Krise bei Air Berlin:Air Berlin ist ein Risiko

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Die Fluggesellschaft Air Berlin ist in finanziellen Nöten. Die Bundesregierung prüft, ob sie mit einer Bürgschaft helfen soll. (Foto: dpa)

Bei der Airline herrschte lange Missmanagement, jetzt will auch der arabische Investor nicht mehr mitziehen. Der Staat sollte deshalb gut überlegen, ob er notfalls wirklich einspringen will.

Kommentar von Marc Beise

Schon wenn die Bundesregierung auch nur "prüft", ob sie Air Berlin mit einer Bürgschaft helfen kann, muss man nervös werden. Zwar ist das Bundeswirtschaftsministerium ebenso wie die Bundesländer Berlin und Nordrhein-Westfalen zu einer solchen Prüfung verpflichtet, weil die Fluggesellschaft in höchster Not aktiv geworden ist und beim Staat angeklopft hat. Und ja, alle Verantwortlichen betonen, dass sie den Fall "sorgfältig" untersuchen werden und das Unternehmen zunächst "seine Hausaufgaben machen" und ein "tragfähiges Konzept" vorlegen müsse. Aber man weiß ja, welche Eigendynamik solche Vorgänge bekommen können, zumal in Wahlkampfzeiten.

In der deutschen Wirtschaftspolitik finden sich viele Beispiele dafür, dass Politiker sich als Macher und Retter profilieren wollten. Unübertroffen gelang dies dem jungen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der 1999 den traditionsreichen Baukonzern Philipp Holzmann "rettete", ehe der später doch pleite ging; da aber war Schröder schon auf anderen Baustellen tätig. Erst vor Jahresfrist hat sich der damalige SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel gegen vielfachen Expertenrat spektakulär in ein Tauziehen im Einzelhandel eingemischt, weil er bei Tengelmann Arbeitsplätze retten wollte. Nun muss seine Nachfolgerin Brigitte Zypries sich mit Air Berlin beschäftigen.

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Von Berrit Gräber

Ihre Kollegin, die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop von den Grünen, hat schon ein gefährliches Argument gebracht: Air Berlin sei nicht nur ein Berliner Unternehmen, "sondern trägt den Namen unserer Stadt täglich in die Welt hinaus". Da kommt eine Sentimentalität durch, die der Sache nicht dienlich ist. Air Berlin ist nicht nur Botschafter der Hauptstadt, sondern vor allem ein Unternehmen, das in den vergangenen neun Jahren nur einmal Gewinn erwirtschaftet hat.

Eines, das für Missmanagement gepaart mit großen Sprüchen berüchtigt war. Eines, dass angesichts eines extrem schwierigen Marktes eine ausgesprochen unsichere Zukunft hat. Das Unternehmen überlebt seit Jahren, weil ein Investor vom Golf viele hundert Millionen Euro investiert hat. Nun will dieser Investor nicht mehr mitziehen, und das muss dem Staat ein Warnzeichen sein, sich nicht ins Risiko zu begeben.

Der Markt lebt, es gibt andere Billigflieger, die interessante Angebote machen

Damit aber wächst die Wahrscheinlichkeit - man muss dies klar benennen -, dass Air Berlin verschwinden wird. Pleite sein wird, ausgeweidet wird, abgewickelt wird. Das wäre sehr bitter zunächst für 8000 Mitarbeiter vor allem in Berlin und NRW. Es ist auch bitter für alle großen und kleinen Geldgeber, für die Lieferanten und Geschäftspartner. Und für die Kunden, Touristen, Privat- und Geschäftsflieger, denen eine Alternative zur häufig teuren Lufthansa verloren geht. Natürlich leidet der Markt, wenn die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft nicht mehr wäre. Aber man kann nichts erzwingen, was nicht geht. Und Air Berlin funktioniert immer weniger.

Und es ist auch nicht so, dass der Wettbewerb dann ausgeschaltet wäre, dass die Lufthansa als Branchenriese die Preise und Flugbedingungen diktieren könnte. Der Markt lebt, es gibt andere Billigflieger, die interessante Angebote machen, und es wird wieder unternehmerische Erfolgsgeschichten geben.

Die Wirtschaft lebt immer vom und im Wandel. Erfolgreich sind die Besten oder die Glücklichsten, oder die, die einfach zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Angebot am richtigen Ort sind. Wenn der Staat, und sei es wohlmeinend, in dieses System eingreift, geht es garantiert schief.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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