Kündigung unliebsamer Mitarbeiter:Fertiggemacht vom eigenen Chef

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In den meisten Firmen funktioniert der Umgang zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dennoch scheint der Kampf gegen unbequeme Arbeitnehmervertreter generell in Mode zu kommen. (Foto: dpa)
  • Fallen, Gerüchte, Lügen: Detektive und Anwälte gehen mit teils rüden Methoden gegen Betriebsräte und missliebige Mitarbeiter vor.
  • Das Problem wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, weil sich die Betroffen selten wehren.
  • Gewerkschafter machen zudem einen beunruhigenden Trend aus: Es gibt immer mehr Anbieter, die mit solchen Methoden arbeiten.

Von Uwe Ritzer

Den Verdacht, dass Provokateure am Werk waren, hegte Stefan Schneider von Anfang an. Nur Beweise dafür hatte er keine. Nicht vorstellen konnte sich der Fachanwalt für Arbeitsrecht jedoch, "dass es in Deutschland einen Markt für solch zweifelhafte Dienstleister wie professionelle Lügner und Fallensteller gibt".

Nun aber, fünf Jahre nachdem Schneider in Bad Nauheim Betriebsrätinnen eines Seniorenheims gegen ihren Arbeitgeber vertreten hatte, stellte sich genau das heraus: Seine Mandantinnen waren Opfer von Detektiven, die ihnen am Arbeitsplatz Fallen stellten, um vermeintliches Belastungsmaterial gegen sie zu sammeln, mit dem ihr Arbeitgeber sie loswerden wollte. Das Heim schweigt sich dazu bis heute aus.

Ein besonders krasser Einzelfall? Ja und nein. Zweifellos funktioniert in den meisten Firmen der Umgang zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Konflikte werden zwar manchmal ausgetragen, am Ende aber rauft man sich zum Wohle aller wieder zusammen. Aber es ist eben nicht überall so. Und auch wenn zweifellos nicht jeder Betriebsrat immer ehrlich, fair und korrekt spielt, scheint der Kampf gegen unbequeme Arbeitnehmervertreter generell in Mode zu kommen.

"Weitgehende Entsolidarisierung im Arbeitsleben"

Darauf deutet hin, dass allein der Detektiv, der im Gespräch mit Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR über sein jahrelanges Treiben auspackte, seine fragwürdigen Dienste nicht nur in einem Pflegeheim, sondern in mehr als einem Dutzend Unternehmen leistete. Auf Geheiß ihrer Arbeitgeber wurden arglose Beschäftigte bespitzelt, heimlich gefilmt und fotografiert, selbst im Privatbereich ausgeforscht und dafür gerne mal Peilsender an ihre Autos geklebt. "Abschusslisten" wurden so abgearbeitet und "Abschussprämien" kassiert.

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Wenn nötig, wurden Straftaten erfunden und Unschuldigen angehängt. Im Altenheim-Fall schlug ein Detektiv dem anderen absichtlich und heftig ins Gesicht, um die Verletzungen anschließend einer angeblich gewalttätigen Altenpflegerin in die Schuhe zu schieben.

Dergleichen Methoden passen nicht ins Bild der heilen Arbeitswelt im Wirtschaftswunderland. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten jagt von Rekord zu Rekord, es gibt so viele offene Stellen wie selten zuvor und immer weniger Erwerbslose. In manchen Regionen herrscht sogar Vollbeschäftigung. Der Arbeitsmarkt, sagen Experten, habe sich gewandelt. Nicht mehr Arbeitgeber diktieren in vielen Regionen und Branchen die Bedingungen, sondern Arbeitnehmer. Denn vor allem gut ausgebildete Fachkräfte können sich aussuchen, wo und wie sie arbeiten.

Hinter alldem jedoch leben und arbeiten viele Menschen, deren Arbeitswirklichkeit die breite Öffentlichkeit nicht auf dem Schirm hat. "Vieles was an Unrecht vor allem im Niedrig- und Niedrigstlohnbereich geschieht, kommt nicht ans Tageslicht", sagt Jens Peter Hjort, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. "Weil die Betroffenen sich scheuen, einen Anwalt einzuschalten oder die Presse zu informieren."

Ein Teil davon landet immerhin bei Initiativen wie jener in der Luxemburger Straße 176 in Köln. In einer ehemaligen Metzgerei hat die Aktion Arbeitsunrecht hier ihr Büro eingerichtet. Etwa 300 Mitglieder zählt der Verein, und Elmar Wigand ist einer der Vorstände. Regelmäßig macht die Aktion (Wigand: "Wir sind radikale Bürgerrechtler") auf das Schicksal von Arbeitnehmern aufmerksam, die teilweise auch vom Radar der Gewerkschaften verschwunden sind.

Reinigungskräfte etwa, die für Sub- oder gar Sub-Sub-Unternehmer in Luxushotels arbeiten. Oder Akkordarbeiter, die nur scheinbar für den gesetzlichen Mindestlohn in Fleischfabriken schuften. Wenn Discounter Billigstfleisch anbieten, wird zwar das Schicksal der Tiere und der Landwirte thematisiert, jedoch kaum das osteuropäischer Leiharbeiter in den Zerlegebetrieben, die zig Überstunden leisten, denen dann aber hohe "Mieten" für Mehrbettzimmer und allerhand anderes abgezogen wird. So dass am Ende nur sehr wenig übrig bleibt, so sie nicht komplett um ihren Lohn geprellt werden.

Es gebe einen fatalen Trend, sagt Wigand. "Kernbelegschaften werden immer mehr abgeschmolzen und die Beschäftigten in Subunternehmen ausgegliedert. Je weiter ein Arbeitnehmer in der Nahrungskette aber von der Kernbelegschaft entfernt ist, desto schwieriger ist seine Situation." Auch Gewerkschaften, kritisiert der Aktivist, hätten da "ein Wahrnehmungsproblem". Sie seien "stolz, wenn sie Lohnsteigerungen für Kernbelegschaften aushandeln. Das ist aber nur die beleuchtete Seite des Mondes. Die dunkle sind die Beschäftigten in den Subunternehmen."

Selten nur gibt es in solchen Firmen funktionierende Betriebsräte. Doch auch Arbeitnehmervertretungen schützen nicht per se vor fragwürdigen Methoden. Vor allem dann nicht, wenn Arbeitgeber betriebliche Auseinandersetzungen als eine Art Krieg begreifen. Solche Konflikte treiben bisweilen kuriose Blüten, etwa im Jahr 2016 bei der Firma Dura im Sauerland, die kurzerhand 280 portugiesische Leiharbeiter für Wochenendschichten einfliegen ließ, weil die Stammbelegschaft Überstunden an Bedingungen knüpfte.

Viel mehr Anwälte, die gegen Arbeitnehmer arbeiten

Wenn Arbeitgeber ihre Interessen gegen die Belegschaft durchsetzen wollen, spielt Geld scheinbar keine Rolle. Firmen, die sich ansonsten strikte Sparkurse verordnen, geben dann für Detektive schon mal fünf- oder sechsstellige Summen aus. Gut verdienen an solchen Konflikten ebenso beteiligte Rechtsanwälte. Auch ihre Methoden sind wenig zimperlich. Als bekanntester Hardliner unter Arbeitgeber-Anwälten gilt Helmut Naujoks.

Der Detektiv behauptet, Naujoks sei in zahlreiche seiner fragwürdigen Aktionen eingebunden gewesen, was der Anwalt jedoch energisch bestreitet. Seine zahlreichen Kritiker nennen Naujoks wahlweise Rausschmeißer oder Betriebsratsfresser. Kein anderer wirbt so offensiv damit, dass er ganz genau weiß, wie man scheinbar Unkündbare aus Betrieben kegeln kann.

"Naujoks ist der radikalste und brutalste von allen", sagt Hans-Martin Wischnath, der für den DGB-Rechtsschutz seit dreieinhalb Jahrzehnten Arbeitnehmerinteressen vertritt. "Aber er ist längst nicht mehr der einzige." In den letzten Jahren sei die Zahl jener Arbeitsrechtsanwälte spürbar angestiegen, "die zwar seriöser wirken als Naujoks, aber mit ähnlichen oder denselben Methoden arbeiten". Selbst große, namhafte Kanzleien würden sich "ein, zwei Leute fürs ganz Grobe leisten", sagt Wischnath.

Juristisch sei die Dampfhammermethode speziell gegen Betriebsräte verhältnismäßig selten erfolgreich, sagt der Gewerkschafter. Schlimmer sei, dass zum Werkzeugkasten dieser Anwälte Einschüchterung gehöre: Immer neue Kündigungen und Schadenersatzklagen mit Phantasiesummen, bevorzugt an die Privatadressen der Betroffenen zugestellt, zielen nicht auf einen Erfolg vor Gericht. Sondern darauf, dass die Opfer zermürbt aufgeben.

Das Zauberwort heißt Union Busting, der Kampf gegen Betriebsräte, der in den USA Tradition hat, in der auf Tarifpartnerschaft und Mitbestimmung angelegten deutschen Arbeitskultur aber lange keinen Nährboden zu finden schien. Das scheint sich zu ändern, schleichend. Begünstigt womöglich auch durch das Verhalten der Arbeitnehmer selbst. "Ein zentrales Problem ist die weitgehende Entsolidarisierung im Arbeitsleben", sagt Anwalt Hjort, der auch Leiter des Arbeitskreises Arbeitsrecht in der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen ist. "Viele sind nicht mehr bereit, für Kollegen - insbesondere auch nicht für schwächere - einzustehen."

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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