Krisensitzung:Renault schasst den Chef

Renault-Chef Thierry Bolloré wurde abberufen. Finanzvor­ständin Delbos führt den Autokonzern übergangsweise.

Von Leo Klimm, Paris

Renault kommt nicht zur Ruhe. In einer eilig einberufenen Krisensitzung hat der Verwaltungsrat des Autoherstellers am Freitag Vorstandschef Thierry Bolloré mit sofortiger Wirkung abberufen. Finanzvorständin Coltilde Delbos wurde zur Interimschefin des Pariser Konzerns bestellt - "für die Zeit, die der Prozess zur Berufung eines neuen Generaldirektors benötigt", wie Renault mitteilte. Delbos wird nach Mary Barra, Chefin des US-Konzerns General Motors, die zweite Frau an der Spitze eines großen Autoherstellers.

Renault-Verwaltungsratschef Jean-Dominique Senard verteidigte die überraschende Absetzung Bollorés lakonisch. "So läuft das Leben eines Unternehmens", sagte er. "Es gibt Momente, in denen ein Unternehmen einen neuen Atem braucht. Das ist nichts Persönliches."

Hinter dem Wunsch nach einem Neuanfang verbirgt vor allem der, endgültig mit der Ära Carlos Ghosn abzuschließen. Bolloré galt als Kronprinz des im November 2018 über einen Finanzskandal gestürzten Ex-Konzernchef. Anfang 2019 war Bolloré zwar zunächst auf den Posten des Unternehmenslenkers befördert worden; zur gleichen Zeit übernahm Senard, der von außen kam, den Verwaltungsratsvorsitz. Seit einigen Wochen nun soll Senard die Ablösung Bollorés betrieben haben. Als das vor Kurzem öffentlich wurde, gewährte ihm der Staat, mit 15 Prozent der Anteile Hauptaktionär bei Renault, freie Hand zur Absetzung des Frontmanns: Man vertraue Senard voll und ganz, verlautbarte die Regierung.

Bolloré werden Managementfehler vorgeworfen

Bolloré wurden in der Sitzung am Freitag Managementfehler sowie die zunehmend schlechte Geschäftsentwicklung vorgehalten, hieß es aus dem Umfeld der Unternehmensführung. Dem Manager wird außerdem sein gestörtes Verhältnis zum japanischen Partnerkonzern Nissan zum Verhängnis. Der Ankeraktionär Staat dringt auf eine Erneuerung und Vertiefung des Bündnisses mit Nissan, das für beide Hersteller überlebenswichtig ist. Doch die Japaner misstrauten Bolloré. Sie hatten Grund dazu: Als Ghosn, der einst Renault und Nissan in Personalunion führte, im vergangenen Herbst festgenommen wurde, stützte der Ziehsohn die Theorie einer japanischen Verschwörung. So zerstörte der Skandal um Ghosn das Vertrauen zwischen Renault und Nissan - und gefährdete die Allianz. Senard und die französische Regierung scheinen zur Überzeugung gelangt zu sein, mit dem Ghosn-Getreuen Bolloré sei kein Neustart mit Nissan möglich.

Allerdings haben sie den Austausch an der Konzernspitze schlecht vorbereitet: Die Nachfolge Bollorés haben sie noch nicht geregelt. Daher übernimmt jetzt übergangsweise Delbos. Die 52-jährige Finanzchefin kam nach einer Karriere in den USA und bei anderen französischen Industriefirmen 2012 zu Renault. Als Vizechefs des Konzerns werden Produktionsvorstand José-Vicente de los Mozoz und Vertriebschef Olivier Murguet berufen. Verwaltungsratspräsident Senard ließ am Freitag offen, bis wann er dauerhaften Ersatz für Bolloré finden möchte. Die Börse stört diese Hängepartie nicht: Dort gewannen Aktien von Renault angesichts der Ablösung Bollorés am Freitag um bis zu fünf Prozent an Wert.

Der geschasste Chef zeigte sich in einem Interview verbittert. "Das ist ein Gewaltstreich", sagte Bolloré der Zeitung Les Echos. Senard habe stets beteuert, zwischen ihn und den Vorstandschef passe kein Blatt Papier. Ihm sei nichts mehr vorzuwerfen, als dass er einst von Ghosn gefördert worden sei.

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