Kritik von Bundespräsident Köhler:Wenn die Wirtschaftselite als Vorbild versagt

Bundespräsident Köhler hat die Maßlosigkeit einzelner deutscher Manager angeprangert. Den Selbstverpflichtungs-Kodex der Wirtschaftsführer sieht er als gescheitert an - und bringt gesetzliche Maßnahmen ins Spiel.

Nach der "Monsterkritik" an den internationalen Finanzmärkten nimmt Bundespräsident Horst Köhler nun die Manager ins Visier: Das Staatsoberhaupt sieht die freiwilligen Leitlinien zur Unternehmensführung als gescheitert an - und bringt stattdessen gesetzliche Maßnahmen ins Spiel.

Kritik von Bundespräsident Köhler: Bundespräsident Köhler über Steuerhinterziehung - "Wo die Moral abhandenkommt, da gerät der freiheitliche Rechtsstaat in Gefahr."

Bundespräsident Köhler über Steuerhinterziehung - "Wo die Moral abhandenkommt, da gerät der freiheitliche Rechtsstaat in Gefahr."

(Foto: Foto: AFP)

Wenn der Eindruck entstehe, die Manager stopften sich die Taschen voll, dann dürfe man sich auch nicht wundern, wenn das Bild der sozialen Marktwirtschaft für viele zum Zerrbild werde, sagte Köhler bei der Verleihung des Max-Weber-Preises für Wirtschaftsethik in Berlin.

"Rundum-Sorglos-Pakete" für Vorstände

Zwar sei der sogenannte Kodex guter Unternehmensführung (Corporate-Governance-Kodex) auf eine hohe Zustimmung bei den Firmen gestoßen, sagte Köhler.

Dies habe aber ganz offensichtlich nicht verhindert, dass Firmen-Vorständen "Rundum-Sorglos-Pakete" gewährt worden seien. "Vielleicht müssen wir also die gesetzlichen Regeln der Unternehmensführung anpassen", sagte Köhler.

Der Bundespräsident prangerte Maßlosigkeit und mangelnde Tugenden einzelner Manager an. Er forderte die Aufsichtsorgane von Unternehmen zum Eingreifen auf, "wenn es an der Kultur der Mäßigung und des Vorbilds mangelt".

Der ehrbare Kaufmann

Köhler erinnerte in seiner Festrede an das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns. "Vertrauen entsteht durch Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Mäßigung und Mut." Diese Tugenden müssten erlernt und gelebt werden durch glaubwürdiges Auftreten, durch eine Kultur der Mäßigung und des Vorbilds bei den Managergehältern ebenso wie bei der Preisgestaltung auf Märkten mit geringem Konkurrenzdruck, sagte Köhler laut Redemanuskript.

Das abstrakte Vertrauen in ein Wirtschaftssystem sei verbunden mit dem Vertrauen in seine führenden Akteure. "Und deren Ansehen hat bei uns stark gelitten". 42 Prozent der Deutschen hielten die meisten Wirtschaftsführer für korrupt. "Das Fehlverhalten einiger Manager, die durch ihre Position besonders im Licht der Öffentlichkeit stehen, trägt in hohem Maße dazu bei, dass die Elite der Wirtschaft heute offenbar für viele nicht mehr als Vorbild taugt."

Kodex für die angemessene Entlohnung von Managern

Der Corporate-Governance-Kodex war 2002 von einer Kommission im Auftrag der Bundesregierung ausgearbeitet und ist seitdem auch erweitert worden.

Er enthält unter anderem Anregungen zur angemessenen Entlohnung von Managern. Vergangenen Monat mahnte der Leiter des Center of Corporate Governance in Berlin, Axel von Werder, eine striktere Einhaltung des Kodexes an.

Auf der nächsten Seite: Köhler über Steuerhinterziehung - "Wo die Moral abhandenkommt, da gerät der freiheitliche Rechtsstaat in Gefahr."

Wenn die Wirtschaftselite als Vorbild versagt

Es sei auffällig, dass die Zustimmung zu dem Kodex dort besonders gering sei, "wo echte Verhaltensänderungen gefragt sind, zum Beispiel bei der Managerhaftung und bei der Begrenzung von Abfindungen", sagte Köhler.

Gesetzliche Höchstgrenzen für Gehälter seien aber der falsche Weg. Die SPD hat vor kurzem ein Maßnahmenpaket gegen überhöhte Manager-Einkommen vorgestellt. Es sieht unter anderem Einschränkungen bei der steuerlichen Absetzbarkeit von Bezügen und Abfindungen vor.

Demokratie lebe vom Bürgersinn. "Wo dieser Bürgersinn, diese Selbstbeherrschung fehlt, wo die Moral abhandenkommt, da gerät der freiheitliche Rechtsstaat in Gefahr." Der Rechtsstaat müsse darauf vertrauen können, dass sich seine Bürger an die Gesetze halten. Und die Bürger müssten Vertrauen in die staatlichen Institutionen haben.

Hart ins Gericht ging der Bundespräsident auch mit dem Steuersystem, das er als kompliziert und unverständlich verurteilte. Die komplexen Regelungen, ständigen Änderungen im Steuerrecht und stark auslegungsbedürftige Gesetzestexte führten zu hoher Intransparenz und Rechtsunsicherheit.

Auf der nächsten Seite: Köhler über Steuermoral - wenn eine Mehrheit es für clever halte, das Finanzamt zu betrügen, dann geriete auch das Vertrauen in die demokratische Ordnung in Gefahr.

Wenn die Wirtschaftselite als Vorbild versagt

Nötig sei ein einfacheres und verständlicheres System. "Die Steuerlasten und ihre Verteilung sollten für alle klar erkennbar sein." Derzeit fühle sich manch einer durch die vielen Gestaltungsspielräume geradezu dazu angespornt, möglichst viele Steuersparmöglichkeiten auszutesten. "Das Finanzamt wird zum Gegner und Steuersparen zum Volkssport", monierte das Staatsoberhaupt.

Wenn eine Mehrheit es für clever halte, das Finanzamt zu betrügen, dann gingen nicht nur Steuereinnahmen verloren, dann gerieten auch der freiheitliche Rechtsstaat und das Vertrauen in die demokratische Ordnung in Gefahr, sagte Köhler bei der Preisverleihung in Berlin.

Der Max-Weber-Preis für Wirtschaftsethik wird alle zwei Jahre vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) vergeben. Das arbeitgebernahe Institut zeichnet damit alle zwei Jahre Nachwuchswissenschaftler für herausragende Beiträge zur Wirtschafts- und Unternehmensethik aus. Der Nationalökonom Weber (1864 bis 1920) ist einer der Begründer der deutschen Soziologie.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: