Kroatien:Fußballfan mit Wirtschaftsprogramm

Sz Wirtschaftsgipfel 2018 Berlin Tag 3

Die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović will die Wirtschaft voranbringen.

(Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović erklärt, was Europa und die Wirtschaft von ihrem Fußball-Team lernen können.

Von Thomas Fromm, Berlin

Manchmal braucht es nur einen kurzen Moment, um berühmt zu werden. Bei Kolinda Grabar-Kitarović war dies ein Tag im Juli 2018, der Tag des Fußballspiels in Moskau, als die kroatische Präsidentin, im rot-weiß karierten Nationaltrikot, im Regen auf dem Rasen eines Fußballstadions in Moskau stand und nach der Niederlage gegen Frankreich im Finale die Spieler des kroatischen Teams tröstete. In Kroatien ist sie seither die "Präsidentin der Herzen". Bekannt wurde sie durch die Fernsehbilder in der ganzen Welt.

Beim SZ-Wirtschaftsgipfel präsentierte sich dann noch eine neue Präsidentin - eine, die die Wirtschaft ihres Landes voranbringen will. Auf dem Podium in Berlin über Wirtschaft zu sprechen, sagt sie, sei allerdings "eine Herausforderung": "Ich bin nicht wirklich eine Ökonomin. Alles, was ich über Wirtschaft gelernt habe, habe ich im wirklichen Leben gelernt: Zuerst in der Familie, dann, indem ich mit den Menschen im Land über ihr wirkliches Leben gesprochen habe."

Das ist wahrscheinlich nicht die schlechteste aller Wirtschaftsschulen.

Die Präsidentin, die schon mit 17 als Austauschschülerin auf eine amerikanische High School kam, studierte unter anderem Englisch und Politikwissenschaften in den USA, machte eine diplomatische Ausbildung - und spricht heute ein perfektes amerikanisches Englisch. Diplomatie, Fußball, Wirtschaft und Politik: Wie das alles zusammenhängt, erklärt die Präsidentin so: "Ich wurde hierhin eingeladen wegen des Erfolgs unseres Fußballteams", sagt sie. Schon seltsam: "Auf einmal wird man ein bekanntes Gesicht wegen eines Spiels - aber es geht hierbei ja vor allem auch um Leadership." Also irgendwie auch um Wirtschaft und Politik, denn die Bilder vom Rasen haben, sagt sie, "ein Fenster geöffnet". Warum der Geheimfavorit Kroatien so weit kam bei dieser Fußball-WM? Die Antwort: "Seien Sie Teamplayer, das hat unser Fußballteam der Welt gezeigt. Sie können elf großartige Spieler haben, aber wenn die nicht zusammengespielt hätten, dann hätten sie auch nicht diesen Erfolg gehabt." Das sagt sie natürlich nicht zufällig - es lässt sich hervorragend auf Europa und die Europäische Union übersetzen. Und das heißt: Nicht Frankreich first, nicht Deutschland first, nicht West- oder Ost-Europa first, sondern: Europa first. "Wir müssen in Europa alle zusammenarbeiten."

Kolinda Grabar-Kitarović hat klare Vorstellungen davon, wie es in Kroatien weitergehen soll. Von 2008 bis 2015 befand sich das Land in der Rezession. Jetzt wächst es wieder, aber: Vier Millionen Einwohner hat das Land, und viele, vor allem junge Leute, haben ihre Heimat in den vergangenen Jahren verlassen, um in Ländern wie Deutschland oder Irland zu arbeiten. Dies sei einer der "Effekte der Mobilität", sagt sie. Im Prinzip eine wunderbare Sache, aber: "Das Problem ist, dass wir die guten Menschen verlieren." Das gefährdet den Standort Kroatien, schwächt die Rentenkassen, bremst die Wirtschaft. "Unser Ziel ist es, diese Menschen zurückzuholen. Sie können frische Ideen zurückbringen, die unserer Wirtschaft helfen."

Eine der Haupteinnahmequellen des Landes ist der Tourismus, er macht 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Dabei hat die Präsidentin erkannt: Auf dem Gebiet des Tourismus lässt sich noch viel mehr machen als Sonne, Strand und Meer: Die Präsidentin denkt an Gesundheits- und Jagdtourismus, an Sportcamps für junge Leute.

Jetzt gehe es darum, das Klima für Investoren zu verbessern. Kroatien solle "ein hoch wettbewerbsfähiges Land in der Europäischen Union" werden. Die wichtigsten Maßnahmen: "Eine Steuerreform, um die Arbeitskosten zu senken und die Löhne und Gehälter zu verbessern." Denn nur dann blieben die Menschen in Kroatien. Und: Warum soll man selbst nur die Bäume fällen und das Holz an Dritte verkaufen, wenn man es auch selbst verarbeiten kann - etwa zu Möbeln?

Die Präsidentin will da ansetzen, wo ihrer Meinung nach noch sehr viel Nachholbedarf ist. Bei den Infrastrukturen. Zum Beispiel bei den Zügen, bei den Energieinfrastrukturen und bei der Digitalisierung. Und sie hat einen Plan, ähnlich wie die serbische Premierministerin Ana Brnabić, die am Tag zuvor über die Digitalisierung ihres Landes gesprochen hat. E-Government, elektronische Dienste, die Modernisierung von Schulen - wer technologisch modernisiert, modernisiert auch vieles andere in der Gesellschaft. "Vielleicht sind Sie ein Investor, und vielleicht haben Sie in Kroatien viele bürokratische Hürden vorgefunden", sagt die Präsidentin selbstkritisch. Das soll sich ändern, wenn das Land mehr und mehr modernisiert und digitalisiert wird. "Nach der Krise hat die Regierung viel getan, um dieses Klima zu verändern. Ich bitte Sie darum, mit uns in Kontakt zu bleiben und uns zu sagen, was wir mehr machen können."

Kroatien, sagt Grabar-Kitarović, sei ein "schönes Land". Aber wie das so ist mit Schönheit: "Man kann nicht von Schönheit allein leben, außer als Model. Und auch das nicht für ewig." Ein Art Fazit also.

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