzent haben. In New York geboren, wuchs der inzwischen 54-Jährige im Bundesstaat Mississippi auf. Er kennt die ölverdreckten Strände aus seiner Jugendzeit. Den Austernzüchtern und Garnelenfischern, denen die Ölpest nun das Geschäft verdirbt, kann er daher von Südstaatler zu Südstaatler entgegentreten - ein echter Vorteil.

Ganz unabhängig von der Katastrophe im Golf von Mexiko belegt Dudleys Berufung auch die Bedeutung der USA für BP: Circa ein Drittel der Öl- und Gasquellen, Raffinerien und der anderen Konzernaktivitäten befinden sich in den Vereinigten Staaten. 40 Prozent der BP-Aktionäre sind Amerikaner. Die Ölpest in den USA war daher wohl das einzig bislang fehlende Argument, erstmals in der Konzerngeschichte einen Nicht-Briten zum obersten Konzernlenker zu bestimmen.

Mit der Benennung Dudleys signalisiert BP zudem, dass die Katastrophe im Golf von Mexiko die Agenda des Konzerns wohl noch lange bestimmen wird. Zwar sprudelt am Bohrloch der Deepwater Horizon kein Öl mehr ins Meer, doch mit den Konsequenzen dieses Unfalls wird sich BP noch lange herumschlagen müssen: Milliardenschwere Schadenersatzforderungen werden zu bewältigen sein, strafrechtliche Konsequenzen sind nicht auszuschließen und mit strengeren Auflagen für Tiefseebohrungen ist zu rechnen.

Überzeugungsarbeit gefragt

Dudley verfügt über jahrzehntelange Erfahrung im Ölgeschäft. Der Chemie-Ingenieur mit MBA arbeitete zuvor für Amoco, bevor der US-Konzern mit BP fusionierte. Vor etwa einem Jahr wurde Dudley schließlich geschäftsführender Direktor, nachdem er zuvor etliche Krisen für BP rund um den Globus gemanagt hatte. Seine Missionen brachten ihn unter anderem nach China, Angola, Algerien und Ägypten. In Russland führte er die Tochtergesellschaft TNK-BP, die für den britischen Konzern aufgrund ihrer hohen Ölreserven von entscheidender Bedeutung ist.

Im Streit mit den russischen Anteilseignern des Gemeinschaftsunternehmens erlebte Dudley auch Bizarres: Es kam zu Razzien in BP-Geschäftsräumen durch russische Behörden, Mitarbeiter erhielten keine Arbeitspapiere, und sogar er selbst musste für einige Tage untertauchen. Die wüste Auseinandersetzung führte schließlich zu einer De-facto-Ausweisung des Managers, der für BP in Russland aber einen hervorragenden Job erledigt hatte: TNK-BP hatte in seiner Ära die Produktion um 26 Prozent gesteigert.

Dudley gilt außerdem als guter Diplomat - eine Stärke, die BP-Chef Hayward nicht zeigte. "Wir verstehen den Ärger der Menschen, besonders wenn ihr Leben nun davon betroffen ist", sagte Dudley kürzlich dem US-Fernsehsender ABC.

Seine Qualitäten wird der Amerikaner brauchen. An ihm wird es liegen, die Amerikaner von Präsident Obama bis zu jedem arbeitslosen Fischer im Golf von der Vertrauenswürdigkeit BPs zu überzeugen. Dudley muss signalisieren, dass BP für den Schaden in Gänze aufkommen wird und künftig neue Sicherheitsstandards bei Tiefseebohrungen setzen wird.

Ein kühler Kopf

Bislang bekommt Dudley aus Amerika Vorschusslorbeeren. "Er kann einen kühlen Kopf bewahren, er ist ruhig und gefasst", sagte Kenneth Feinberg, der den 20-Milliarden-Fonds verwaltet, den BP für die Bereinigung des Schadens eingerichtet hat.

Dudley kann sich zudem darauf berufen, dass er für keine der Katastrophen Verantwortung trug, mit denen BP in den vergangenen Jahren konfrontiert war. Weder die Explosion einer Raffinerie in Texas, noch die Pipeline-Probleme in Alaska oder der Untergang der Deepwater Horizon sind ihm anzulasten. "Im Grunde ist er ein Kerl mit einer reinen Weste", sagte der Öl-Analayst Fadel Gheit von Oppenheimer & Company der New York Times.

Neben seinen Qualitäten als Außenminister des Konzerns, die Dudley in der Vergangenheit immer wieder bewiesen hat, wird er allerdings auch nach innen große Umwälzungen anstoßen müssen. "Das Unternehmen muss einen neuen Kurs bestimmen und das Vertrauen sowohl nach außen als auch innerhalb der Organisation wieder herstellen, sagte der Branchenkenner Daniel Yergin der New York Times. "In Russland hat er in einem sehr schwierigen Umfeld gearbeitet und demonstriert, dass er dabei fokussiert bleiben kann. Er ist sehr beständig und weiß, wie er gemeinsam mit den unterschiedlichsten Leuten eine Aufgabe bewältigen kann.

Zu erwarten ist, dass Dudley BP ruhig und kontinuierlich verändern wird. Schritt für Schritt.

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