Küken:Flauschiges Gemetzel

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Küken in einer Geflügelmast: Millionen von ihnen enden qualvoll. (Foto: Marc Müller/dpa)

Millionen Küken werden Jahr für Jahr geschreddert oder vergast. Berlin fordert nun ein Ende des Gemetzels ab 2017. Ob es aber so kommt, ist unsicher.

Von Markus Balser, Berlin

Die Qualen sind groß - millionenfach. In deutschen Ställen spielt sich täglich eines der ganz düsteren Kapitel der Landwirtschaft ab: Weil bei der Zucht und Haltung von Legehennen kein Bedarf an männlichen Nachkommen besteht und die Tiere auch für die Mast nicht geeignet sind, werden männliche Küken nach dem Schlüpfen aussortiert und massenhaft getötet. Die flauschigen Jungtiere landen entweder im Schredder oder sie werden mit Kohlendioxid vergast. So verlieren nach jüngsten Angaben in Deutschland jährlich 45 Millionen Küken ihr Leben. Schon seit Jahren fordern Tierschützer ein Verbot dieser Praxis - bislang vergeblich. Jetzt will auch die Bundesregierung diese Praxis beenden. Allerdings nicht mit einem neuen Gesetzt. Sie vertraut darauf, dass eine neue Technik gefunden wird, mit der männliche Küken bereits vor dem Schlüpfen erkannt und die Eier vernichtet werden. Um deren Entwicklung zu forcieren, stellte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt am Donnerstag einen neuen Vorstoß vor. Für die Weiterentwicklung der entsprechenden Methode sicherte er einem Forschungsverbund der Universität Leipzig 1,17 Millionen Euro an zusätzlichen Fördergeldern zu. "Mein Ziel ist es, dass das Kükenschreddern 2017 aufhört", kündigte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) an.

Doch ob das gelingt, ist längst nicht sicher. Denn die Forscher um die Leipziger Professorin Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns sind von einer Lösung noch ein gutes Stück entfernt. Bisher werden Küken in den Brütereien erst nach dem Schlüpfen von Hand sortiert. Geht der Plan der Uni auf, sollen Eier künftig in modernen Geräten schon drei Tage nach dem Legen untersucht werden. Ein Laser soll dann ein winziges Loch in die Schale schneiden. So sollen Blutzellen analysiert und das Geschlecht des heranwachsenden Kükens bestimmt werden. Männliche Küken könnten so aussortiert werden, bevor die Tiere Schmerzempfinden entwickeln können. Die aussortierten, nur kurz bebrüteten Eier können dann als Proteinlieferanten eingesetzt werden, etwa als Fischfutter. Die Forschungsphase hat das Projekt inzwischen hinter sich. Jetzt soll die Umsetzung mit Geräten folgen, die in zwei Jahren in deutschen Ställen stehen können.

Der Streit um die Methode ist damit aber noch lange nicht zu Ende. Es gebe für die Brütereien künftig keine Rechtfertigung mehr, männliche Küken auszubrüten und zu töten, sagte Schmidt. Härtere Gesetze lehnte er dagegen erneut ab. "Ein Verbot ohne Alternative würde die Kükentötung lediglich ins Ausland verlagern", sagte der CSU-Politiker. Doch der Opposition reicht der Vorstoß nicht aus. Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, bezeichnete Schmidts Vorhaben als "faules Ei".

Er sprach sich für ein verbindliches Ausstiegsdatum aus dem Kükenschreddern per Tierschutzgesetz aus. Schon heute sei schließlich die Geschlechtserkennung im Ei möglich. "Sie ist nur teurer als das Kükenschreddern." Für härtere Tierschutzvorgaben per Gesetz will sich nun am Freitag auch das Bundesland Nordrhein-Westfalen im Bundesrat einsetzen.

Die Landesregierung strebt eine Änderung des Tierschutzgesetzes an, nach der es ab dem 1. Juni 2017 verboten wäre, "ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund, insbesondere zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile" zu töten. Nordrhein-Westfalen hatte das Kükenschreddern bereits per Erlass verboten. Der wurde jedoch vom Verwaltungsgericht Minden wieder kassiert. Daher sei jetzt der Bundesgesetzgeber in der Pflicht, sagte die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Angelica Schwall-Düren (SPD) am Donnerstag in Berlin.

Dass es insgesamt in der Tierhaltung nicht so weitergehen kann wie bisher, hatte ein Beratergremium des Bundesagrarministeriums bereits im Frühjahr klargestellt - und tief greifende Änderungen in Deutschland angemahnt: Die Bedingungen, unter denen ein Großteil der Tiere gehalten wird, seien "nicht zukunftsfähig", erklärte das Gremium. Der Druck auf die Branche wächst. Die Bundesregierung forderte die Geflügelwirtschaft am Donnerstag auch auf, das ebenfalls umstrittene Schnäbelkürzen bei Legehennen und Mastputen zu beenden. Vertreter der Branche und Minister Schmidt unterzeichneten am Donnerstag eine entsprechende freiwillige Vereinbarung, die ab 1. August 2016 gilt.

Zu den Unterzeichnern zählen der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft, der Bundesverband Deutsches Ei und der Verband Deutscher Putenerzeuger.

Ausnahmen sollen nach Angaben der Produzenten allerdings auch nach dem Stichtag möglich bleiben, etwa bei Kannibalismus unter den Hühnern.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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