Süddeutsche Zeitung

Krise in Griechenland:Trockenübung für die Drachme

Ein Schrecken mit drei Buchstaben: XGD. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat mit dem neuen Kürzel für die alte griechische Währung für Spekulationen gesorgt und wütenden Protest geerntet. Alles nur ein Test?

Ingrid Fuchs

Die Drachme ist wieder da - zumindest in der Theorie. Unter dem Kürzel XGD hat die Nachrichtenagentur Bloomberg die Währung "Greek Drachma (post Euro)" eingeführt - allerdings ohne Kurse anzugeben. Manche Beobachter interpretierten diesen Schritt am vergangenen Freitag als klares Zeichen, dass Athen bald zur früheren Währung zurückkehren wird. Steht Griechenlands Austritt kurz bevor?

Bloomberg erklärte die Sache mit einem internen Funktionstest, schließlich war die XGD-Währung lediglich über die Mittagszeit online. Doch das Experiment stieß unter Beobachtern auf breites Interesse. Die griechische Antwort kam prompt und klang erbost: "Manche drängen darauf, Griechenland aus dem Euro zu werfen... ob aus Stümperhaftigkeit oder absichtlich. Griechenlands Währung obliegt der Entscheidung des Volkes - nicht der Märkte." Doch die Widerworte halfen kaum mehr als ein wütendes Aufstampfen mit dem Fuß.

Betrachtet man nämlich die Liste der meistgelesenen - oft auch schon einige Tage alten - Artikel und Blogeinträge zu diesem Thema auf der Homepage des bekannten US-Ökonomen Nouriel Roubini, führen jene mit eindeutigen Überschriften das Ranking an: "Griechenland muss raus" heißt es da, oder es werden Überlebens-Tipps für die Zeit nach dem Euro erteilt. "Wird die Drachme schon gedruckt?", fragten manche Medien in der vergangenen Woche. Optimismus klingt anders. Aber inzwischen braucht es eben nicht mehr viel Phantasie, um sich einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone vorzustellen.

Bereits zu Beginn der Krise fingen die Griechen damit an, ihre Bankkonten leer zu räumen. Entweder weil sie es schlicht zum Leben brauchen oder weil sie Angst um ihr Erspartes haben. Falls die neue Regierung tatsächlich beschließen sollte, die Drachme wieder einzuführen, könnten die zur Seite gelegten Euros sicher gewinnbringend umgetauscht werden.

Unter Politikern klingt der Tenor zwar überwiegend so, wie beim neuen französischen Finanzminister Pierre Moscovici am Sonntag: "Wir wünschen uns sehr, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt." Fast im selben Atemzug fügte er jedoch hinzu, dass sich die Austritts-Frage nach der erneuten Parlamentswahl am 17.Juni "zweifellos stellen" werde. So erhielten die Regierungen der Euro-Länder auch den Auftrag aus Brüssel, schon mal Notfallpläne vorzubereiten.

Während die politische Debatte über das Für und Wider eines Austritts etwas lauter werden kann, stellen sich Beobachter längst stillschweigend auf den Ernstfall ein. Vor Wochen hörte man aus Frankreich, dass sich die dortigen Banken bereits auf den Ernstfall vorbereiten würden. "Jede Bank hat derzeit eine Arbeitsgruppe laufen, die sich mit den möglichen Konsequenzen einer Rückkehr zur Drachme beschäftigt", sagte etwa ein Pariser Banker. Institute wie Credit Agricole, BNP Paribas und Societe Generale sind stark in dem Mittelmeerstaat engagiert. Ende Dezember beliefen sich offiziellen Statistiken zufolge die Darlehen aus Frankreich in Griechenland auf 44,4 Milliarden Euro.

Auch China bereitet sich auf den Austritt Griechenlands vor. So soll die Regierung jedes Ministerium dazu aufgefordert haben, geeignete Maßnahmen zu finden und so schnell wie möglich eigene Vorschläge zu präsentieren. Staatliche Behörden wie die Zentralbank, die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission sowie die Bankenaufsicht seien angewiesen worden, Notfallpläne vorzulegen.

Die Verunsicherung über die Lage in Griechenland beherrscht nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern bereitet auch vielen Urlaubern Kopfzerbrechen. Was passiert, wenn sich das Land genau während des Urlaubs vom Euro verabschiedet? Reiseveranstalter können für diesen Fall beschwichtigen: "Urlauber, die sich selbst versorgen und etwas auf eigene Faust unternehmen, sollten etwas mehr Euro-Bargeld mitnehmen," rät etwa TUI-Deutschland-Manager Markus Bruchmüller auf der Internetseite des Unternehmens. Damit könnten sie vorsorgen, falls die Versorgung mit Drachmen bei einem Ausstieg des Landes aus dem Euro nicht flächendeckend gesichert sei. Also kein Grund zur Panik. Vorerst.

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