Krise trifft Europa hart:Vier Millionen Jobs weg

Vor allem junge Männer mit Zeitverträgen haben in der Wirtschaftskrise ihren Job verloren. Für 2010 malt die EU-Kommission schwarz - denn der Stellenabbau hält an.

S. Haas

Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat in Europa mehr als vier Millionen Arbeitsplätze zerstört. Bis Ende 2010 dürfte die Zahl auf sieben Millionen steigen, heißt es in einem am Montag von der EU-Kommission in Brüssel veröffentlichten Bericht. Betroffen sind vor allem Männer, junge Menschen, Geringqualifizierte und Beschäftigte mit befristeten Verträgen.

Stellenabbau in Europa, Foto: dpa

Bis Ende kommenden Jahres erwartet die EU-Kommission den Abbau von sieben Millionen Arbeitsplätzen.

(Foto: Foto: dpa)

In vielen Ländern hätten Kurzarbeit und andere Formen reduzierter Arbeitszeiten die Folgen der Rezession abgemildert. Damit zeigten sich Europas Arbeitsmärkte "ziemlich robust", betonte die EU-Kommission in dem jüngsten Bericht "Beschäftigung in Europa 2009". Ohne diese Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung wäre die Arbeitslosigkeit drastisch gestiegen. In Deutschland gab es in der Spitze fast 1,5 Millionen Kurzarbeiter. Ökonomen schätzen, dass es ohne die Kurzarbeit hierzulande bis zu 500.000 Arbeitslose mehr gegeben hätte. Im Oktober waren in Deutschland 3,23 Millionen Menschen arbeitslos.

Zeitliche Verzögerung auf dem Arbeitsmarkt

Dennoch fielen dem EU- Bericht zufolge in Europa von Mitte 2008 bis Mitte 2009 insgesamt 4,3 Millionen Stellen weg. Bis Ende nächsten Jahres könnten es mehr als sieben Millionen werden. Denn der Stellenmarkt werde sich zunächst weiter verschlechtern, auch wenn sich die Wirtschaft erhole. Dies liege daran, dass die Arbeitsmärkte stets zeitlich verzögert auf die Konjunktur reagieren, begründen die Brüsseler Experten. "Der Bericht zeigt, wie wichtig es ist, unsere kurzfristige Antwort auf die Krise mit unseren längerfristigen Strukturreformen zu vereinbaren", sagte der EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit, Vladimir Spidla in Brüssel.

Die Kommission befürchtet, dass die EU-weite Arbeitslosenquote von 9,2 Prozent im September 2009 im nächsten Jahr auf mehr als zehn Prozent zulegen wird. Dies sei ein bedeutender Rückschlag für die Erreichung der Ziele aus der Lissabon-Strategie, die Verbesserungen am Arbeitsmarkt vorsieht. Seitdem seien Fortschritte erzielt worden, heißt es. Die Gesamtbeschäftigungsquote sei bis 2008 um vier Punkte auf 65,9 Prozent gestiegen. Die Rezession werde diesen Zuwachs nun zunichte machen.

Männer besonders betroffen

Der krisenbedingte Stellenabbau treffe vor allem Männer, heißt es weiter. Sie seien häufiger arbeitslos geworden als Frauen, weil die Krise Männerdomänen wie die Bauwirtschaft und die Automobilindustrie besonders hart getroffen habe, schreibt die Kommission. Es sei auch charakteristisch für diese Krise, dass sie manche Arbeitnehmer härter treffe als andere. So seien solche mit befristeten oder Zeitarbeitsverträgen am meisten betroffen. Auch die Jugendarbeitslosigkeit habe in den vergangenen Monaten Rekordhöhen erreicht. Die EU-Kommission fordert deshalb verstärkte Maßnahmen der Länder gegen die Arbeitslosigkeit der jungen Menschen.

Verschärft habe die Wirtschaftskrise zudem die Langzeitarbeitslosigkeit, schreibt die Kommission weiter. Sie bleibe eine der größten Herausforderungen. In Deutschland gilt als langzeitarbeitslos, wer ein Jahr lang keine neue Stelle gefunden hat. In den vergangenen Jahren betrug die Dauer der Arbeitslosigkeit in der EU in fast 45 Prozent der Fälle den Angaben zufolge mehr als ein Jahr. In den USA liege der Anteil dagegen nur bei etwa zehn Prozent.

Insgesamt seien die europäischen Arbeitnehmer dynamischer als oft angenommen. Jährlich wechselten etwa 22 Prozent der Arbeitskräfte ihren Arbeitsplatz. Dabei beschränke sich diese Dynamik nicht nur auf Länder, die für gewöhnlich als "flexibel" gelten, wie etwa Großbritannien oder Dänemark, sondern auf alle EU-Staaten.

Die Beschäftigungspolitik müsse nun den Übergang zu einer kohlenstoffarmen und nachhaltigen Wirtschaft in den Mittelpunkt stellen, fordert EU-Kommissar Spidla. Zwar werde die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze "netto" nicht sehr hoch ausfallen, weil aus ökologischen Gründen einige Arbeitsplätze wegfielen. Doch der Strukturwandel werde zu einer Umverteilung der Arbeitskräfte in allen Wirtschaftsbereichen und Qualifikationsarten führen.

Der Klimawandel und die damit zusammenhängenden politischen Maßnahmen werden laut EU-Bericht erhebliche Auswirkungen auf den künftigen Bedarf an Qualifikationen haben. Angesichts der neuen Kompetenzen, die in der kohlenstoffarmen Wirtschaft gefragt seien, würden zunächst hochqualifizierte Arbeitskräfte im Vorteil sein. Später dürften durch den Einsatz neuer Technologien auch geringer qualifizierte Arbeitskräfte in der Lage sein, in den neuen Jobs zu arbeiten. Voraussetzung sei jedoch, dass sie dafür geschult würden.

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