Süddeutsche Zeitung

Eierproduktion:Ende des Kükensterbens in Sicht

Mit dem massenhaften Töten männlicher Nachkommen von Legehennen soll im neuen Jahr Schluss sein - eigentlich. Tatsächlich wird es wohl Jahre dauern, bis das Verbot durchgesetzt ist.

Von Silvia Liebrich

Die Lohmann Brown-Classic könnte man wohl als Millionenseller bezeichnen. Zumindest in Europa ist sie die meistverkaufte ihrer Art. Nur dass es sich bei der Brown-Classic nicht etwa um eine Kaffeemaschine handelt, sondern um ein Tier, genauer gesagt: eine Turbo-Legehenne. "Auf europäischen Geflügelhöfen ist es der meist verbreitete Legehennentyp für die Eierproduktion", heißt es auf der Homepage des Züchters, der Lohmann Deutschland Junghennen GmbH. 311 bis 316 Eier liefert eine Henne laut Prospekt in zwölf Monaten, ein Spitzenwert in der Eierproduktion.

Trotzdem könnten die Tage der Brown-Classic gezählt sein - und das hat mit den männlichen Küken dieser Rasse zu tun. Sie werden massenhaft getötet, weil sie kaum Fleisch ansetzen - ein Ergebnis von vielen Jahrzehnten einseitiger Zucht. Allein in Deutschland schlüpfen so pro Jahr mehr als 40 Millionen männliche Küken, um gleich darauf zu sterben.

Mit dem Töten der männlichen Küken in der Legehennenhaltung soll nun ab diesem Samstag Schluss sein. Nach jahrelangen Diskussionen greift zum 1. Januar 2022 ein Verbot. Doch es werden wohl noch Jahre vergehen, bis dieses hierzulande in Gänze umgesetzt ist. Die Halter sollen Zeit bekommen, sich umzustellen bis 2024.

Neue Verfahren können künftig dabei helfen, das Geschlecht schon im Ei zu erkennen, sodass Eier mit männlichen Küken gar nicht erst ausgebrütet werden. Eine andere, einfachere Lösung besteht darin, Hühnerrassen einzusetzen, bei denen sowohl männliche als auch weibliche Tiere wirtschaftlich nutzbar sind. Im Handel werden solche Eier schon seit Längerem angeboten, bei Rewe etwa unter der Warenbezeichnung "Spitz & Bube" oder bei Aldi als "Henne & Hahn". Verbraucher müssen dafür etwas mehr Geld ausgeben. Was unter anderem daran liegt, dass Hennen dieser Rassen 20 bis 50 Prozent weniger Eier legen als etwa die Brown-Classic.

Die Branche warnt unterdessen vor Schwierigkeiten. Der Bundesverband Ei etwa klagt, dass die Technologien für die Geschlechtserkennung im Ei teuer und noch nicht ausgereift seien. Zudem zeichne sich schon jetzt ab, dass bei verarbeiteter Ware mehr billige Eier aus dem Ausland verwendet würden. "Der komplette Markt für Eier, Kuchen und so weiter bricht derzeit für deutsche Legehennenhalter weg", sagte der Vorsitzende des Bundesverbands Ei, Henner Schönecke, diese Woche der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Beim Deutschen Tierschutzbund hält man das Verbot für überfällig, ist aber dennoch nicht zufrieden. Dessen Präsident Thomas Schröder verweist auf Lücken im Gesetz. Den meisten Verbrauchern sei nicht bewusst, dass auch für Eier, die der Handel schon mit der Angabe "ohne Kükentöten" vermarktet, bis 2024 noch schmerzempfindliche Embryonen getötet würden. Zudem sei das Grundproblem nicht vom Tisch: "der Wahnsinn der Hochleistungszucht, der Effizienzdruck auf Kosten der Tiere". Die neue Regierung müsse deshalb schnell eine Gesamtstrategie erarbeiten und die Förderung gesünderer und robusterer Hühnerrassen vorantreiben, fordert Schröder.

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