Krise der Gemeinschaftswährung:Euro-Retter im Kampf gegen die Märkte

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Den Euro erhalten, um jeden Preis. Das ist die Linie der Krisenmanager. Ginge es nach ihnen, sollten Regierungen und die Europäische Zentralbank noch größere und riskantere Hilfsprogramme auflegen - gegen das Misstrauen der Märkte. Doch was ist, wenn die viel gescholtenen Märkte recht haben?

Marc Beise

Die Deutschen sind mehrheitlich in Urlaubsstimmung, sie sind gerade zurückgekommen aus den Ferien oder brechen, wie die Bayern und Baden-Württemberger, überhaupt erst dorthin auf. Ausgerechnet jetzt machen die Euro-Retter mobil. Man kann das, was sich zwischen Frankfurt und Brüssel, zwischen Berlin und Paris ankündigt, für richtig halten oder für falsch - wichtig ist zunächst vor allem: dass es bemerkt wird.

Am Donnerstag kündigte der Präsident der Europäischen Zentralbank, der mächtigsten Institution in Europa, klipp und klar an: "Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten." Einen Tag später sekundierten die beiden wichtigsten Politiker Europas, Angela Merkel und François Hollande, fast wortgleich. Und am Wochenende richtete der Euro-Krisenkoordinator Jean-Claude Juncker markige Worte an die Adresse der Märkte und jener (deutschen) Politiker, die den Brüsseler Reigen zu stören wagen.

Das alles ist kein Zufall. Sondern es bedeutet: Jetzt wird es ernst.

Wenn bisher schon vom Endspiel um den Euro die Rede war, dann stehen wir nun, um im Bild zu bleiben, vor dem Elfmeterschießen. Dabei ist nichts von dem, was da jetzt gesagt wird, wirklich neu. Neu ist aber, dass der Worte genug gewechselt sind, dass nun mit weiteren, größeren, riskanteren Hilfsmaßnahmen Ernst gemacht werden soll. Dann wäre die bisherige Rettungspolitik nur ein Vorgeschmack gewesen auf das, was in diesen ruhigen Sommermonaten insgeheim vorbereitet wird.

Was bisher geschah, ist maßgeblich von Deutschland beeinflusst worden. Die wirtschaftlich so starken Deutschen helfen, das war die Idee, sie bürgen und zahlen notfalls - aber unter der Bedingung, dass die überschuldeten Südländer sich reformieren. Dieser Weg funktioniert mehr schlecht als recht. Die Menschen in den Krisenländern, denen so viel abverlangt wird, können nicht mehr. Und die Deutschen, das zeigen alle Umfragen und eine immer heftigere öffentliche Diskussion, wollen nicht mehr.

System mit Mängeln

Entsprechend reagieren die viel gescholtenen "Märkte" mit steigenden Kreditzinsen. Jene Märkte wohlbemerkt (man kann es nicht oft genug erwähnen), die alles andere sind als eine finstere Weltverschwörung, sondern die Summe der großen und kleinen Anleger weltweit, die nun mal das Geld verleihen sollen, das die Staaten brauchen, weil sie mit ihren eigenen Einnahmen nicht auskommen. Die Euro-Retter wollen eine Politik notfalls gegen diese Märkte machen - aber mit welchem Recht? Es ist gerade die Faszination der Marktwirtschaft, dass sich die Interessen vieler am Markt ordnen. Das System hat Mängel, aber es ist noch kein besseres mit Erfolg praktiziert worden.

Und haben die Märkte nicht recht? In Griechenland stockt der Reformprozess, Spanien steht noch am Anfang, in Italien scheint schon wieder der Berlusconismus auf, in Frankreich beschimpft die Regierung die Industrie, statt ihr die Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Wirtschaften zu geben. Und in Deutschland prüft - Verzeihung, liebe Euro-Retter, für die ungebührliche Verzögerung! - das Bundesverfassungsgericht, ob die Rettungsmaßnahmen noch mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sind. Worauf also soll das Vertrauen der Märkte gründen?

Die EZB ist nicht der wohlmeindende Diktator

Manche Euro-Krisenmanager aber schert das nicht. Sie ergehen sich in Untergangsszenarien, wollen den Euro am Beispiel Spanien retten, unbedingt. Dieses Land darf um keinen Preis unter den Rettungsschirm, weil dann Italien der nächste Kandidat wäre und damit der Euro gesprengt. Also, und das deuten die Äußerungen dieser Tage an, bringt sich die EZB in Stellung. Sie soll wieder unverkäufliche Staatsanleihen kaufen, sie soll alles finanzieren, was finanziert werden muss. Sie kann dies, weil sie die Herrin des Geldes ist, sie kann drucken, was sie braucht.

Solide Finanzpolitik ist das nicht, und die Folgen werden die Bürger in Form von fortgesetzten Krisen und Geldentwertung zu spüren bekommen. In den Euro-Institutionen interessiert das wenig, dort glauben viele, Regierungen und die EZB müssten den Euro notfalls im Alleingang und mit maximalem Einsatz retten. Aber die EZB ist nicht der wohlmeinende Diktator. Sie darf nicht handstreichartig umsetzen, was Demokratien nicht gelingt.

Noch ist es Zeit, den Euro zu retten, durch eine grandiose gemeinsame Anstrengung, bei der die Europäer jene einheitlichen Strukturen schaffen, die eine gemeinsame Währung verlangt. Wenn das aber nicht gelingen sollte, dann hat es eben nicht sein sollen - so traurig, so beklemmend, so riskant das wäre. Es ist nicht die Aufgabe der EZB, die Welt gegen die Weltläufte zu retten. Superman gibt es nur im Kino.

© SZ vom 30.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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