Süddeutsche Zeitung

Kritik am Kurs der EZB:Jens und Jörg

Jens Weidmann und Jörg Asmussen bereiten sich schon auf ihre gemeinsame Zeit im Rat der Europäischen Zentralbank vor, sie wollen für Finanzstabilität stehen. Die Notenbank selbst kauft allerdings gerade fleißig riskante Staatsanleihen ein - ausgerechnet aus Italien und Griechenland.

Helga Einecke und Harald Freiberger

Jens Weidmann, 43, und Jörg Asmussen, 45, stehen Seit an Seit, lächeln in Kameras. Ihre Pose signalisiert Zusammenhalt. Man könnte meinen, sie würden schon im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) gemeinsam deutsche Interessen vertreten. Der eine ist seit Mai Bundesbankpräsident, der andere steigt erst im Januar zum EZB-Manager auf. Man kennt sich vom Studium, und redet sich mit "lieber Jens" und "lieber Jörg" an. "Künftig treten wir häufiger im Doppelpack für Finanzstabilität auf", bekräftigt Jörg Asmussen, der noch Finanzstaatssekretär ist, auf einer Bankenkonferenz in Frankfurt.

Im Eurotower warten auf die beiden Deutschen schwierige Aufgaben. In den Büchern der EZB türmen sich Risiken, zum Beispiel Staatsanleihen. Vergangene Woche, als Italien ins Schleudern kam, griff die Notenbank zwar nicht mehr so stark zu, sondern halbierte den Erwerb von Staatstiteln auf 4,5 Milliarden Euro. Dennoch summieren sich sämtliche Käufe auf 187 Milliarden Euro. Vor allem italienische und griechische Papiere sollen darunter sein.

Weidmann sieht den riskanten Kurs der Notenbank mit Sorge. Die EZB werde von der Politik als vermeintlich einzig handlungsfähiger Akteur zunehmend zum Eingreifen genötigt, klagt er. Die Grenzen zwischen Geld- und Fiskalpolitik drohten zu verwischen oder gar vollständig zu verschwinden. Wenn die Geldpolitik ihr Mandat, Preisstabilität zu gewährleisten, immer weiter dehne oder sogar gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoße, stehe ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach sich strikt gegen eine unbegrenzte Staatsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank aus. Damit würde der Inflation Vorschub geleistet, sagte Schäuble am Montag beim CDU-Parteitag in Leipzig: "Inflation ist die größte soziale Ungerechtigkeit."

Die Folge wäre eine weniger stabile Währungsunion. Schäuble räumte aber zugleich ein, dass die Bundesregierung mit dieser Auffassung in der Euro-Zone "relativ alleine" dastehe.

Weidmann sagt, die Geldpolitik könne und dürfe Solvenzprobleme von Staaten und Banken nicht lösen. Entscheidungen hierüber müssten von den nationalen Parlamenten getroffen werden.

Italien, das sich am Montag zu höheren Zinsen verschulden musste, kann nach Weidmanns Einschätzung seine Schwierigkeiten aus eigener Kraft meistern. Es habe leistungsfähige Unternehmen, wenig verschuldete private Haushalte und vor dem Beitritt zur Währungsunion eine wesentlich höhere Zinslast geschultert. Politischer Wille der neuen Regierung sei gefragt. Griechenland müsse vereinbarte Anpassungen einhalten, um finanzielle Hilfe zu bekommen. Die Hilfen kauften nur Zeit, könnten Reformen nicht ersetzen.

"Wer den Nutzen hat, soll auch die Lasten tragen"

Asmussen hielt sich mit einer Einschätzung zur Rolle der EZB zurück. Aber er zeigte Verständnis für den Erwerb von Staatsanleihen. Man könne keinem einen Vorwurf machen, der Staatsanleihen gekauft habe, sagte er. Die Banken taten das im großen Stil, weil sie diese Papiere nicht mit Eigenkapital unterlegen müssen.

Zugleich forderte der Noch-Staatssekretär die Banken auf, von der Krise zu lernen, mehr Kapital vorzuhalten, bei der Bezahlung der Manager die richtigen Anreize zu setzen. "Wer den Nutzen hat, der soll auch die Lasten tragen", meinte Asmussen. Nur Regeln befolgen reiche nicht, eine anständige Grundgesinnung sei nötig.

Weidmann sprach sich gegen eine Aufspaltung des Bankengeschäfts aus, wie sie auch in Deutschland gefordert wird. Eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken sei schwierig umzusetzen. Das hätte auch die aktuelle Krise nicht verhindern können. Die Verwerfungen am Bankenmarkt hätten Geschäfts- und Investmentbanken gleichermaßen betroffen.

Der Bundesbankpräsident liegt damit auf einer Linie mit dem Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann. Sollte Europa vom Prinzip der Universalbanken abrücken, würde dies vor allem der Konkurrenz in den USA und Asien in die Hände spielen, warnte der Bankier. Die Ansprüche vieler Großkunden seien komplex, sie würden zu Wettbewerbern abwandern. "Dann freuen sich andere."

In einem Trennbankensystem könnten bei der Schieflage einer Großbank Teilbereiche wie das Investmentbanking leichter abgewickelt werden, ohne die Einlagen der Privatkunden zu gefährden.

Ackermann sieht auch die Gefahr, dass ausländische Großinvestoren auf Jahre hinaus keine europäischen Staatsanleihen mehr kaufen. "Überall, wo ich bin, egal ob im Nahen Osten oder anderswo, höre ich: Wir kaufen doch diese Anleihe nicht, wenn wir fürchten müssen, dass es irgendwann zu einer Lastenteilung kommt" , gibt er zu bedenken.

Mit der Beteiligung privater Investoren an einem Schuldenschnitt in Griechenland habe man nach außen signalisiert, dass das Land sich selbst nicht mehr helfen könne. "Dafür werden wir noch über Jahre einen hohen Preis zahlen", meint der Bankier.

Es komme jetzt darauf an, deutlich zu machen, dass Griechenland eine absolute Ausnahme war, weil die Verschuldung dort zu hoch war. Die Gefahr eines möglichen Schuldenschnitts dürfe nicht auf Staaten wie Italien oder Spanien übergreifen. "Sonst werden wir uns fragen, wer diese Anleihen noch kauft, und das wäre eine der schlimmsten Entwicklungen überhaupt", warnte Ackermann.

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SZ vom 15.11.2011/aper
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