Kündigungsschutz:Bundesgerichtshof stärkt Rechte der Mieter

Bundesgerichtshof Mieter Kündigungsschutz

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat zugunsten der Mieter entschieden.

(Foto: dpa)
  • Städte haben bei Wohnungsverkäufen oft eine sogenannte Sozialcharta vereinbart. Damit sollen Mieter vor höheren Kosten oder Kündigungen geschützt werden.
  • Umstritten war bisher, ob diese Art des Mieterschutzes auch vor Gericht durchsetzbar ist.
  • Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden: Mieter können sich direkt auf solche Klauseln berufen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Mieterhöhung, Modernisierung, Kündigung: Wenn kommunale Wohnungen an einen Investor verkauft werden, dann fürchten Mieter, dass künftig ein schärferer Wind weht. Bei solchen Verkäufen, wie sie um das Jahr 2005 wegen der damals noch verbreiteten Wohnungsleerstände häufiger vorkamen, vereinbarten die Städte deshalb häufig eine sogenannte Sozialcharta. Umstritten war bisher, was diese Form des Mieterschutzes vor Gericht wert ist. Der Bundesgerichtshof hat nun Klarheit geschaffen: Mieter können sich direkt auf solche Klauseln berufen, auch wenn sie nur im Kaufvertrag zwischen Kommune und Investor stehen - und nicht im Mietvertrag selbst.

Geklagt hatte ein Geschwisterpaar, das eine Immobilie in Bochum gekauft hatte und selbst im ersten Stock eingezogen war. Die Kläger hatten ihren Mietern gekündigt - einem gesundheitlich schwer angeschlagenen ehemaligen Bergarbeiter und seiner Frau, die seit 1981 im Erdgeschoss wohnen. Die Wohnung liegt in einer Siedlung, die die Stadt Bochum in den 1970er Jahren von einem Bergwerksverein erworben hatte. Die Bergleute genossen lebenslanges Wohnrecht, so stand es sogar im Bergmann-Versorgungsschein des Mieters - und genau dies vereinbarte die Stadt auch mit den Käufern der Wohnungen. Allerdings stand die Schutzklausel nur im Kaufvertrag, an dem der Mieter nun mal nicht selbst beteiligt ist. "Eine suboptimale Lösung", räumte der Mieter-Anwalt Peter Baukelmann in der BGH-Verhandlung ein. "Besser wäre es gewesen, die Regelung in den Mietvertrag aufzunehmen."

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs können sich Mieter nun aber auch direkt auf solche Klauseln berufen. "Die Stadt Bochum hat alles Erdenkliche getan, um den Mietern ein lebenslanges Wohnrecht zu sichern", sagte die Senatsvorsitzende Karin Milger bei der Urteilsverkündung. Kündigungen wegen Eigenbedarfs oder zur angemessenen wirtschaftlichen Verwertung sollten demnach ausgeschlossen sein. Zulässig blieb die Kündigung aus "wichtigem Grund" - dafür muss sich aber ein Mieter einiges zu Schulden kommen lassen. Laut BGH ist dies ein sogenannter "Vertrag zugunsten Dritter", der auch demjenigen einen unmittelbaren Anspruch verschafft, um den es eigentlich geht - dem Mieter.

Mehr als eine halbe Million Wohnungen wurden verkauft

Wichtig ist dieses Urteil beim großflächigen Verkauf kommunaler Wohnungen, wie er bis vor einigen Jahren noch üblich war. Zwischen 1999 und 2011 hat die öffentliche Hand ihren Wohnungsbestand um etwa 550 000 Wohnungen reduziert, das entspricht 17 Prozent. Ein bekanntes Beispiel war Dresden im Jahr 2006 - rund 48 000 Wohnungen der kommunalen WOBA wurden an den zum amerikanischen Investor Fortress gehörenden Immobilienkonzern Gagfah verkauft. Der Deal war heftig umstritten. Damals wurde im Kaufvertrag ein lebenslanges Wohnrecht für über 60-Jährige vereinbart, zudem ein zehnjähriger Kündigungsschutz sowie weitere Klauseln zugunsten der Mieter.

Auch für andere Verkäufe aus jenen Jahren könnte das Urteil relevant sein, möglicherweise bis heute. 2004 verkaufte die Berliner Wohnungsbaugesellschaft GSW beispielsweise rund 65 000 Wohnungen an amerikanische Fondsgesellschaften. Und 2012 veräußerte die baden-württembergische Landesbank LBBW 21 500 Wohnungen an die Immobiliengesellschaft Süwedo. Auch da wurde übrigens vor Gericht um Mieterhöhungen und die Geltung einer Sozialcharta verhandelt. Wie stark der Mieterschutz dann wirklich ist, hängt freilich immer von der genauen Formulierung solcher Klauseln ab. Mitunter wurde der Mieterschutz auch direkt in den Mietverträgen verankert, wie bei der Privatisierung von rund 11 000 Wohnungen der Treuhandnachfolgerin TLG, die vor sechs Jahren an den Hamburger TAG-Konzern gingen.

Inzwischen ist die Verkaufslust der Kommunen deutlich gebremst. Vor allem deshalb, weil man fürchtet, ohne kommunalen Wohnungsbestand kein Gestaltungsmittel mehr für den sozialen Umgang mit dem angespannten Immobilienmarkt zu haben. Bundesweit verfügen die kommunalen Wohnungsgesellschaften derzeit über 2,3 Millionen Wohnungen, heißt es in einer Studie der Deutschen Wirtschaft vom Frühjahr. Dort steht freilich auch, dass der Verkauf der Bestände auch heute noch eine gute Idee sein könnte: Weil derzeit die Preise hoch seien, könnten sich manche Kommunen dadurch auf einen Schlag schuldenfrei machen und Spielraum für andere Investitionen gewinnen.

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