Krim-Konflikt:Siemens geht vorerst auf Distanz zu Russland

GuD-Kraftwerk Düsseldorf

Blick ins Berliner Gasturbinenwerk der Firma Siemens. Produkte des Unternehmens sind auf der von Russland annektierten Krim aufgetaucht.

(Foto: Dietmar Gust/dpa)
  • Seit Tagen müht sich Siemens mit einer Erklärung, wie Gasturbinen des Konzerns auf die Krim gelangen konnten.
  • Nun stellt das Unternehmen Strafanzeige und geht auf Distanz zu seinen Partnern und zu Russland.
  • Als nächstes müsse geklärt werden, "was das für die Beziehungen zwischen Siemens und dem Land bedeutet".

Von Thomas Fromm

An diesem Dienstag prallen bei Siemens zwei Welten aufeinander. In der Konzernzentrale in der Münchner Innenstadt steht Vorstandschef Joe Kaeser und doziert vor hohen Gästen aus Asien, wie er den Stadtstaat Singapur zum Testfeld für die Digitalisierung ganzer Städte machen will. Smart-Nation, das Internet der Dinge - Kaeser nennt Singapur seinen "Digitalisierungs-Hub", der eigens angereiste Premierminister Lee Hsien Loong hört wohlwollend zu.

Wenn Singapur für das Unternehmen die große digitale Zukunft ist, dann wüsste man gerne, was die 2014 von Russland annektierte Krim für das Unternehmen bedeutet. Denn hier lagern gerade zwei vom Konzern nach Russland gelieferte Turbinen - und zwar vertrags- und sanktionswidrig, denn nach EU-Recht ist zwar der Verkauf von Kraftwerken und deren Teilen nach Russland erlaubt, aber nicht der Export auf die Krim. Nun aber liegen sie da, und Siemens müht sich seit Tagen mit Erklärungen.

Denn sollte sich herausstellen, dass der Konzern gegen EU-Sanktionen gegen Russland verstoßen hat, um seine Turbinengeschäfte in dem großen Land am Laufen zu halten, dann hätte das Unternehmen ein Riesenproblem. Vielleicht sogar das größte seit der Korruptionsaffäre vor zehn Jahren. Und so geht Siemens jetzt auf Distanz. Zu seinen Partnern. Zu Russland. Denn die Aufklärung des Falls, das weiß man auch in München, könnte die Beziehungen zu diesem russischen Riesenmarkt empfindlich stören.

Es ist eine vertrackte Geschichte. Präsident Wladimir Putin will die Stromversorgung auf der ukrainischen Krim sicherstellen und dort zwei Gaskraftwerke bauen. Die Regierung in Moskau zieht sich auf den Standpunkt zurück, dass es um Turbinen aus russischer Produktion gehe - das Argument der Sanktionen würden also schon deshalb nicht greifen. Die Münchner stellen es so dar: Man sei von seinem Kunden hintergangen worden; selbstverständlich unterstütze man selbst keine "kriminellen Handlungen". Bei der Lieferung im vergangenen Sommer sei eindeutig klar gewesen, dass die Turbinen nicht auf die Krim gebracht werden sollen, sondern ins südrussische Taman.

"Zur Tagesordnung übergehen" ginge nicht mehr

Siemens stellt nun Strafanzeige, klagt auf Einhaltung der Verträge und besteht darauf, dass die Lieferungen wieder zurück zum vertraglich vereinbarten Einsatzort gebracht werden. Wie das geht? Man arbeite "auf allen Ebenen", heißt es aus dem Konzern. Und das heißt dann wohl auch, dass die Politik schon mit im Boot ist.

Man müsse nun klären, "was das für die Beziehungen zwischen Siemens und dem Land bedeutet", heißt es aus Konzernkreisen. Ein Land immerhin, in dem Siemens zuletzt noch 1,2 Milliarden Euro Umsatz machte. Aber jetzt "zur Tagesordnung übergehen" ginge nicht mehr. Die Rede ist von "Wirkungen auf bestehende Konstellationen". Das heißt: Siemens ist bereit, sich mit den Russen anzulegen, wenn es sein muss. Man müsse "von dem Schlimmsten ausgehen", heißt es in München.

Siemens steckt in einer unbequemen Lage

Nun sind die Geschäftsbeziehungen des Unternehmens in Russland sehr ausgeprägt. Siemens ist eng mit den dortigen Geschäftspartnern verbandelt - der Konzern hält 65 Prozent an der Turbinen-Herstellerfirma Siemens Gas Turbine Technologies in St. Petersburg, die übrigen 35 Prozent gehören dem russischen Maschinenproduzenten Power Machines.

Mit der Installation der Turbinen auf der Krim soll die Firma ZAO Interautomatika beauftragt sein. Größter Anteilseigner: ebenfalls Siemens mit 45,7 Prozent. Es sind deutsch-russische Gemeinschaftsunternehmen, die nach den jüngsten Ereignissen wohl kaum noch eine große Zukunft haben dürften. Wer gegen seinen eigenes Abnehmer vorgeht, rechnet nicht mehr mit großen Geschäften.

Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft verteidigt Siemens gegen den Verdacht, man habe Russland-Sanktionen ignoriert. "Die Sanktionsauflagen werden von deutscher Seite strikt befolgt", sagte der Geschäftsführer des Ostausschusses, Michael Harms, der Nachrichtenagentur Reuters. Kein deutsches Unternehmen könnte "es sich leisten, der Umgehung von Sanktionsauflagen verdächtigt zu werden".

Siemens steckt also in einer unbequemen Lage, zumal auch schon die Bundesregierung den Konzern daran erinnerte, wer für die Einhaltung von "Exportgesetzen und Sanktionen" zuständig ist: nämlich das Unternehmen selbst. Unternehmenskreise berichten, man habe bereits versucht, an die Turbinen heranzukommen - bislang aber vergeblich.

So ist Siemens an diesem Dienstag zweigeteilt. Der eine Konzern erzählt vom sauberen Geschäften mit Software und digitalen Netzen in Singapur. Der andere muss sich im Hintergrund mit Turbinen auf einer politisch brisanten Halbinsel herumschlagen. Welche der beiden Welten Siemens-Chef Joe Kaeser besser gefällt, ist klar. Er sagt zu seinem asiatischen Gast: "Danke, dass Sie unsere Partnerschaft stark halten".

Und Singapurs erster Mann Lee lächelt: "Ich freue mich, an diesem wunderschönen Morgen hier zu sein."

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