Krieg in der Ukraine:Wie Russland mit Kryptowährungen Sanktionen umgehen könnte

Krieg in der Ukraine: Das Generieren von Bitcoin braucht enorm viel Energie. Russisches Erdgas zu verbrennen, könnte genau diese Energie liefern.

Das Generieren von Bitcoin braucht enorm viel Energie. Russisches Erdgas zu verbrennen, könnte genau diese Energie liefern.

(Foto: Alexander Ryumin/imago/Itar-Tass)

Mit der Krypto-Technologie entstehen Zahlungssysteme, die das westliche Bankensystem nicht kontrollieren kann. Was das für den Handel und künftige Transaktionen bedeutet.

Von Philipp Bovermann

Es war ungewöhnlich still in der selten stillen Kryptoszene, als die Kurse wichtiger Kryptowährungen am Montag einen Sprung machten. Der Bitcoin war plötzlich rund zehn Prozent mehr wert - am Tag nachdem die Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Kraft getreten waren. Die Anleger scheinen auf ein Szenario zu wetten, vor dem schon im Oktober das US-Finanzministerium gewarnt hat, nämlich dass Kryptowährungen eine immer größere Bedrohung für die Wirksamkeit westlicher Sanktionen darstellten. Weniger Dollar-Zahlungsverkehr, mehr Bitcoin, so die Logik. Könnten Kryptowährungen tatsächlich dazu dienen, Russland alternative Zahlungskanäle außerhalb des Zugriffs westlicher Regierungen zu eröffnen?

Genau darin, von Regierungen unabhängige Geldsysteme zu schaffen, liegt schließlich das Versprechen der Kryptowährungen, offenbar auch in Kriegszeiten. Der ukrainische Vizepremier Mychailo Fedorow nötigte die Kryptobörsen zu entsprechenden Bekenntnissen, als er sie am Sonntag in einem Tweet dazu aufforderte, die Geschäfte mit russischen Kunden zu beenden. Binance, die weltweit führende Kryptobörse, entgegnete gegenüber CNBC, Krypto sei dazu gedacht, "eine größere finanzielle Freiheit zu ermöglichen. Den Menschen einseitig den Zugang zu ihren Kryptovermögen zu verwehren, würde dem Sinn davon, dass es Krypto überhaupt gibt, vollkommen widersprechen". Andere Börsen äußerten sich ähnlich. Sie betonten, die beschlossenen Sanktionen umzusetzen, aber nicht darüber hinaus tätig zu werden. "Eine einseitige und vollständige Sperre für Russland würde die gewöhnlichen russischen Bürger bestrafen, die gerade eine historische Destabilisierung ihrer Währung erleben", sagte die Kryptobörse Coinbase gegenüber dem Magazin Vice.

Beweise für Sanktionsverstöße lägen unauslöschlich vor

Tatsächlich zieht der Handel mit Kryptowährungen sowohl in Russland als auch in der Ukraine durch den Krieg an. Seit dem Beginn der russischen Invasion verzeichnen die Kryptobörsen die höchsten Transaktionsvolumina in russischem Rubel und der ukrainischen Hrywnja seit Monaten.

Wenig deute aber daraufhin, dass in relevantem Umfang sanktionierte Banken und Unternehmen diese Kanäle nutzen, sagt Philipp Sandner, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Die russische Wirtschaft sei - ebenso wie die deutsche und andere - einfach nicht so weit, mit Kryptowährungen umgehen zu können. Vieles könne dabei schiefgehen. Hacker könnten die Krypto-Unternehmenskonten plündern, wenn Sicherheitsfehler begangen würden. "Jetzt stellen Sie sich mal vor, Ihr Chef würde morgen beschließen, die Firmenzahlungen in Bitcoin abzuwickeln. Können Sie sich das vorstellen?"

Zumindest in den nächsten neun bis zwölf Monaten sei das nicht möglich, fährt Sandner fort. So lange brauche die russische Wirtschaft mindestens, um auf Krypto umzusatteln - falls es denn geschieht. Das grundsätzliche Problem werde ja nicht gelöst, wenn man offene Zahlungskanäle außerhalb des Bankensystems hat, aber niemanden auf der anderen Seite, der die Zahlungen annimmt: Westliche Unternehmen würden wohl kaum Bitcoins von russischen Partnern, die auf der Sanktionsliste stehen, akzeptieren. Denn Kryptowährungen lassen sich zwar ohne Angabe eines Namens abwickeln, jede Transaktion ist aber technisch nachverfolgbar, unauslöschlich. Sobald einmal ermittelt ist, wem welches Krypto-Konto zuzuordnen ist, liegen die Beweise für Sanktionsverstöße glasklar vor.

Nordkorea erbeutet Krypto-Devisen mit digitalen Raubzügen

China allerdings, der wichtigste Handelspartner Russlands, beteiligt sich nicht an den Sanktionen. Die chinesische Volksbank baut mit dem E-Yuan ein digitales Zahlungssystem auf, das unabhängig vom internationalen Bankensystem und somit vom Dollar ist. Gegenwärtig wird es nur innerhalb von China genutzt. Wenn Russland die Möglichkeit erhielte, ebenfalls darauf zuzugreifen, wären die Finanzströme zu den chinesischen Partnern wiederhergestellt - möglicherweise so lange, bis Moskau seinen E-Rubel entwickelt hat. Im Oktober 2020 sagten Vertreter der russischen Zentralbank der Moskauer Zeitung Izvestia, ein digitaler Rubel könne das Land unabhängiger von den USA machen und es befähigen, sich besser gegen Sanktionen zu schützen. Das alles sei aber einstweilen Spekulation, betont Sandner.

Ein westlich kontrolliertes internationales Banken-Kommunikationssystem wie Swift, aus dem einige russische Finanzinstitute jüngst ausgeschlossen wurden, wäre in einer Welt digitaler Währungen nicht mehr nötig. Russland könnte dann, ebenso wie China, Finanzströme mit Handelspartnern aufbauen, die sich an den Sanktionen nicht beteiligen. Etwa mit dem Iran. Das dortige Regime hat außerdem einen Weg gefunden, kurzfristig Kryptowährungen zu nutzen, um an Geld zu kommen. Das Öl, das es wegen internationaler Sanktionen nicht mehr verkaufen kann, verbrennt es in Kraftwerken und erzeugt mit dem so gewonnen Strom Bitcoins. Sollte Russland sein Gas nicht mehr loswerden, wäre das eventuell auch für Moskau ein denkbares Szenario.

Schließlich verweisen Experten noch auf eine weitere mögliche Krypto-Geldquelle. Das Vorbild dafür wäre Nordkorea. Das Geld für dessen Nuklearprogramm soll zu erheblichen Teilen aus sogenannten Ransomware-Cyberangriffen stammen, bei denen Hacker die Daten von Unternehmen erbeuten und sie gegen Krypto-Lösegeld zurückgeben. Das wäre eine sehr robuste Form der Devisenbeschaffung. Aber es ist ja nun nicht gerade so, dass die russische Regierung sich zuletzt besonders zimperlich gezeigt hätte.

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