Süddeutsche Zeitung

Kreuzfahrtbranche:Rauf mit den Preisen!

Die Pandemie und die Klimaschutz-Debatte setzen die Kreuzfahrtbranche unter Druck. Sie muss endlich die richtigen Lehren daraus ziehen.

Von Sonja Salzburger

Seit dem 1. August ist Schluss mit den schwimmenden Hotels vor Venedigs malerischer Altstadt. Um das fragile Ökosystem der Weltkulturerbestätte zu schützen, hat Italien große Kreuzfahrtschiffe im historischen Teil der Lagune verboten. Für die ohnehin stark gebeutelte Kreuzfahrtindustrie ist das ein weiterer Dämpfer - und sollte gleichzeitig ein Weckruf sein. Wenn die Reedereien überleben wollen, müssen sie sich grundlegend verändern und das Thema Nachhaltigkeit endlich ernst nehmen.

Momentan ist das Image der Kreuzfahrtbranche reichlich angekratzt. Bereits vor der Pandemie klagten viele Bewohner von Küstenregionen über die Ozeanriesen, welche bei Landgängen für überfüllte Städte, aber kaum lokalen Umsatz sorgten. Und noch immer haben viele Reisende die Bilder von Anfang 2020 im Kopf: Wegen Corona-Ausbrüchen an Bord wurden mehrere Kreuzfahrtschiffe mit Tausenden Passagieren tagelang unter Quarantäne gestellt, andere wurden an Häfen abgewiesen und mussten woanders ankern.

Jahrzehntelang ging es in der Branche nur nach oben, Kreuzfahrten haben sich von einem Luxus- zu einem Massenprodukt entwickelt. In den vergangenen Jahren haben die Reedereien ihre Flotten kräftig ausgebaut. Während 1995 nur etwa 300 000 Passagiere aus Deutschland ihren Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff verbracht haben, waren es 2019 bereits 3,7 Millionen. Erst seit dem Ausbruch der Pandemie haben die Kreuzfahrtanbieter Probleme, ihre Schiffe zu füllen.

Für das Klima ist die aktuelle Krise eine gute Nachricht. Egal, ob die Schiffe mit Schweröl, Schiffsdiesel oder Flüssiggas fahren: Ihr CO2-Ausstoß ist enorm. 2019 lag er nach Berechnungen von Andreas Humpe, Professor an der Fakultät Tourismus der Hochschule München, bei 23,6 Millionen Tonnen. Hinzu kamen etwa 490 000 Tonnen Stickoxide, 230 000 Tonnen Schwefel und 14 000 Tonnen Feinstaub. Dabei handelt es sich um Hochrechnungen, die auf Zahlen basieren, welche die beiden größten Kreuzfahrtunternehmen Carnival Cruises und Royal Caribbean in ihren Nachhaltigkeitsberichten veröffentlicht haben.

Das Bewusstsein der Kunden für Nachhaltigkeit wächst

Vielen Kreuzfahrtfans ist mittlerweile bewusst, dass sie mit ihrer Art zu reisen der Umwelt schaden. Die Corona-Pandemie hat die Menschen zum Nachdenken gebracht. Bei Befragungen geben viele an, dass sie in Zukunft seltener, aber dafür hochwertigere Urlaube planen wollen und auch bereit seien, mehr dafür zu bezahlen. Diese Chance gilt es zu nutzen. Wie der Aida-Marketing- und Vertriebschef Alexander Ewig einräumt, fragen die Kunden mittlerweile nach, was die Kreuzfahrtanbieter für die Umwelt tun. "Nachhaltigkeit ist heute in jedem einzelnen Verkaufsgespräch ein Thema", so Ewig.

Momentan bemühen sich die Reedereien allerdings nicht, ihre Kunden mit überzeugenden Nachhaltigkeitskonzepten zu begeistern. Vielmehr versuchen sie, die Menschen mit Schleuderpreisen wieder an Bord zu locken. Doch das ist falsch, denn so gewöhnen sie ihr Publikum an Tarife, die langfristig gesehen weder rentabel noch nachhaltig sind.

Bis das erste wirklich klimaneutrale Kreuzfahrtschiff auf den Markt kommt, wird es noch Jahre dauern. Aber dieses ehrgeizige Ziel darf nie aus den Augen verloren werden. Die Anbieter sollten konsequent in die Entwicklung klimafreundlicher Antriebstechnologien investieren. LNG-Antriebe mit Flüssigerdgas als Kraftstoff, die momentan als klimafreundliche Revolution gefeiert werden, sorgen noch längst nicht für eine grüne Kreuzfahrt, sie sind allenfalls eine Brückentechnologie. Die Zukunft liegt in leistungsstarken Batterien, Brennstoffzellen und Motoren, die mit synthetischen Kraftstoffen aus erneuerbaren Energien laufen. Gleichzeitig könnten bereits heute viel mehr moderne Landstromanlagen gebaut werden, die die Schiffe zumindest in den Häfen mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgen. Außerdem sollten sich die Reedereien bemühen, die Lärmemissionen ihrer Schiffe in Hafenstädten so gering wie möglich zu halten und gemeinsam mit den Städten kluge Konzepte entwickeln, die dafür sorgen, dass ihre Gäste bei Landgängen nicht zur Belastung werden.

Um diese Investitionen tätigen zu können, braucht die Branche Geld. Deshalb führt kein Weg an höheren Preisen vorbei. Diese sind ohnehin überfällig. Es kann nicht sein, dass eine Schiffsreise heute manchmal billiger ist als ein Urlaub in einem Mittelklasse-Hotel an Land. Langfristig müssen Kreuzfahrten wieder werden, was sie einst waren: ein Luxusprodukt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5369651
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/kö
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.