Kriminalität:Bundesweites Register kommt später

BER-Korruptionsprozess um Schmiergeldverdacht beginnt

Korruption (hier ein Prozessfoto) verursacht in Deutschland große Schäden.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

2020 sollte das neue Wettbewerbsregister in Betrieb gehen. Auf dessen Basis können korrupte Firmen von öffentlichen Vergaben ausgeschlossen werden. Nun verschiebt sich die Einführung.

Von Katharina Kutsche, Hannover

Durch Korruption entstand in Deutschland im vergangenen Jahr ein Schaden von 47 Millionen Euro, so das Bundeskriminalamt. Geld, das die öffentliche Hand für den Straßenbau oder Schulsanierungen hätte verwenden können. Oder, wie nun im Jahr der Corona-Pandemie, für Schutzmaßnahmen und medizinisches Gerät: Gerade 2020 mussten Behörden schneller als üblich entscheiden, um öffentliche Aufträge zu vergeben.

Da wäre es gut zu wissen, welche Firmen mit unlauteren Mitteln arbeiten, um sie von Vergabeverfahren ausschließen und Schäden abwenden zu können. Die Informationen dafür sollte ein neues Wettbewerbsregister liefern, das "spätestens im Laufe des Jahres 2020" zur Verfügung stehen sollte. So jedenfalls stand es im 2017 verabschiedeten Gesetz. Inzwischen ist klar, dass das Register erst 2021 eingeführt wird.

Was ist das Wettbewerbsregister?

Pro Jahr vergeben deutsche Ämter und Behörden Aufträge mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro, so eine Hochrechnung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2019. Das entspricht 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - und bietet einen Anreiz für Kriminelle, um sich zu bereichern. Das Register soll den Wettbewerb um öffentliche Aufträge und Konzessionen schützen.

Vergabestellen können dann bei jedem neuen Auftrag abfragen, ob die Bieter bereits durch kriminelle Machenschaften aufgefallen sind. Ist das der Fall, bekommen sie den Auftrag nicht. Dabei geht es nicht nur um Bestechung, sondern auch um Verfehlungen wie Schwarzarbeit, Betrug und Steuerhinterziehung. Das neue Verzeichnis wird beim Bundeskartellamt aufgebaut.

Wer meldet, wer fragt ab?

Alle Strafverfolgungsbehörden und Bußgeldstellen melden an das Register, das aus einer elektronischen Datenbank besteht. Erfasst werden rechtskräftige Verurteilungen, Strafbefehle und Bußgeldentscheidungen. In der Datenbank sind die Namen der betroffenen Firmen verzeichnet, aber auch Einzelpersonen, wenn ihr Verhalten einem Unternehmen zuzuordnen ist. Die Bundesregierung rechnet mit 47 500 Eintragungen insgesamt und 9500 neuen Meldungen pro Jahr.

Abfragen können alle Behörden auf Kommunal-, Landes- oder Bundesebene - und sind dazu sogar verpflichtet, wenn das Auftragsvolumen höher als 30 000 Euro ist. Hier geht die Bundesregierung von jährlich 600 000 Zugriffen aus.

Wie ist der aktuelle Stand?

Wegen der Corona-Pandemie habe sich der Start verzögert, teilt das Bundeskartellamt auf Anfrage mit. "Der Aufbau des Wettbewerbsregisters ist ein komplexes Projekt mit Schnittstellen zu sehr vielen verschiedenen Stellen und einer Vielzahl von Stakeholdern", sagt Präsident Andreas Mundt. Nach der aktuellen Zeitplanung solle das Register im ersten Quartal 2021 seinen Betrieb aufnehmen.

Diesen Betrieb soll eine Rechtsverordnung regeln. Deren Entwurf liegt seit vorvergangener Woche vor. Bis zum 2. Dezember haben nun die Bundesländer und Verbände Zeit, Stellung zu nehmen, auch mit den anderen Ministerien muss der Entwurf noch abgestimmt werden.

Was sagen Kritiker?

Manche sprechen von einem Unternehmenspranger. Dieser mittelalterliche Vergleich lässt aber außer Acht, dass das Register nicht öffentlich ist. Abfragen können nur behördliche Stellen, die sich vorher legitimiert haben.

Auch beim deutschen Ableger der Nichtregierungsorganisation Transparency International (TI) ist man nicht ganz glücklich mit dem Ergebnis. Christian Heuking, der die TI-Arbeitsgruppe Vergabe leitet, sagt: "Der Staat darf Aufträge nur an geeignete und zuverlässige Unternehmen vergeben." Dies sei aber nicht davon abhängig, ob jemand verurteilt wurde, sondern davon, ob er, erstens, nachweislich gegen das Gesetz verstoßen hat und, zweitens, dieser Verstoß Auswirkungen darauf habe, wie der Auftrag zu erledigen ist.

Können sich Unternehmen gegen eine Eintragung wehren?

Sie werden zumindest vor einer Eintragung um eine Stellungnahme gebeten. Und ihre Daten werden nach maximal fünf Jahren wieder gelöscht. Firmen können aber beantragen, vorzeitig aus dem Register ausgetragen zu werden: wenn sie etwa einen Ausgleich für den Schaden gezahlt, die Ermittlungsbehörden aktiv unterstützt und eigene Maßnahmen getroffen haben, um zukünftiges Fehlverhalten zu vermeiden.

Allerdings dauern Ermittlungen in Wirtschaftsverfahren oft Jahre. Da haben viele Unternehmen in aller Regel lange vor einem Gerichtsurteil auf interne Skandale reagiert - zu groß ist ihre Angst vor einem Imageschaden. Also werden verantwortliche Mitarbeiter gekündigt, Abläufe und Strukturen verändert. Christian Heuking sagt daher, dass die Hürden für eine Eintragung im Register letztlich zu hoch und unpassend seien. "Das Unternehmen, das verurteilt wird, ist meist schon ein ganz anderes als jenes, das die Tat begangen hat."

Wie lief das bisher?

Bestimmte Informationen zu Verfehlungen werden auch im Gewerbezentralregister erfasst, allerdings sehr viel beschränkter als in der neuen Datenbank. In mehreren Bundesländern gab es zudem eigene Korruptionsregister, die nun gelöscht werden. Auffallend ist, wie viel davon abhängt, dass die öffentlichen Stellen konsequent ans Register melden. In Berlin etwa meldete die Staatsanwaltschaft jährlich mehrere Hundert neue Fälle zur Eintragung. In NRW dagegen waren es seit 2018 nur insgesamt sieben Neueintragungen - aktiv sind derzeit noch vier. Und in Schleswig-Holstein ist in diesem Jahr kein einziges Unternehmen verzeichnet. Insofern wird spannend, wie sehr das neue Wettbewerbsregister tatsächlich eine Wirkung entfalten kann.

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