100 Tage gibt man dem neuen Mann im Amt üblicherweise - nicht aber Brendan Eich. Am 24. März wurde der Amerikaner zum Chef der Mozilla-Organisation gewählt, seitdem ebbt die Kritik an ihm nicht ab. Der Anlass ist gering, eine Spende über 1000 US-Dollar, die Wirkung gewaltig. Im Netz tobt die Empörung.
Die Spende des Brendan Eich stammt aus dem Jahr 2008 und war als Unterstützung gedacht, um die Eheschließung von homosexuellen Paaren gesetzlich zu verbieten. "Verbieten" - ausgerechnet. Mozilla, angesiedelt im Silicon Valley in Kalifornien, steht wie kaum eine zweite Organisation für die Offenheit des Internets - sowohl in technischer als auch in personeller Hinsicht. Von Mozilla kommt beispielsweise Firefox - also der Internet-Browser, den in Deutschland am meisten Menschen nutzen, um im Netz der großen Freiheit zu surfen.
In den Leitlinien des Unternehmens heißt es, Menschen unterschiedlichster Herkunft sollten gemeinsam an der Weiterentwicklung des Internets arbeiten. Wie kann es dann sein, fragen Kritiker, dass ausgerechnet ein Mann wie Eich, der offen gegen die Lesben- und Schwulenszene agitierte, an die Spitze dieses Unternehmens gewählt wurde?
Aus Wut wird Kritik
Aus der Frage wird Wut, aus Wut wird Kritik. Mehrere Mitarbeiter von Mozilla haben Eich zum Rücktritt aufgefordert, Entwickler von Apps haben die Zusammenarbeit aufgekündigt. Okcupid, eine Webseite für Online-Dating, bittet seine Mitglieder, auf den Browser von Mozilla zu verzichten. Weiter noch: Drei Vorstandsmitglieder haben zwischenzeitlich gekündigt; dass die Rücktritte schon länger geplant waren, wie behauptet wird, kann die Diskussion nicht beruhigen.
Brendan Eich ist ein Veteran der Technik-Szene und seit mehr als 30 Jahren online. Er arbeitete seit 1995 an der Entwicklung eines der ersten Webbrowser mit und programmierte die Computersprache Javascript. Eich gehört zu den Mitgründern von Mozilla und war dort lange Jahre technischer Leiter. Vorstandskollegen beschreiben ihn als offenen Kollegen, als jemanden, der sich für Vielfalt im Unternehmen einsetzt. Im Grunde passt er damit perfekt zum Unternehmen - wenn da nur nicht die Sache mit der Spende wäre. Besser gesagt: sein Umgang damit.
Der Fall wurde 2012 bekannt, als die Los Angeles Times eine Liste veröffentlichte, auf der auch der Name von Eich stand. Bereits zu diesem Zeitpunkt gab es viel Kritik - und eine unbeholfene Reaktion des Betroffenen. Eich zählte damals in einer Rechtfertigung auf, was er für die Szene geleistet habe. Er sah sich zu Unrecht als intoleranter Mensch abgestempelt und wehrte sich dagegen, dass sein Privatleben mit der Firma, für die er tätig war, in Verbindung gebracht wurde. Eine Entschuldigung aber gab es nicht.
Was Kritiker besonders empört: Das Referendum, das Eich mit seiner Spende unterstützt hatte, war seinerzeit erfolgreich. Homosexuellen Paare war es zwischen November 2008 und August 2010 in Kalifornien gesetzlich untersagt, zu heiraten - bis das Verbot von einem Bundesgericht als verfassungswidrig gekippt wurde.
Auf seiner persönlichen Internetseite hat sich Eich mittlerweile in aller Ausführlichkeit entschuldigt und Pläne geschildert, d ie Community der Lesben und Schwulen aktiv zu umwerben. Er schreibt aber auch: "Worte alleine werden nichts ändern. Das weiß ich. Ich kann Euch nur um Unterstützung bitten und darum, dass Ihr mir Zeit gebt." Ob er seine persönliche Haltung geändert hat, dazu findet sich in der Erklärung kein Wort.
An diesem Mittwoch wird die Personalie Eich auf der Vorstandssitzung des Unternehmens diskutiert. Bei Mozilla weiß man: Die Krise ist da.
Update: In einem Interview auf der Seite CNET äußert sich Eich nun zu der Situation. Unter anderem sagt er: "Ich bin zuversichtlich, dass ich zur Zeit die beste Person für diesen Job bin. Ich mache meinen Job nach Belieben des Vorstands. Sollte sich hier etwas ändern, werde ich etwas anderes machen. Ich glaube nicht, dass es gut für meine oder die Integrität von Mozilla ist, sich in einen Wandel der eigenen Haltung zwängen zu lassen."