Süddeutsche Zeitung

Krypto-Branche:Rauf aufs Podium

Lesezeit: 2 min

Amanda Gutterman, Vorständin von Consensys, will die Frauenquote steigern - mit Konferenzen.

Von Nils Wischmeyer

Es sollte eine aufregende Party nach einer langen Konferenz werden. Um die 5000 Teilnehmer hatten sich auf der "North American Bitcoin Conference" stundenlang zu Kryptowährungen und Blockchain ausgetauscht, jetzt wollten die meisten ein Feierabendbier. Die Veranstalter luden dafür ins E11even in Miami ein. Das Besondere: Das E11even ist ein Strip-Club.

Der "Ausflug" der Bitcoin-Jünger zeigt fast schon exemplarisch, was dieser Markt zweifelsohne ist: männerdominiert. Etwa 97 Prozent der Bitcoin-Besitzer sind einer Umfrage unter Nutzern zufolge männlich. Daran etwas zu ändern, das ist die selbstauferlegte Aufgabe von Amanda Gutterman. Die 26-Jährige ist Vorstand bei Consensys, der eigenen Angaben zufolge größten Blockchain-Firma auf Basis von Etherum. "Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die meisten Early-Winner bei Krypto bisher Männer waren", sagt Gutterman. Sie hätten die dicken Gewinne eingefahren, einige seien aber auch tief gefallen. Den Eindruck, dass Frauen in dieser Industrie verloren wären, will Gutterman nicht gelten lassen. Denn die Liste der Frauen in der Szene ist lang: Sie selbst ist Vorständin bei Consensys, Amber Baldet führt das Blockchain-Team bei JPMorgan und Kathleen Breitmann hat mit Tezos ihre eigene Blockchain-Firma gegründet. "Frauen haben beste Chancen im Bereich Blockchain und Krypto" sagt Guttermann. Dabei helfe es enorm, dass die Branche noch so jung sei. Die Einstiegshürden seien noch gering, Wissen könne man sich schnell aneignen. Jeder Frau, die noch die Entscheidung habe, in die Industrie zu gehen, würde sie raten, einzusteigen. Vorrangig suche man Programmierer, doch auch Anwälte und Banker seien bestens aufgehoben. Eine Möglichkeit, um mehr Frauen in die Industrie zu locken, seien Konferenzen. "Frauen müssen auf dem Podium sitzen, diskutieren, dann kommen auch andere Begeisterte", sagt sie und spricht von ihrer eigenen Konferenz, der Ethereal. Zuletzt waren 60 Prozent der Speaker dort Frauen, und 40 Prozent der Besucher. "Wenn ihr keine Frauen habt, macht ihr was falsch", sagt Gutterman.

Sie selbst hat eine steile Karriere hingelegt: 2013 kommt sie zur Huffington Post, arbeitet dort unter anderem mit Arianna Huffington, gründet kurz darauf die digitale Medienplattform Slant und wird von Forbes 2016 in die 30-unter-30-Liste im Bereich Media geführt. In New York, wo sie bis heute wohnt, lernt Gutterman den Gründer von Consensys, Joseph Lubin, kennen und steigt in die Firma ein.

Heute ist sie dafür zuständig, Blockchain für jedermann begreifbar zu machen. Aber nein, darüber, wie Blockchain funktioniert, will sie an diesem Tag nicht sprechen. Verstehen würden das sowieso nur wenige. Viel wichtiger ist für sie, dass Menschen erkennen, wie sie die Technologie nutzen können. "Niemand versteht doch heute, wie das Internet funktioniert. Aber nutzen tut es jeder", sagt sie. Dahin müsse man auch bei Blockchain kommen.

Wie sehr die Blockchain helfen kann, das Leben der Menschen zu verändern, zeige sich in Entwicklungsländern. Eine Frau in Afrika etwa, die bei einem Bäcker arbeite, könne über das dezentrale Netzwerk eine sichere Identität bekommen. Im zweiten Schritt könne auch ihr Lohn über die Blockchain sicher und transparent übermittelt werden. In entwickelten Ländern sieht sie den Fokus hingegen eher bei Projekten rund um den Datenschutz. Mit Consensys und der Blockchain will sie die Datenmacht dem Nutzer zurückgeben. Jeder solle in der Lage sein, seine Daten zu verwalten, zu verkaufen, zu handeln. In gewisser Weise will sie damit auch das Datenmonopol von Google und Facebook brechen. Ihre Pläne sind zweifelsohne ambitioniert. Doch könnte sie es sich auch vorstellen, zurückzugehen, weg von der Blockchain und in die "normale" Medienwelt? Gutterman schaut kurz irritiert. Für sie ist das eine absurde Frage. Dann antwortet sie langsam: "Künftig wird alles auf der Blockchain aufbauen, da gibt es kein zurück mehr."

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Quelle:
SZ vom 12.11.2018
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