Kritik an individuellen Gesundheitsleistungen:Kein netter Igel

Von wegen süßes Tierchen: Den IGel - individuellen Gesundheitsleistungen - stimmen Patienten oft unter Zeitdruck zu, weil sie ihren Ärzten vertrauen. Doch blindes Vertrauen kann teuer werden.

Guido Bohsem

So ein Igel ist ein nettes Tierchen. Er glotzt knopfäugig und spitznasig aus seinem Stachelfell und verputzt im Laufe seines Lebens allerhand Schädlingszeug. Jeder mag den Igel, und niemand würde ihm etwas Böses unterstellen. Insofern ist die Bezeichnung IGeL denkbar gut gewählt. Etwas Schlechtes würde man jedenfalls nicht vermuten. Vor allem dann nicht, wenn man diesen IGeL im Wartezimmer seines Doktors trifft - unter seinem ausgeschriebenen Namen "Individualisierte Gesundheitsleistung".

Doch ist beim Ärzte-IGeL eine gesunde Portion Misstrauen durchaus angebracht. Denn dahinter verbergen sich die Behandlungen, die Kassenpatienten in der Sprechstunde bares Geld kosten. Nun ist an sich nichts Anrüchiges dabei, wenn der Arzt seinem Patienten zusätzliche Leistungen anbietet und dafür ein Honorar nimmt. Es gibt durchaus nützliche IGeL. Leider verbirgt sich dahinter aber auch unnützes Zeug. Darunter sind Therapien, deren Wirkung und Nutzen nicht nachgewiesen sind. Es gibt Angebote, die durch andere ersetzt werden könnten, die von der Kasse bezahlt werden. Anderes würde man eher im Kosmetikstudio als in der Arztpraxis vermuten.

Nun könnte man sagen, wer bei Verstand ist, kann das Zeug kaufen oder er kann es lassen. Doch so einfach ist es nicht, und das liegt am besonderen Verhältnis zum Arzt. Viele Patienten halten ein IGeL-Angebot für eine medizinische Empfehlung. Es abzulehnen fällt dann schwer. Mehr objektive Aufklärung tut deshalb Not. Vor allem aber sollte der Mediziner dem Patienten Gelegenheit geben, gründlich nachzudenken, ob er eine IGeL will oder nicht. Gleich in derselben Sprechstunde darf so ein Vertrag jedenfalls nicht zustande kommen.

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