Krisengipfel in Brüssel:Wir retten den Euro - und uns selbst

Es gab schon "die Nacht der langen Messer" oder "das längste Mittagessen der Geschichte". Ob der Krisengipfel diesmal wieder so lange dauert? Das liegt unter anderem an Ms. Europa, einem charmanten Luxemburger und mindestens drei Politikern, die um ihr Amt fürchten. Ein Überblick über die wichtigsten Gipfel-Teilnehmer.

Johannes Aumüller

1 / 8

Krisengipfel in Brüssel:Jean-Claude Juncker

-

Quelle: AFP

Europäische Krisengipfel sind oft historisch. Es gab schon "die Nacht der langen Messer" (beispielsweise im Februar 1999) oder "das längste Mittagessen der Geschichte" (Mai 1998). Ob der Krisengipfel diesmal wieder so lange dauert? Ein Überblick über die wichtigsten Teilnehmer.

Im Hauptberuf Premier- und Finanzminister von Luxemburg. Ist in der öffentlichen Wahrnehmung so sehr mit Europa und dem Euro verbunden, dass manche Fernseh-Redakteure bei seinen Wortbeiträgen die Bauchbinde "Mr. Euro" einblenden. Präsentiert sich in Interviews mit deutschen Medien immer so klug, charmant und ironisch, dass ihn mindestens die Hälfte der Bundesbürger gerne im deutschen Politikbetrieb sehen würde. Überdeckt mit seiner ach so klugen, charmanten und ironischen Art, dass er sich bisweilen üble Aktionen leistet - zum Beispiel seine legendäre Lüge, als er im Mai ein Krisentreffen hartnäckig dementieren ließ, obwohl in Brüssel längst die Limousinen vorfuhren. Seine Rechtfertigung später: "Weil die Finanzmärkte in Europa noch nicht geschlossen waren und auch der Handel an der Wall Street noch lief, mussten wir die Existenz des Treffens leugnen. Andernfalls wäre der Kurs des Euro gegenüber dem Dollar katastrophal abgestürzt."

2 / 8

Krisengipfel in Brüssel:Herman Van Rompuy

-

Quelle: AFP

Im Hauptberuf der ständige Präsident des Europäischen Rates. Soll nach den Plänen von Merkel und Sarkozy in der öffentlichen Wahrnehmung demnächst so sehr mit Europa und dem Euro verbunden werden, dass manche Fernseh-Redakteure bei seinen Wortbeiträgen die Bauchbinde "Mr. Euro" einblenden werden. Präsentiert sich in Interviews mit deutschen Medien allerdings nie so klug, charmant und ironisch, dass ihn die mindestens die Hälfte aller Bundesbürger gerne im deutschen Politikbetrieb sehen würde. Präsentiert sich in großen europäischen Runden allerdings stets so diplomatisch, zurückhaltend und doch bestimmt, dass ihm Bundeskanzlerin Merkel gerne vertraut.

3 / 8

Krisengipfel in Brüssel:Angela Merkel

Kabinett

Quelle: dapd

Hat in großen europäischen Runden schon so manche Rolle übernommen. Als sie sich in der ersten großen Krise 2008 stur stellte, war sie Madame Non; als es im Frühjahr 2010 um das erste Griechenland-Paket ging, war sie Madame Oui; und dazu gab sie immer mal wieder die Ms. Europa. Mal stritt sie sich mit Sarkozy erbittert, mal boxte sie Seit an Seit mit dem französischen Staatspräsidenten alle Anliegen so schnell durch, dass der Rest Europas resigniert über den "Klub der 2" lamentierte, der doch ohnehin alles selbst entscheide. Die Rolle an diesem Mittwoch dürfte zwiespältig sein. Denn in vielen Fragen hat Merkel den Rest des Kontinents schon auf Kurs gebracht, offen ist allerdings noch die zukünftige Rolle der Europäischen Zentralbank: Viele Politiker wollen, dass die Frankfurter Institution weiterhin Staatsanleihen angeschlagener Euro-Staaten aufkaufen darf - Merkel kämpft dagegen an. Für sie ist die EZB in dieser Frage nicht zuständig, Staatsanleihenaufkäufe sollen über die erweiterte EFSF laufen.

4 / 8

Krisengipfel in Brüssel:Nicolas Sarkozy

France's President Sarkozy attends a meeting with representatives of Public Health sector in Carcassonne, southern France

Quelle: REUTERS

Nimmt für die Zukunftschancen Europas, des Euro und seiner eigenen Präsidentschaft sogar in Kauf, rund um die Geburt seiner Tochter gerade mal 30 Minuten im Krankenhaus zu sein. Ist offenkundig extrem nervös, weswegen er zum Beispiel am vergangenen Wochenende seinen britischen Kollegen Cameron anschnauzte ("Wir haben es satt, dass Sie uns ständig kritisieren"). Ist qua Amt und qua Charakter natürlich bei jedem Auftritt in einer Sonderrolle, ist bei diesem Brüsseler Gipfel-Abend aber in einer Sonder-Sonderrolle. Einerseits gibt er wegen der desolaten italienischen Haushaltslage den großen Mahner, der Berlusconi zu mehr Sparbemühungen drängt; andererseits muss er wegen der problematischen französischen Haushaltslage aufpassen, dass ihn nicht bald jemand zu mehr Sparbemühungen drängt. Einerseits weiß er, dass ein Schuldenschnitt für Griechenland unumgänglich ist; andererseits befürchtet er, dass ein Schuldenschnitt für Griechenland insbesondere die französischen Banken, damit die französischen Steuerzahler und damit den amtierenden französischen Präsidenten treffen würde.

5 / 8

Krisengipfel in Brüssel:Silvio Berlusconi

-

Quelle: AFP

Kein Wort an dieser Stelle zu seinen zahlreichen politischen, beruflichen und persönlichen Affären. Kein Wort zu den wie auch immer überstandenen Vertrauensabstimmungen im italienischen Parlament. Kein Wort zu seinen umstrittenen  Unternehmen Fininvest oder Mediasat. Zu Ruby, Bunga Bunga oder seinen Schönheitsoperationen. Wäre auch ziemlich gemein, an all die Skandale des Cavaliere zu erinnern, wo er in Europa wegen der desolaten Haushaltslage seines Landes doch gerade ziemlich unter Druck gerät und sogar um seine Zukunft als Premier zittert. Erst haben ihm Merkel und Sarkozy diktiert, welchen seiner Finanzexperten er im Notenbanktableau in welche Rolle schieben sollte; nun verlangen Merkel und Sarkozy, dass er am Mittwoch konkrete Ideen anschleppt, wie er Italien gerne sanieren würde. Berlusconi hat das schriftlich zugesichert, doch bislang nichts geliefert. Und so könnte das eine der spannendsten Fragen des Abends werden: Wie reagiert der Rest Europas, wenn aus Italien nichts oder nichts Nennenswertes zur Schuldenbekämpfung kommt?

6 / 8

Krisengipfel in Brüssel:José Luis Rodríguez Zapatero

Spanish PM Zapatero delivers a speech during a meeting in Madrid

Quelle: REUTERS

Ist Spaniens Regierungschef, aber zugleich das, was die amerikanischen Politikbeobachter eine Lame Duck nennen. Kündigte vor einiger Zeit an, wegen der zahlreichen Proteste gegen seinen Krisenkurs zur nächsten Wahl nicht mehr anzutreten. Gehört trotzdem zu denjenigen, die am meisten auf die sogenannte Hebelung des Euro-Rettungsfonds EFSF hoffen - denn die jetzige Summe würde bei einer Notlage Spaniens nicht ausreichen. Könnte allerdings aus gruppenpsychologischen Gründen eine wichtige Rolle spielen. Denn sollte Berlusconi wirklich nichts liefern, könnte es ja sein, dass der eine oder andere Sitzungsteilnehmer Richtung Zapatero schaut, nach dem Motto: Schau mal, lieber Silvio Berlusconi, da sitzt jemand, der mit der Krisenbekämpfung auch nicht so gut klarkam ...

7 / 8

Krisengipfel in Brüssel:Giorgos Papandreou

-

Quelle: AFP

Freut sich als griechischer Premierminister wahrscheinlich, dass die Veranstaltung ausnahmsweise mal nicht als "Krisentreffen zu Griechenland" gelabelt ist, sondern direkt dem kompletten Euro gilt. Dabei geht es ganz massiv um sein Land, um einen sogenannten Haircut, also einen Teilschuldenerlass, und eine Aufstockung des zweiten Rettungspaketes - auf dann voraussichtlich 252 Milliarden Euro. Papandreou muss zugleich aber aufpassen, dass ihm in der Folge des Gipfels nicht das Schicksal von Zapatero droht. Weil sich die griechische Opposition bockig zeigt, könnte es zu Hause bald Neuwahlen geben. Und in den vergangenen beiden Jahren gab es keinen Regierungschef eines Krisenlandes, der die Krisensituation auch im Amt überstand.

8 / 8

Krisengipfel in Brüssel:David Cameron

David Cameron

Quelle: AP

Ist ein unglaublich durchsetzungsfähiger Politiker, der deswegen durchgesetzt hat, dass es an diesem Abend nicht nur ein Treffen der 17 Euro-Staaten, sondern zuvor auch noch ein Treffen aller 27 EU-Staaten gibt. Geplante Dauer der Extra-Zusammenkunft: maximal 75 Minuten, durchschnittliche Redezeit pro Teilnehmer also knapp drei Minuten. Erwartete inhaltliche Substanz der Extra-Zusammenkunft: knapp, aber nur knapp über null. Cameron braucht an diesem Abend wirklich niemand.

© sueddeutsche.de/hgn
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: