Süddeutsche Zeitung

Krisen-Gipfel in Brüssel:Nacht der Ausputzer

Die Euro-Krise hält die Politik in Atem: Die EU-Finanzminister müssen bei ihrem Treffen mit Leben füllen, was die Regierungschefs auf dem Gipfel beschlossen haben. Die spanische Bankenkrise, die Schulden Zyperns und der Troika-Bericht für Griechenland werden den Ministern wohl eine lange Nacht bescheren.

Viktoria Großmann

Nach der Gipfelnacht ist vor dem nächsten Sitzungsmarathon: Die historischen Weichenstellungen vom EU-Gipfel Ende Juni stehen jetzt vor dem ersten Realitätscheck. Die EU-Finanzminister treffen sich an diesem Montagabend und sprechen über spanische Anleihen, deutsche Gerichte und offene Posten. Was die Finanzminister verhandeln werden - ein Überblick über die Tagesordnung.

Die Euro-Zone soll eine Bankenaufsicht bekommen, wurde auf dem Gipfel grob vereinbart. Die Aufsicht soll mächtig genug sein, Banken zu retten oder abzuwickeln. Diese Befugnis könnte zur Europäischen Zentralbank (EZB) wandern und die Behörde stark aufwerten. Details sollen bis Ende des Jahres verhandelt werden: Entsteht eine neue Super-Behörde oder wird die Zentrale nur Moderator der nationalen Aufsichtsämter? EZB-Chef Mario Draghi hofft, dass bis zum kommenden Sommer eine Lösung steht. Das Wall Street Journal meldet, dass die Aufsicht als separate Behörde entstehen könnte - dann aber direkt der EZB unterstellt. Das neue Amt könnte in der EU-Hauptstadt Brüssel angesiedelt werden, und nicht in Frankfurt, wo die Zentralbank sitzt. Eine symbolische Entscheidung.

Außerdem ist offen, ob Nationalstaaten für Bankenrettungen haften sollen. Springen sie ein, sinkt das Risiko für die Steuerzahler aus anderen Ländern. Allerdings erhöht sich in diesem Fall der Druck der Finanzmärkte auf das Land mit den angeschlagenen Banken. Die jeweiligen Regierungen könnten sich dadurch mit der Haftung schnell übernehmen, wie es das Beispiel Spanien gerade zeigt. Die Renditen für zehnjährige Anleihen, ein Krisenindikator, stiegen vor dem Euro-Treffen auf mehr als sieben Prozent. Das können Staaten in der Regel nicht lange durchhalten.

Wie die allgemein zugesagte Hilfe für Spaniens Banken aussehen wird, soll ebenfalls konkretisiert werden. Es ist etwa offen, welche Auflagen Madrid akzeptieren muss und welchen Gläubigerschutz die Euro-Rettungsschirme haben werden. Eine finale Entscheidung im Fall Spaniens ist aber nicht zu erwarten. Die Bedingungen für die spanischen Bankenhilfen sollen am 20. Juli unterschrieben werden, meldete die Nachrichtenagentur Reuters. Möglicherweise bekomme das Land über 15 Jahre laufende Kredite für drei bis vier Prozent.

Die neue griechische Regierung will die Euro-Partner und Geldgeber am Abend um Lockerungen in dem vereinbarten Reformprogramm bitten. Finanzminister Yannis Stournaras nimmt erstmals in seiner neuen Funktion an dem Treffen teil. In Griechenland wächst der Druck auf Ministerpräsident Antonis Samaras, in der Euro-Gruppe spürbare Entlastungen zu erreichen. So warf ein Staatssekretär im Arbeitsministerium am Montag seinen Job hin: Die Regierung verhandele nicht hart genug, begründete er seinen Rücktritt.

Die Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds hat in den vergangenen Tagen den Stand des griechischen Spar- und Reformprogramms überprüft. Ihren Bericht legt sie den Finanzministern vor, er ist Grundlage für die Verhandlungen.

Über den Hilfsantrag Zyperns wollen die Minister ebenfalls sprechen. Die Finanzbranche des Landes hat Milliarden verloren. Der Staat hat nicht genug Geld, um sie selbst zu retten - auch weil die Steuern auf Zypern sehr niedrig sind.

Des Weiteren stehen viele Personalien zur Debatte. Auf EU-Ebene werden solche Stellen nach Proporz vergeben, damit ja kein Land zu kurz kommt. Deswegen ist jede Personalie eng mit einer anderen Entscheidung verknüpft. So ist immer noch ein Posten im EZB-Direktorium frei. EU-Diplomaten zufolge wurde Yves Mersch, der Chef der Zentralbank von Luxemburg, von der Euro-Gruppe jedoch bereits für den seit Juni freien Posten an der Spitze der Notenbank nominiert.

Der Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, hat seinen Posten seit 2005 inne und wollte eigentlich Ende Juli aufhören. Er hatte als seinen Nachfolger den deutschen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorgeschlagen. Das gefiel den Franzosen nicht, die gern ihren Finanzminister Pierre Moscovici auf dem Posten sehen würden. Der Kompromiss könnte so aussehen, dass sich der Franzose und der Deutsche turnusmäßig auf dem Chefposten abwechseln, melden der Spiegel und französische Medien. Die Regierung in Paris dementierte dies jedoch am Montag.

Nicht geklärt ist bislang ebenfalls, wer Chef des neuen Euro-Rettungsschirms ESM wird. Euro-Gruppenchef Juncker hatte Klaus Regling vorgeschlagen, der bislang noch den temporären Rettungsfonds EFSF leitet. Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy sprach sich allerdings gegen einen deutschen ESM-Leiter aus.

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