Süddeutsche Zeitung

Griechenland:Euro-Finanzminister sollen am Mittwoch den Durchbruch schaffen

  • Der Euro-Krisengipfel ist zu Ende. Kommissions-Präsident Juncker glaubt an einen Kompromiss mit Griechenland noch diese Woche, Bundeskanzlerin Merkel gibt sich bedeckt.
  • Am Mittwochabend gehen die Beratungen der Euro-Finanzminister weiter. Bis dahin werden die neuen Sparvorschläge der griechischen Regierung geprüft.
  • In Athen demonstrieren Tausende Griechen für die Beibehaltung des Euros.

Der Gipfel ist beendet - so geht es weiter

Das Euro-Krisentreffen der Staats- und Regierungschefs ist am Montagabend nach vier Stunden zu Ende gegangen - allerdings ohne Ergebnis. Die Euro-Finanzminister werden am Mittwochabend zum zweiten Mal in dieser Woche über Griechenland beraten. Bis dahin werden EU-Kommission, EZB und IWF in enger Abstimmung mit den Euro-Regierungen die neuen Sparvorschläge der griechischen Regierung prüfen. Am Donnerstag findet dann ein regulärer EU-Gipfel mit 28 Staats- und Regierungschefs statt - am Rande des Treffens dürfte dann die endgültige Entscheidung fallen, die dann noch in einigen Ländern von den Parlamenten abgesegnet werden muss.

Athen braucht dringend neue Finanzhilfen, um Dienstag kommender Woche etwa 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen zu können. An diesem Tag läuft auch das europäische Hilfsprogramm für Griechenland aus. Am Sonntag hatte Athen neue Sparvorschläge präsentiert.

Reaktionen: Zuversicht - aber nicht ungeteilt

"Ich bin zuversichtlich, dass die Eurogruppe am Mittwoch Ergebnisse erzielen wird." Dies sind die Worte von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nach dem Gipfel. Ziel sei, in dieser Woche eine Lösung zu finden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt sich bedeckt: Es gebe zwar einen "gewissen Fortschritt", sagte Merkel nach dem Treffen, "aber es ist auch klar geworden, dass noch sehr viel Arbeit zu leisten ist, und dass die Zeit dafür sehr kurz ist." Merkel sagte, sie hoffe, dass nach dem Treffen der Finanzminister am Mittwoch Ergebnisse verkündet werden könnten. Basis der Verhandlungen sei die Position der drei Institutionen, die Griechenland bereits deutlich entgegen gekommen seien. Der Chef der Eurozone, Jeroen Dijsselbloem erklärte ebenfalls, dass in den kommenden 48 Stunden noch harte Arbeit nötig sei.

Skeptisch äußerte sich Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite, die als Vertreterin jenes Lagers gilt, das der griechischen Regierung kaum noch über den Weg traut. "Das Treffen war für das Verfahren gut, aber nicht für das Ergebnis", erklärte sie. Optimistisch wiederum äußerte sich Frankreichs Präsident Francois Hollande, der zuletzt auf eine schnelle Lösung gedrängt hatte. Die Grundlagen für ein Abkommen mit Griechenland lägen "hier und jetzt" vor. Eine Verlängerung des Hilfsprogramms und eine Umschuldung für Griechenland sei allerdings erst in einer zweiten Stufe der Beratungen ein Thema.

Verständigung auf Haushaltsziele

Bei dem Gipfel hat es eine Verständigung auf die griechischen Haushaltsziele für die nächsten Jahre gegeben. Das berichteten Diplomaten am Rande des Treffens. Der sogenannte Primärüberschuss, bei dem Zinszahlungen und Tilgungen ausgeblendet werden, solle im laufenden Jahr ein Prozent der Wirtschaftsleistung betragen und im kommenden Jahr zwei Prozent. Der Primärüberschuss ist eine wichtige Größe bei der Sanierung des Budgets. Die Verständigung auf diese Werte hatte sich zuvor bereits abgezeichnet.

Demonstration in Athen

Tausende Griechen demonstrierten am Montag vor dem Parlamentsgebäude in Athen für die Beibehaltung des Euro. Der frühere Ministerpräsident Konstantinos Mitsotakis warnte, sein Land sei in Gefahr. Es war die zweite Demonstration dieser Art binnen einer Woche. Teilnehmer warfen dem linksgerichteten Premier Alexis Tsipras vor, die Mitgliedschaft des Landes in der Euro-Zone zu gefährden. Am Vortag hatten Anhänger von Tsipras für dessen Politik demonstriert. Meinungsumfragen zufolge haben 63 Prozent der Griechen eine positive Einstellung zum Euro.

Was Tsipras den Gläubigern angeboten haben soll

Griechischen Medien zufolge sollen die jetzt von Tsipras vorgeschlagenen Maßnahmen in den kommenden eineinhalb Jahren fünf Milliarden Euro einbringen. Diese Punkte sind enthalten:

  • Renten: Die Frühpensionierung soll von 1. Januar 2016 an abgeschafft werden; das soll etwa 200 Millionen Euro an Einsparungen bringen. Die Rentenbeiträge sollen erhöht werden. Höhere Renten sollen gekürzt werden.
  • Gesundheit: Die Gesundheitsbeiträge sollen für alle Renten von vier auf fünf Prozent steigen. Das ist nichts anderes als eine Kürzung aller Renten.
  • Militär: Die Verteidigungsausgaben sollen um 160 Millionen Euro jährlich gesenkt werden.
  • Steuern: Es gibt noch Streit über die Mehrwertsteuersätze in der Gastronomie. Athens Ex-Regierungschef Samaras hatte sie von 18 auf 13 Prozent gesenkt. Die Gläubiger drängen darauf, dass der Satz auf 23 Prozent steigt. Griechenlands Regierung will darüber mit den Geldgebern verhandeln; der Mehrwertsteuer-Satz auf Strom soll nach dem Willen Athens allerdings nicht auf 23 Prozent steigen.

Das aktuelle europäische Programm für Griechenland läuft Ende des Monats aus. Wenn bis dahin keine Einigung über die Auszahlung von Geldern in Höhe von 7,2 Milliarden Euro erzielt wird, droht dem Land die Staatspleite - zumal Athen bis zum 30. Juni 1,6 Milliarden Euro an den IWF zahlen muss.

Worüber Griechenland und seine Gläubiger streiten

Streitpunkt in den Verhandlungen ist, welche Einsparungen und Reformen die griechische Regierung umsetzen muss. Die Geldgeber wollen nur dann weitere Finanzmittel freigeben, wenn Griechenland konkrete Zusagen macht, die für sie akzeptabel sind. Dabei geht es um Ausgabenkürzungen im Rentensystem, höhere Mehrwertsteuern und einen Haushalt mit einem Mindest-Primärüberschuss, also vor Zinszahlungen und Tilgungen.

Für den Fall, dass Griechenland nun ausreichende Zugeständnisse macht, stellen die Geldgeber dem Land offenbar eine sechsmonatige Verschnaufpause in Aussicht, berichtete die britische Zeitung Guardian.

Die griechische Regierung stellt die Kreditprogramme grundsätzlich in Frage. Vor allem Finanzminister Varoufakis glaubt, dass Griechenland die Schulden kaum zurückzahlen kann, sich durch die Kredite aber in dauerhafte Abhängigkeit von den Geldgebern begibt. Daher müssten dem Land zumindest ein Teil seiner Schulden erlassen werden, sagt Varoufakis - eine Forderung, die etwa Deutschland strikt ablehnt.

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