Kündigungen:Wie Chefs unkündbaren Mitarbeitern Fallen stellen

Alkohol am Arbeitsplatz: Wegsehen ist die falsche Devise

Alkohol ist am Arbeitsplatz vielerorts verboten - und kann zum Kündigungsgrund werden.

(Foto: picture alliance / dpa-tmn)

Eingeschleuste Mitarbeiter sollen erst das Vertrauen der Angestellten gewinnen - und dann einen Kündigungsgrund liefern.

Von Nicolas Richter, Antonius Kempmann, Jasmin Klofta, Reiko Pinkert und Uwe Ritzer

In all den Jahren als Privatdetektiv hat er immer wechselnde Rollen gespielt und dabei gelernt, dass Lügen eine aufwendige Sache ist. "Eine falsche Identität braucht Vorbereitung", sagt er, "jede Lüge wird nur glaubhaft durch Details."

Im Januar 2012 soll der Detektiv in einer Seniorenresidenz in Bad Nauheim aushelfen. Er bereitet sich vor, indem er bei Youtube Videos über Altenpflege ansieht. Ende Januar dann Nachtschicht, mit der Altenpflegerin Ernestine Cornella und deren Kollegin. Nachts um kurz vor halb zwei, als die Pause naht, stellt er Sekt, Tequila und Gläser auf den Tisch. Alkohol ist hier verboten.

In diesem Augenblick erscheint völlig unvermittelt die Leiterin des Pflegeheims mit mehreren Begleitern. Kontrollbesuch, weit nach Mitternacht. Was der Tequila da suche, soll die Chefin gefragt haben. So, wie es aussieht, hat sie ihre Angestellte Cornella mit Alkohol erwischt. Sie schickt den falschen Pfleger nach Hause und bestellt Cornella für den nächsten Tag ein.

Der Detektiv hat ihr eine Falle gestellt. Womöglich im Auftrag ihres Arbeitgebers. Der Tequila-Trick sollte ihren Rauswurf ermöglichen, sie wenigstens aus dem Betriebsrat entfernen.

Der Anwalt ist darauf spezialisiert, Unkündbare doch kündbar zu machen

Der Detektiv arbeitete solche Aufträge damals routiniert ab. Er lebt davon, andere bloßzustellen: Immer wieder lässt er sich als angeblicher Praktikant oder Leiharbeiter in Firmen einschleusen, missbraucht das Vertrauen der Belegschaft, um sie zu bespitzeln. Er sammelt Material, am besten hat es mit Sex, Drogen oder Gewalt zu tun; er verfolgt Zielpersonen mit einem Peilsender an deren Auto. Manchmal lockt er seine Opfer in Fallen oder erfindet Vorwürfe, damit Chefs unerwünschte Mitarbeiter feuern können.

Dieses Geschäft hat der Detektiv inzwischen hinter sich gelassen. Er bereut, was er getan hat, und er möchte jetzt seine Erlebnisse mit der Öffentlichkeit teilen. Aktionen wie die im Seniorenheim habe er sich nicht allein ausgedacht. Es gab Besprechungen mit den Firmenchefs und dem Chef der Detektei. In Runden dieser Art lernte er auch den Arbeitsrechtsanwalt Helmut Naujoks kennen.

Naujoks vertritt nur Arbeitgeber und ist darauf spezialisiert, gegen jene vorzugehen, die als unkündbar gelten, vor allem Betriebsräte, und besonders die, wie es Naujoks nennt, die ihre "Macht missbrauchen". Naujoks hat darüber Bücher geschrieben, "Kündigung von 'Unkündbaren'", "Schwarzbuch Betriebsrat".

Unter Betriebsräten und Gewerkschaftern hat Naujoks etliche Feinde, sie nennen ihn "Rausschmeißer" oder "brutalen Betriebsratskiller". Aus ihrer Sicht fällt Naujoks weniger durch juristische Raffinesse auf als dadurch, andere zu zermürben. Wenn Naujoks angegriffen wird, beteuert er, er halte sich an die Gesetze, und das letzte Wort habe ja ohnehin nicht er, sondern der Arbeitsrichter.

Naujoks hat von den zweifelhaften Methoden des Detektivs profitiert

Nun packt der Detektiv aus, zum ersten Mal also jemand, der an denselben Fällen gearbeitet hat wie Naujoks. Mehrmals hatten sie denselben Auftraggeber. Der Detektiv, der ungenannt bleiben möchte, forschte die Angestellten aus, um Kündigungsgründe zu finden oder zu erfinden. Naujoks beriet das Unternehmen, fertigte aus dem Material des Detektivs auch mal einen juristischen Schriftsatz.

Unterlagen, die Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR vorliegen, belegen, dass der Detektiv und Naujoks in mindestens zwei Fälle gleichzeitig involviert waren, bei denen Vorwürfe gegen Betriebsräte mutmaßlich erfunden oder aufgebauscht wurden. Dem Detektiv zufolge sei Naujoks in diese Machenschaften eingeweiht gewesen. Das bestreitet Naujoks. Es bleibt aber der Verdacht, dass der umstrittene Anwalt von den höchst zweifelhaften Methoden des Detektivs zumindest profitiert hat.

Die Unterlagen legen zum Beispiel nahe, dass Naujoks mit dem Fall des Seniorenheims zu tun hatte: Nach der vermeintlichen Alkoholnacht hat ihm die Geschäftsführerin mehrere E-Mails mit Details über den Vorfall geschickt. Dem Detektiv zufolge soll Naujoks auch an der vorbereitenden Sitzung in einem Frankfurter Hotel teilgenommen und dort mit dem Detektiv und der Heimleiterin über die Idee einer Alkoholfalle diskutiert haben. In solchen Runden, sagt der Detektiv, habe Naujoks' Wort besonderes Gewicht gehabt, denn nur er habe gewusst, was genau man vor Gericht für ein Verfahren brauchen konnte und was nicht. Naujoks selbst will sich auf Anfrage nicht äußern. Sein Anwalt erklärt, Naujoks habe nie wissentlich daran mitgewirkt, mit rechtswidrig provozierten oder vorsätzlich unwahren Sachverhalten Kündigungen durchzusetzen.

Für Ernestine Cornella hatte der Vorfall böse Folgen. Und gegen den Betriebsratschef einer anderen Firma konstruierte der Detektiv einen Vorwurf, der sogar noch perfider war.

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